Das Buch «Nadja»

Das Buch, vor Jahren gekauft wegen eines Satzes? Kann nicht sein! Kann doch sein!

Es gibt Bücher, die man schon nach den ersten Seiten weglegt, weil sie einem langweilen, der Inhalt des Buches nicht dem entspricht, was man sich von ihm oder seinem Autor versprochen hatte. Dann stellt man das Buch zurück aufs Regal, behutsam sogar, weil man fest davon überzeugt ist, dass dieses Buch kaum eine Chance von mir bekommen wird.

Es gibt auch Bücher, die man beliebig aufschlägt, zwei, drei Seiten liest, es dann in den Bücherschrank zurückstellt, in der Gewissheit, man werde zwar nicht heute, aber ganz bestimmt in ein paar Tagen mit dem Lesen beginnen. Daraus können dann leicht Wochen, Monate und schliesslich Jahre werden. Können dort lange bleiben, bis eines Tages wieder der Blick zufällig darauf fällt und man es – verschämt – in die Hand nimmt und beschliesst, sich endlich mal doch zum Lesen hinsetzen.

So erging es mir mit «Nadja». Ich wusste schon gar nicht mehr, dass «Nadja“ in meinem Bücherschrank offenbar eine so lange Zeit verbringen musste. Geschätzte zwanzig Jahre, eher noch mehr.

«Nadja»? Wer um Himmelswillen ist Nadja? Fragezeichen. Kopfschütteln. «Nein», der Titel des Buches war bestimmt nicht der Grund, seinerzeit das Buch zu erwerben. Dann muss es der Autor gewesen sein: André Breton.

«Nadja» ist ein Roman des französischen Surrealisten Breton. Als ich nach vielen Jahren das Buch wieder in der Hand hielt, es aufschlug, da fiel ein gelber Zettel, 6×6 cm, auf den Boden. Darauf stand, von mir geschrieben: Seite 13.

Und ich las da: «Er liess mich an jener bebenden Langeweile teilnehmen, die ihm fast alle Schauspiele verursachten; er konnte mir nicht das grosse Maschinen-Erwachen auf dem vom Bewusstsein der Möglichkeiten verheerten Gebiet vorführen, aber wie keiner vor ihm hat er mich doch menschlich von seiner absoluten Schicksalshaftigkeit überzeugt, und von der Vergeblichkeit, für meine eigene Person ein Entkommen zu suchen».

Wer spricht hier? Nadja? Oder André?

Das Wort «Entkommen“ machte mich neugierig. Also nächste Seite, weiterblättern und überrascht werden, in diesem schmalen Büchlein Fotos zu finden. Leider keins von Nadja. Oder doch? Auf dem Klappentext ist zu lesen: «Nadja wird geschildert als eine junge Frau, die auf geheimnisvolle Weise mit dem Erzähler vertraut ist und sich rein intuitiv seinem Leben und seinen Gedanken nähert».

Mit Sicherheit hat mich damals dieser Satz nicht zum Kaufen gebracht. Eher jener Satz, den ich auf der Rückseite des Buches las: «Möglicherweise will das Leben wie eine chiffrierte Botschaft entziffert werden.» – Hm? Vermutlich eine von der Philosophie behandelte Idee?

Das Buch, vor Jahren gekauft wegen eines Satzes? Kann nicht sein!

Kann doch sein! Denn mit einem Male fiel mir ein: Vor Jahren, am Ende der Neunziger («www. surrealisme.fr./andre-breton-et-lamour-fou»). Das war doch die Zeit und ich hatte mich für ein Referat gemeldet. Max Ernst, Hans Arp, Tristan Tzara, André Breton:»Die philosophischen Surrealisten». Ich konnte mir einen von ihnen aussuchen und entschied mich für: «Breton. Die Grundzüge einer eigenen Philosophie des Surrealismus».

Das also war der wahre Grund, das Buch mit dem Titel «Nadja» zu kaufen. Eine Roman-Erzählung Bretons, 1928 erschienen, zu den Standardwerken des Surrealismus gehörend. Breton beginnt seine literarisch-philosophische Erzählung mit dem «unerwarteten Aufeinandertreffen» mit einer jungen Frau, die sich Nadja nennt und die offenbar auf ihn eine gewisse Faszination ausübt. «Plötzlich, sie ist vielleicht noch zehn Schritte von mir entfernt … sehe ich eine junge, sehr ärmlich gekleidete Frau…» Und vier Seiten weiter: «Sie sagte mir ihren Namen, den Namen, den sie sich gewählt hat: Nadja, weil es im Russischen der Anfang des Wortes Hoffnung ist.»

«Qui est elle?»-Weiter im Buch: «Im Begriff zu gehen, möchte ich ihr eine Frage stellen, die alle anderen zusammenfasst, eine Frage, die zweifellos nur ich stelle, die aber wenigstens einmal eine Antwort fand, die auf ihrer Höhe war: Wer sind Sie? Und sie, ohne zu zögern: Ich bin die wandernde Seele.»

Meine Frage: Ob der Cheftheoretiker André Breton mit der Zeit herausgefunden hat, wer Nadja war, wo er doch bis zu seinem Tod (1966 in Paris) nicht wusste, wer er ist. – Offen bleibt die Frage, ob ich das überhaupt wissen will…

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