StartseiteMagazinKultur„Dein ist mein ganzes Herz…“

„Dein ist mein ganzes Herz…“

Die Oper ist und bleibt ein Anachronismus, die Operette aber höchstens noch Seelenmassage. Das gilt leider auch für „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehar.

Die Programmierung einer Spielzeit ist gezielte Puzzle-Arbeit zwischen den verschiedensten Ansprüchen, zwischen Klassik und Moderne, zwischen Kassenfüllern und Neuland, zwischen Budgetvorgaben und Pioniertaten. Weshalb es dem Opernhaus also verargen, es wieder einmal mit einer romantischen Operette zu versuchen, zumal Franz Lehar in diesem exotischen Stoff einen zauberhaften Melodienstrauss anzubieten hat? Und erst recht, wenn es gelingt, mit Piotr Beczala, einem der weltbesten Tenöre, und der phänomenalen Julia Kleiter zwei ehemalige Zürcher Hausgewächse für die Hauptpartien zu gewinnen?

Ein Versuch war es wert, denn musikalisch belegt auch Fabio Luisi, der eben mit der Wiederaufnahme von Verdis „Un ballo in maschera“ ein unwiderstehliches Dirigat abgeliefert hat, dass wir es bei Lehar mit einem genialen Melodiker zu tun haben, der an der Wiege zum Drei-Minuten-Schlager stand und seit Richard Taubers epochalem Höhenflug immerwährenden Kultstatus geniesst. Dass Luisi auch dem leichteren Genre gegenüber keine Berührungsängste an den Tag legt, zeigte nun auch die Premiere mit der Philharmonia Zürich, jedem süsslichen Gehabe abhold und in traumwandlerischem Einvernehmen mit der Bühne.

Hollywood-Revue im Fluoreszenz-Farbenrausch

Auch die Regie ist Chefsache. Andreas Homoki entrümpelt die meist albernen Zwischentexte und macht daraus ein Nummern-Potpourri, ein Ohrwurm folgt dem andern bis zu: Schnulzenseligkeit lass nach! Wer die revueartigen Cinemascope-Schmachtfetzen der Vor- und Nachkriegszeit aus der neuen Welt in Erinnerung hat, weiss um die in Regenbogenfarben getauchten endlos fluoreszierenden Treppen und Säulen und rauschenden Vorhänge. Kitsch-as-Kitsch-can ist nun halt auch bei Lehar Trump(f), um noch retten, was aber eigentlich kaum noch zu retten ist. 88 Jahre nach der Uraufführung liegen heute Millionen von Teenagern Justin Bieber zu Füssen, hier ist es der befrackte chinesische Prinz Sou-Chong, der sich als Rosenkavalier den geadelten Damen andient.

Piotr Beczala als Rosenkavalier Sou-Chong und Chordamen / Fotos: T+T/Suter und Dorendorf

Mit den Vorhängen ist es so eine Sache. Immer wenn im Variété-Bühnenrahmen ein besonders prächtiges Tafelbild als Eye-Catcher zum „still“ gefriert, werden die edlen Stoffbahnen gezogen. Dieser Trick hilft  Homoki einerseits, der ausufernden Betriebsamkeit mit den Chorszenen und Staffagen zu entgehen, anderseits gewinnt er durch die  Trennung vom chinesischen Hokuspokus die gewünschte Intimität, damit die Liebespaare zu den nächsten Liebesschwüren ansetzen können. Aber diese haben es natürlich in sich. Obgleich Beczala der leichten Muse stimmlich schon etwas entwachsen ist, überstrahlt sein funkelndes tenorales Timbre alles, was sich ihm an Klangmassen entgegenstellt. Und die mit allen Mozart-Wassern gewaschene Julia Kleiter steht ihm als Lisa in nichts nach: ein Traumpaar der Superlative.

Martin Zysset, Piotr Beczala, Julia Kleiter und Cheyne Davidson mit Chor Opernhaus Zürich

Das alternative Liebespaar (Rebeca Olvera und Spencer Lang), stimmlich untadelig, ist bei Lehar lediglich eine stiefmütterliche Kopie von Sou-Chong und Lisa, welche die chinesische Kulturmauer genauso wenig zu überwinden vermag. Damit ist die Geschichte eigentlich schon erzählt: Die beiden Paare können letztlich nicht zusammenfinden, weil der Prinz zum Ministerpräsidenten in China gekürt wird und vier Chinesinnen zu heiraten hätte. Da bleibt kein Platz für ein schmachtendes Wiener Madl. Diesen Tarif geben die schlitzäugigen (und schlitzohrigen) Befehlsträger Tschang (Cheyne Davidson) und der Obereunuch (Martin Zysset) mit nicht zu überbietender Klischeehaftigkeit, aber stimmlicher Kernigkeit durch. Das Bühnenbild und die Kostüme von Wolfgang Gussmann sind in der Tat aus einem Guss, um melodietrunken mit einem Kalauer zu enden. Wohl bekomms!

Weitere Aufführungen: Juni 21, 25, 29, Juli 2, 6, 9, 13

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