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6. Schweizer Autobiographie-Awards vergeben

Die Autobiographie-Internetplattform meet-my-life.net und das Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK) der Universität Zürich haben die Auszeichnungen des 6. Schweizer Autobiographie-Award vergeben. Die Wahl der Jury für den 1. Platz fiel auf die in Bülach lebende Deutsche Brigitte Gabler (1950) für die eigenwillige Schilderung ihrer Jugendjahre in Bayern.

Schon der Titel ihrer Lebensgeschichte lässt aufhorchen: «Wohnwelle, Fresswelle, Föhnwelle». Prof. Christine Lötscher kommentiert dazu in ihrer Laudatio: «Was diese Autobiografie auszeichnet, ist ihr Humor und ein ausgesprochener Sinn für das szenische Erzählen. Die »Fresswelle« erleben wir anhand eines überaus sinnlichen Hamburger-Essens, bei dem am Ende zwar kein Geschirr gespült, wohl aber der kleine Bruder gewaschen werden musste.» Überall sind im noch von der amerikanischen Besetzung geprägten Nachkriegsalltag Abenteuer versteckt, allein schon durch die aufregenden Dinge, die aus Amerika kamen, wie eben Hamburger.

Brigitte Gabler lebt seit 23 Jahren in der Schweiz, seit 2003 in Bülach, und ist mit einem eigenen Verlag Herausgeberin der Fachzeitschrift für den Segelflugsport «magazin segelfliegen». Davor arbeitete sie als freie Journalistin, u.a. in Kilchberg (ZH) und Luzern. Sie hat in München Kommunikationswissenschaft studiert und war anschliessend in verschiedenen Funktionen sowohl in Printmedien wie am Radio journalistisch tätig. In dieser Zeit hat sie auch zwei Frauenromane («Wohin mit meinem Latin-Lover» und «Immer Ärger mit Amore») geschrieben.

Die vier mit den Schweizer Autobiographie-Awards Ausgezeichneten (v.l.): Brigitte Gabler (1. Preis), Therese Wyss, Conny Schramm, Elisabeth Steiner (je mit dem 2. Preis)

Analog zu den Vorjahren wurden von der Jury drei weitere bemerkenswerte Autobiographien ex aequo im 2. Rang ausgezeichnet. Es handelt sich um die Biografien von:

Therese Wyss (1947), Boningen (SO) und Zürich: «Immer etwas los»

Mit viel Lokalkolorit erzählt sie von ihrer Jugend im 500-Seelendorf Boningen (SO) und später als Mutter einer von zeitweise mit Epilepsie heimgesuchten Tochter in Zürich. Ihre Schilderungen sind typisch für nicht privilegierte Familien des Jahrkriegsjahrzehnts und für Mädchen, denen eine gute Schuldbildung verwehrt blieben: «Einen Beruf erlernen kam nicht in Frage, dies hat die Mutter schon lange erklärt.»

Dementsprechend verdiente sie sich nach der obligatorischen Schulzeit ihren Lebensunterhalt zuerst als Fabrikarbeiterin, dann als Putzfrau und Näherin. Später lebte sie als weitestgehend Alleinerziehende mit ihrer Tochter von einer 80 %igen Teilinvaliditätsrente und 20 % Zusatzverdiensten. Es ist ein von Behörden und Beiständen teilweise fremdbestimmtes Leben, das ihr auch bezüglich Sorgerechte für ihre Tochter und die beiden Enkelkinder alles abverlangte.

Die Jury zeigte sich von ihrem frischen, ungeschliffenen Schreibsteil beeindruckt: «Therese Wyss schreibt lakonisch, humorvoll und lebendig aus ihrem Alltag. […]. Treffsicher bringt sie die Dinge ohne Umschweife auf den Punkt.» Als mit on-line-schreiben nicht besonders versierte 75jährige, hat sie ihren ganzen Text zuerst von Hand verfasst und dann mit Hilfe ihrer Tochter auf meet-my-life.net übertragen. Als ganz seltener Fall ist auf meet-my-life.net übrigens sowohl die Lebensgeschichte der Mutter Therese Wyss wie die ihrer Tochter, Monika Singh, zu lesen.

Elisabeth Steiner (1943), Bern, Zürich: «Turbulenzen»

In krassem Gegensatz zum kärglichen Leben von Therese Wyss wächst Elisabeth Steiner als Tochter von wohlhabenden Eltern in einem Villenquartier in Bern auf, wo sie ihre Schuljahre bis und mit Gymnasium verbrachte. Anschliessend Philosophie-Studium und später eine psychoanalytische Ausbildung in Zürich, ihrem späteren und heutigen Wohnsitz.

Die vertieften Kenntnisse ihrer eigenen Psyche zeigen sich an vielen Stellen in ihrem Text; zum Beispiel, wenn sie ihn durch Bilder organisiert, die aus der Tiefe der Erinnerung auftauchen, wie die Laudatorin Professor Christine Lötscher ausführte.

In der Kindheit ist die Untreue des Vaters verstörend, was in ihren Augen ihre späteren komplizierten Liebesbeziehungen beeinflusste. «In meiner Vorstellung brachte die Ehe einer Frau entweder Magengeschwüre oder andere Leiden, auf jeden Fall nichts Gutes. So ist mir während sehr langer Zeit die Rolle einer Ehefrau nicht erstrebenswert erschienen.» Nicht überraschend hat sie nie geheiratet und ist kinderlos geblieben.

Trotz ihrer materiell sorgenfreien Jugend hat sie früh Eindrücke, die ihr die Augen öffnen für Benachteiligte und Unterprivilegierte. Es entsteht ihre Leidenschaft gegen Armut, Elend und Rechtlosigkeit zu kämpfen. Das Thema Flüchtlinge zieht sich von da an wie ein roter Faden durch ihr Leben. Dieses Interesse führt sie u.a. ins Armenhaus Ruanda und zu den Kriegsschauplätzen im Balkan und den Schilderungen in Ihren Memoiren.

Conny Schramm (1965), Ost-Berlin, Hamburg: «Mein ungebügeltes Leben»

Erstmals hat die Jury eine ganz in Deutschland gelebte Lebensgeschichte ausgezeichnet. Dieses Leben spielt bis zum Mauerfall in Ostberlin, später im «Westen», zuerst in Braunschweig und seit 2011 in Hamburg.

Mit Leichtfüssigkeit, Witz und einem scharfen Auge für die Absurditäten des Lebens im Sozialismus schildert sie, ihre Jugendjahre «hinter der Mauer» und ihre zunehmenden Interessenkonflikte zwischen dem in der Schule vermittelten sozialistischen Gedankengut und ihrem christlichen Glauben, durch den sie Diskriminierungen und Schikanen ausgesetzt war. Z.B. wurde ihr trotz guter Noten der Zugang zum Abitur verwehrt.

Sie wird zunehmend zur Regimegegnerin; an Flucht dachte sie jedoch, im Gegensatz zu ihrem Jugendfreund, nicht. Die Stasi-Propaganda wirkte zweifach. Einerseits, glaubte sie ihr, dass es im Westen nicht besser sei, andererseits liess es der rigorose Grenzschutz als nicht ratsam erscheinen: «Immer wieder hatte ich von gescheiterten Fluchtversuchen gehört. Kaum einer, der aus der DDR fliehen wollte, hatte das überlebt. Sie wurden an der Grenze einfach erschossen.»

Umso grösser war die grosse Erleichterung nach dem Mauerfall: «Für Millionen Menschen war dies ein überwältigendes Ereignis. Fremde Leute tanzten zusammen auf den Straßen oder lagen sich in den Armen und weinten. Es geschahen Dinge, die wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorgestellt hatten. Wir waren ein Volk!!!»

Dementsprechend ihr Schlusswort: «Noch heute bin ich Gott von Herzen für dieses unfassbare Wunder der Grenzöffnung dankbar. Auch den Montagsdemonstranten, die ihr Leben für die Freiheit riskiert hatten, möchte ich an dieser Stelle danken. Mein Dank gilt auch Michail Gorbatschow, der mit viel Mut und Umsicht gehandelt und Großes ohne Blutvergießen bewirkt hat. Heute bin ich froh und glücklich, in Hamburg leben zu können».

Viel Prominenz in der Aula der Universität Zürich bei der Verleihung der Schweizer Autobiographie-Awards: (vorne v.l.): Joos Sutter, VR-Präsident Coop, Doris Leuthard, Moritz Leuenberger.


Gratis on-line zu lesen auf meet-my-life.net

All diese preiswürdigen Lebensgeschichten können im öffentlichen Lesebereich von www.meet-my-life.net on-line gelesen und auch on-line kommentiert werden. Dort kann auch jedermann für einen kleinen Kostenbeitrag von nur Fr. 39.50 seine eigene Lebensgeschichte aufschreiben und auf Wunsch gleichzeitig publizieren. Der erste Monat ist gratis und unverbindlich zur Probe inkl. gratis e-mail-Support. Jährlich wird der mit Fr. 2’000.- dotierte Autobiographie-Award für eine der publizierten Lebensgeschichten vergeben.


 

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