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Die letzte Versammlung

Satirische Gedankensplitter: Es darf geschmunzelt werden!

Das Unternehmen – nicht zu gross, nicht zu klein – war weit über 100 Jahre alt. Es gehörte ganz einfach zum grossen Dorf, genoss einen guten Ruf, stand während Generationen auf solidem wirtschaftlichem Fundament und stemmte sich stolz jeder Unbill entgegen.

Eines Tages aber war die Firma bloss noch weit über 100 Jahre alt. Und alt, sehr alt waren auch die meisten der etwa drei Dutzend Aktionäre, die eines unschönen Tages im Saal der «Eintracht» zur Generalversammlung zusammen kamen. Sie hatten sich so sehr an die Stabilität ihrer Fabrik gewöhnt, dass sie zuvor gar nicht gemerkt hatten, wie sich die wirtschaftliche Krise als ein riesiges, dunkles Tuch über ihr Unternehmen – Stolz einer ganzen Region – ausgebreitet hatte.

Wie hätten sie es auch merken sollen? Der Geschäftsbericht hatte wie jedes Jahr im Briefkasten gelegen: auf Hochglanzpapier gedruckt, illustriert mit farbigen Fotos, garniert mit imposanten Tabellen und eindrücklichen Diagrammen. Im umfangreichen Text war ausführlich zu lesen von der Krise, welche die globale Wirtschaft befallen habe und halt auch das eigene Unternehmen ein bisschen gestreift habe (bloss ein bisschen!), und nur wer sich durch den erschlagenden Zahlensalat gekämpft und den Taschenrechner fleissig hätte addieren und subtrahieren lassen, der hätte gemerkt, dass unter dem Strich im letzten Jahr ein Verlust von bis über einer Million resultiert hatte. Und von einer Dividende keine Rede!

Im mit Blumen geschmückten, von Kerzenlicht warm erleuchteten Saal stimmten die Aktionäre dann allen Anträgen zu, so wie es schon ihre Väter und Grossväter getan hatten. Immerhin hatte der Firmenchef, der – zielorientiert und erfolgsgewohnt – ein Jahr zuvor das Kommando übernommen hatte, Optimismus verbreitet. Er und seine neue Führungscrew – jung und dynamisch – hätten die Lage in langen Sitzungen ganz genau analysiert, und die neue Strategie werde zweifellos zum Erfolg führen. Gut, nicht sofort, aber man sei zuversichtlich, dass sich der Verlust im laufenden Jahr höchstens verdoppeln werde.

Einer der jüngeren Aktionäre, der soeben pensionierte Buchhalter der örtlichen Bank, wagte die schüchterne Frage, ob man eigentlich auch die Kunden gefragt habe, welches Produkt sie kaufen wollten. Da wurde er bös abgekanzelt: Das fehlte ja noch, sich an den Kunden zu orientieren; die hätten bitteschön das zu nehmen, was man ihnen anbiete. Und im Übrigen, so der Boss, könne man sich ruhig bereits das Datum der Aktionärsversammlung vom nächsten Jahr in die Agenda eintragen.

Um welche Branche es sich hier eigentlich handle, möchten Sie wissen? Nun, das Unternehmen stellte Farbbänder für Schreibmaschinen her, wie eh und je. Doch während das Management mit messerscharfem Verstand und businessgeschulten Analysen das für die Zukunft richtige Material ausgetüftelt hatte (Kunstseide statt wie in der Vergangenheit Baumwolle), war es den jungen, dynamischen Leuten entgangen, dass die Schreibmaschine in der Zwischenzeit vom Computer abgelöst worden war und die Kunden die Farbbänder längst nicht mehr brauchten.

Das Datum hatten die Aktionäre übrigens für die Katz‘ notiert: Eine Generalversammlung fand im nächsten Jahr nicht mehr statt.

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