StartseiteMagazinGesundheitEine schmerzhafte Kulturgeschichte

Eine schmerzhafte Kulturgeschichte

Was ist Königen, Fürsten und anderen Grössen der Vergangenheit gemeinsam? Sie assen gerne üppig– und litten an Gicht. Ein teuflischer Schmerz, ein Stachel im Fleisch. Wortwörtlich.

Es ist ein Filmklassiker, gehört zu Weihnachten wie der Tannenbaum: Die Geschichte «Der kleine Lord», ein britischer Fernsehfilm von Jack Gold nach einer Romanvorlage von Frances Hodgson Burnett aus dem 19. Jahrhundert. Die erste Begegnung des kleinen amerikanischen Enkels mit seinem Grossvater, dem Lord, verläuft harzig. Denn seine Lordschaft hat schlechte Laune, sitzt nahezu unbeweglich am Feuer, ein Bein hochgelagert, den Fuss eingebunden und leidet sichtlich. Gicht.

Ein Gichtfuss ist entzündet und schmerzt höllisch – so, wie wenn mit Glasscherben im Fleisch herumgestochert würde. (Pixabay)

Die Krankheit, die früher dem wohlhabenden, männlichen Teil der Bevölkerung zugeschrieben wurde, ist keineswegs verschwunden. Und sie befällt bei weitem nicht nur Angehörige alter englischer Adelshäuser. Obwohl eine genetische Veranlagung nicht von der Hand zu weisen ist.

Wohlstanderkrankung

Aber in erster Linie geht es um den Lebensstil, um Wohlstandserscheinungen. Reichhaltige Fleischmahlzeiten, Wein und Süssigkeiten sind heute in unserem Kulturkreis nicht mehr nur den Reichen vorbehalten. Gerade jetzt nach den Festtagen mit all den Schlemmereien, wird deshalb plötzlich manch einer mit Schmerzen erwachen, die sich anfühlen, als würde mit Glasscherben im Gelenk herumgestochert werden. An Gicht erkranken vor allem Männer – die Männerquote liegt um die 80 Prozent. Bei Männern ab 40 ist diese schmerzhafte Form von Arthritis die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung. Frauen sind bis zur Menopause weitgehend geschützt.

Gicht entsteht durch überschüssige, auskristallisierte Harnsäure, die wiederum durch zu viele aus der Nahrung aufgenommene Purine stammt. Es ist eine Stoffwechselstörung, bei der die Purine, das sind organische Verbindungen, die auch im Körper selber gebildet werden können, die Hauptrolle spielen.

Gicht kann viele treffen

Wobei es den «typischen» Gichtkandidaten – männlich, nicht mehr ganz jung, etwas übergewichtig und mit einer Vorliebe für Bier und Steaks – so absolut nicht gibt. Einen Gichtanfall kann auch ein junger sportlicher Mann bekommen, auf dem Weg zum Krafttraining vielleicht. Oder eine Frau, die gerade mit viel Willenskraft und strenger Diät einige Kilos abgespeckt hat.

Beim jungen Sportler wird es vor allem die Ernährung sein, verzichtet er doch fast ganz auf Kohlehydrate, isst dafür viel Eiweiss. Und das in jeglicher Form, auch als Proteindrinks zur Nahrungsergänzung. Blöd nur, dass seine Nieren an seinen gut definierten Muskelpaketen keinen Gefallen finden, dafür mit Harnstoffen aus Purinen und Eiweiss zu kämpfen haben. Und alsbald schlapp machen, überfordert von den Abbauprozessen, die den Harnsäurespiegel rasant ansteigen lassen.

Bei der wieder erschlankten Frau hingegen werden durch die strenge Diät die Stoffwechselvorgänge stark heruntergefahren. Gleichzeitig werden durch den Zellabbau vermehrt körpereigene Purine freigesetzt – und die Nieren, ebenfalls im Sparmodus, werden der anfallenden Harnsäure nicht mehr Meister.

Ernährungsumstellung und Medikamente

Die Ernährung ist das A und O, wie fast bei jeder Stoffwechselerkrankung und kann das Gichtrisiko nachhaltig und vielleicht sogar ohne Medikamente beeinflussen. Richtig essen heisst wenig Fleisch, Fisch und keine Innereien, mehr Milchprodukte, viel Gemüse und kaum Süsses – gemeint sind hier auch Früchte und Fruchtsäfte. Dazu kein Bier und nur wenig Wein, dafür viel Wasser. Und Kaffee! Dieser hilft mit den Harnsäurespiegel im Körper zu senken. Dies übrigens im Gegensatz zu Schwarztee.

Der Ratgeber «Gicht und Pseudogicht», herausgegeben von der Rheumaliga Schweiz, informiert umfassend über die «Volkskrankheit» Gicht. (Rheumaliga Schweiz)

Gicht kann aber nicht nur einer der grossen Zehen befallen – ein bevorzugtes Tummelfeld für Gichtanfälle – sondern auch die Nieren nachhaltig schädigen, wenn Harnsäure die feinen Kanäle im Nierengewebe verstopft und dort Entzündungen verursacht. Deshalb wird der Hausarzt in vielen Fällen eine medikamentöse Behandlung der Stoffwechselstörung empfehlen.

Praktischer Leitfaden

Die Rheumaliga (www.rheumaliga.ch) hat einen Ratgeber «Gicht und Pseudogicht» herausgegeben, in dem nicht nur die Ursachen und Symptome aufgezeigt werden, sondern auch viele Ernährungsempfehlungen enthalten sind. Dazu gehören auch Hausmittel wie diverse Tees aus Heilkräutern, Wickel und Umschläge und der Ratschlag, im Winter auf warme Füsse zu achten und sich ab und zu ein warmes Fussbad zu gönnen. Auch Natron wird empfohlen. Natriumhydrogencarbonat oder Natriumcarbonat, oral konsumiert, verschiebt den Säuregehalt des Urins und ein leicht basischer Urin kann mehr Harnsäure aufnehmen und ausscheiden. Den Harnsäurespiegel kann man sich beim Arzt auch messen lassen. Sinnvoll ist das sicher bei einem Gichtanfall, aber auch, wenn eine genetische Veranlagung zu Gicht vorliegt, man also einen Grossvater oder Onkel hat, der sich ab und zu gebärdet wie ein schlecht gelaunter britischer Lord.

Rheumaliga Schweiz (Autor Patrick Frei): Gicht und Pseudogicht. Erschienen 2016. 48 Seiten. Kann kostenlos bezogen werden.

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