StartseiteMagazinKolumnenEin Bild, das nervt

Ein Bild, das nervt

Donald Trump unterschreibt ein Dekret nach dem andern, fast täglich.

Müssen wir uns das nun jeden Tag antun, wenn wir uns über die Aktualität bei der Tagesschau des Schweizer Fernsehens, bei der ARD, beim ZDF, beim ORF, bei der BBC, bei France 1, bei der RAI und wo auch immer, informieren wollen? Donald Trump sitzt an einem schweren Schreibtisch, hinter ihm sein Staff im Weissen Haus zu Washington aufgereiht, alle gut gekleidet, alle schauen andächtig dem Chef zu, wie er exaltiert seine etwas seltsame Unterschrift unter das tägliche Dekret kritzelt, das unterschriebene Dekret süffisant uns TV-Konsumenten zeigt, fast genussvoll gar. Müssen wir uns an das Gesicht, an die seltsame Frisur gewöhnen, ihn als täglichen Gast in unseren Wohnstuben dulden?

Mir graut davor. Vielleicht erlöst er uns, weil er überspannt, das Wohl seiner Firmen über den geleisteten Eid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika stellt und sich damit ins Abseits manövriert, gar ein Absetzungsverfahren, ein Impeachment riskiert. Beim Einreisestopp für Menschen aus sieben islamischen Ländern scheint er klein beigeben zu müssen, vorerst zumindest. Unbeirrt und angestachelt durch seinen Berater Stephen Bannon wird er den Instanzenweg bemühen, um sich auch vom obersten Gericht letztlich bestätigen zu lassen, dass er richtig liegt. Ob ihn die Wächter der Verfassung doch noch bremsen werden? Jedenfalls: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Aber sehen wir es doch auch positiv. Donald Trump konterkariert das, was bei uns gängig ist: eine sorgfältige Politik, die sich Zeit nimmt, die langsam vorangeht. Ein Beispiel mag das illustrieren: Wird in der Schweiz eine Volksinitiative eingereicht, wird sie im zuständigen Departement haargenau analysiert, es wird ein Bericht verfasst, der dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitete wird. Er entscheidet, ob er der Initiative einen Gegenvorschlag entgegensetzen will. Wenn Ja, geht der Gegenvorschlag in die Vernehmlassung bei den relevanten Parteien, Organisationen und Interessenverbänden. Das Vernehmlassungsverfahren wird sorgfältig ausgewertet. Der Bundesrat lässt einen Bericht und einen Antrag an das Parlament ausarbeiten. Und das Parlament entscheidet dann in dem vorgesehenen Rahmen, in dem beide Räte einen gleichen Entscheid zu treffen haben. Und dann kommt die Initiative zur Volksabstimmung. Zeitdauer: zwei bis drei Jahre. In der Tat: Komplexe Sachverhalte brauchen Zeit, der Weg zur besten Lösung, vor allem zur Wahrheit, braucht Zeit.

Und wenn dann dannzumal abgestimmt wird, braucht es eine klare Entscheidung, kein knappes Ja oder Nein. Der Minderheitenschutz ist in der Schweiz derart ausgeprägt und derart erfolgreich, weil in der darauf folgenden Gesetzgebung auch die Unterlegenen berücksichtigt werden. Das ist eidgenössische Norm, alles andere ist realitätsfremd und rein parteipolitisch gefordert. Das aktuellste Beispiel ist die Masseneinwanderungs-Initiative. Sie ist so umgesetzt worden, dass damit letztlich alle leben werden, selbst die SVP, die zurzeit noch von einem gravierenden Verfassungsbruch spricht.

Und letztlich könnte Donald Trump das bewirken, was er eigentlich spalten will: ein einiges Europa. Ein Europa, das sich auf seine Stärke besinnt, das mit seinen 500 Millionen Menschen grösser ist als die USA. Ein Europa, das bessere, solidere Autos produziert als das Autoland USA. Der alte Kontinent, der über eine weit bessere Infrastruktur verfügt als das Mutterland der Demokratie. Ein Europa aber auch, das mit seinen Auswanderern seit Jahrhunderten die USA geprägt hat. Selbst Trump hat deutsche Wurzeln. Sollte er bald einmal Kuba besuchen, wird er über 50-60-jährigen US-Autos begegnen, die sorgsam gepflegt und in wunderschönen Farben aus dem letzten Jahrhundert auf den Strassen kreuzen. Wenn er in Deutschland aufkreuzen sollte, wird er ganz selten ein amerikanisches Auto zu Gesicht bekommen. Die amerikanische Autoindustrie hat, abgesehen von Tesla, wohl den Anschluss verpasst. Dafür wird er überall auf der Welt Apple, Google, Amazon, Uber begegnen. Firmen, die die USA stark machen, ihren Ruf der ungebremsten Innovationstärke begründen, die zeigen, wo die Zukunft liegt. Sie liegt nicht in der Stahlindustrie, nicht in der Autobranche, sondern in der Energie-, in den neuen digitalen Technologien. Besonders in der Kommunikationstechnologie, die er zwar akribisch nutzt, deren eigentlichen Wert er aber noch nicht erfasst hat.

Ihm wäre zu raten: Gehen Sie auf Reisen, besuchen Sie Europa, den Nahen Osten, gehen Sie nach Moskau, nach Asien, gar nach China, das den offenen, den liberalen Welthandel entdeckt hat, machen Sie sich kundig. Es gibt nicht nur Amerika. Besuchen Sie auch mal selbst die Schweiz, sitzen Sie einen halben Tag ins Parlament und lernen Sie, wie sorgfältige Politik auch geht. Langsam, aber erfolgreich. Danach könnten wir den neuen amerikanischen Präsidenten sicher besser am Bildschirm ertragen.

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