StartseiteMagazinKultur„Findet mich das Glück?“

„Findet mich das Glück?“

Verspielte Untersuchung des labilen Gleichgewichts am Anfang und am Ende des 20. Jahrhundert bei Beyeler

Alexander Calders Mobiles sind weltweit präsent, fast jedes Museum zeigt eins in der Abteilung Klassische Moderne. Die fragilen Objekte fanden in den 50er und 60er Jahren den Weg in die Banalität des kleinbürgerlichen Alltags: Kunst und Bastelarbeiten wurden dasselbe.

Eine stumme Symphonie von Stabiles und Mobiles im grossen Ausstellungsraum

Aber sind sie es nicht? Hat der Maschineningenieur mit dem kreativen Impetus seine Suche nach dem fragilen Gleichgewicht nicht bastelnd, tüftelnd, experimentierend vorangetrieben? Dasselbe haben Peter Fischli und David Weiss Jahrzehnte später ebenfalls mit viel Herausfinden, Handwerkeln und vor allem auch mit Spass gemacht. Nun teilen sich der amerikanische Erfinder des Mobile und die Schweizer Bricoleure die grosse Sommerausstellung in der Fondation Beyeler.

Einen zunächst kühn abseitigen Gedanken hatte Theodora Vischer, Chefkuratorin bei der Beyeler Fondation, als sie mit Sam Keller, dem Direktor, an eine Calder-Ausstellung dachte. Wer passt dazu? Ihre Eingebung, das Künstlerduo Fischli/Weiss sei der ideale Partner, schockierte zunächst den Vertreter der Calder-Foundation und Enkel des Künstlers, Alexander Rower, um ihn sogleich – wie er bei der Medienführung sagte – total zu begeistern. Die drei Ausstellungsmacher sind rundum zufrieden, das Glück aus dem Fragenkatalog von Fischli/Weiss hat sie, so machen sie deutlich, mit dem Projekt gefunden.

Ein neuer Tag beginnt. 1984. Aus der Serie Equilibres © Peter Fischli David Weiss. Foto: Fischli/Weiss Archiv, Zürich

Wenn die Namen zusammen genannt sind, liegt der kleinste gemeinsame Nenner auf der Hand: Es ist die Beschäftigung mit Bewegung, vor allem mit dem instabilen Gleichgewicht. Nun können wir uns in Riehen überzeugen, ob und wie Alexander Calder (1898 – 1926) und das Künstlerduo Fischli/Weiss zusammenpassen. Rund hundert Werke sind in zwölf Räumen zu sehen, den Anfang machen Ratte und Bär, die Alter Egos von Peter Fischli (*1952) und David Weiss (1946 -2012), in der Eingangshalle dösend unter einem ausladenden Calder-Mobile. Wild gemischt wurden die Werke aus den beiden Positionen nicht, aber im Wechsel der Räume wird die Nähe der Suche nach dem fragilen Gleichgewicht am Anfang und am Ende des 20. Jahrhunderts spürbar.

Beginnt es bei Fischli/Weiss, beide eigenständige Künstler im selben Hotpot der Zürcher Siebziger Jahre, mit klotzigen Skulpturen, folgen Objekte, die nur für den Moment, nämlich den Fotoklick,  zu stabilen Konstruktionen von Gegenständen aus Werkstatt, Küche oder Keller getürmt werden, ist Alexander Calder, Spross einer Künstlerfamilie, von früh auf ein Zeichner und Bastler, der zunächst Maschinenbau studiert, um in Paris in den Abläufen des Zirkus sein kreatives Interesse an der Bewegung zu seiner Passion zu machen.

Vom Zirkus inspiriert, den er zeichnet und malt, baut der Maschineningenieur Alexander Calder seine ersten Objekte der Bewegung

Zunächst malt er Zirkusszenen, später biegt er die Helden der Akrobatik aus Drähten und baut sich seine eigene Manege, bis er durch einen Atelierbesuch bei Piet Mondrian, der zuvor den Calder-Zirkus bewunderte, die Abstraktion entdeckt: Bewegung und Gleichgewicht als das Essentielle lassen sich auch nicht figürlich verwirklichen.

Equilibristen aus Draht von Alexander Calder

So entstehen Metallblech-Objekte mit und ohne bewegliche Teile, die ein zügig Vorübergehender in leichte Schwingung bringen kann. Tüftelei, Probieren, Suchen nach Form, Gewicht, Konstruktion geht dem leichten, eleganten und in sich ruhendes Objekt voran, denn die Lust am Experiment ist gleich wichtig wie das Ziel.

Das gilt ebensosehr für die Arbeiten von Fischli und Weiss. Allerdings mit dem Unterschied, dass das Ziel in der Ironie des Gleichgewichts liegt. Heiter, witzig und bisweilen abgründig präsentiert sich die Balance: Das Gleichgewicht ist vergänglich, kann allenfalls fotografisch als Equilibre gebannt werden. Oder die Bewegung ist eine Verkettung der Umstände, wie sie der aberwitzige Film Lauf der Dinge vorführt: Jeder Zusammenbruch, jede Explosion ist Anlass für eine neue Kreation, welche wiederum nicht voraussehbar ist.

Was übrig blieb vom Film «Der Lauf der Dinge» in eine Vitrine gestellt

Nach einem längeren Abenteuer, bei dem eins aus dem anderen hervorgeht, einer Reise von Reifen, Feuerchen, Wasserballonen, Ketten, Hölzern und Dosen bleiben am Ende Asche, Schrott und Abfall; erstmals mit dem Film zusammen als Studienobjekt in einer Vitrine gezeigt. Einsicht in die Herstellung des Kultfilms, gedreht von Kameramann Pio Corradi, bietet das im gleichen Raum angebotene Video von Patrick Frey übers Making of: Hier erschliesst sich, wieviel Überlegen, Basteln und Tüfteln auch nur eine winzige Szene die beiden Künstler gekostet hat, aber auch wieviel Spass es machte.

Alexander Calder: La Demoiselle, 1939. Glenstone Museum. © 2015 Calder Foundation, New York, Pro Litteris, Zürich

Kunst muss weder hochphilosophisch hinterfragt werden, noch bierernst und tiefsinnig daherkommen, das wird sowohl bei Calder als auch beim Duo Fischli/Weiss offensichtlich. Aber Kunst kann von überwältigender Schönheit und Leichtigkeit sein – beispielsweise der Raum mit den Fragen von Fischli/Weiss, wo die kleinen, banalen ebenso bedeutend sind wie die grossen existentiellen, oder auch im grossen Raum mit den 24 Calder-Objekten. Freilich haben sich Calder und die Schweizer ihre Gedanken zur Entstehung von Kunst gemacht: „Aus Masse, Richtung und begrenztem Raum als Teil des durch das Universum gebildeten Gesamtraums,“ sagt

29. Mai bis 4. September 2016
Zu der Ausstellung ist ein Katalog erschienen
Hinweise zu Führungen und Veranstaltungen finden Sie hier.

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