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Gartenträume in Gartenräumen

Das Museum Rietberg widmet die Sommerausstellung der gestalteten und geformten Natur

„Gartencenter haben Hochkonjunktur, wenn es politisch schwierig wird“, sagen die Kuratoren im Museum Rietberg zur Einstimmung. Eine zeitgemässe Anwendung von Voltaires Il faut cultiver son jardin? Wer keinen eigenen Garten hat, widmet sich dem urban gardening, säht und pflanzt in öffentlichen Pärken und in die Rosette von Alleebäumen. Auch wurde das Gartenjahr 2016 – Raum für Begegnungen lanciert. Mit dabei, das Museum Rietberg mit seinem Park, der in diesem Sommer noch intensiver bespielt werden soll. Als erstes findet am Pfingstmontag ein Kräutermarkt statt.

 

Gartenplan aus dem Grab des Sennefer. 1400 v.Chr. Zeichnung von Ippolito Rosellini, 1834 © Universitätsbibliothek Heidelberg

Mit der Ausstellung Gärten der Welt zeigt das Rietberg eine globale Kulturgeschichte des Gartens von den alten Ägyptern bis zu Alberto Giacometti. Gärten sind Orte der Sehnsucht, in denen wir uns im Paradies wähnen. Der Auftakt mit Rodins Eva-Skulptur, flankiert von Urwald (Thomas Struth) und Erosion (Hans Danuser) als extremen Formen der Natur sowie eines Blütenstaub-Felds von Wolfgang Laib, verborgen hinter einem Bildteppich des Gartens Eden von 1510 führt gleich mitten in die Welt der Gärten, oder auch mitten ins Paradies. Beispielsweise den ägyptischen Gartenplan des Karnak-Tempels, gezeichnet 1836, kann man auch räumlich in 3D betrachten. Nach dem alten Ägypten und den hängenden Gärten, die heute in Ninive und nicht in Babylon geortet werden, geht die Reise nach Persien, wo einer der „Glücksmomente“ für Museumsdirektor und Ausstellungsmacher Albert Lutz das Zentrum ist: nämlich das „schönste“ Gartenbild von 1430, welches der Louvre auslieh.

Garten Eden mit Adam und Eva. Albrecht Dürer 1504 © Graphische Sammlung ETH

Wir spazieren weiter ins europäische Mittelalter zum Hortus Conclusus auf demSt. Galler Klosterplan. Das Motiv der Rose im Garten aus dem Hohelied wird sowohl christlich mit Maria, als auch weltlich mit dem Roman de la Rose in Kunst und Literatur umgesetzt.

Mit der Renaissance wird einerseits die Antike wiederentdeckt, andererseits beginnt das botanische Interesse: So bekommt Conrad Gessner, der in diesem Jahr gefeierte Zürcher Universalgelehrte seinen Platz mit Zeichenblättern von Einzelpflanzen, die er in seiner „begehbaren Pflanzenenzyklopädie“ (Eröffnung 3. Juni im Alten Botanischen Garten) auch kultivierte.

Die Villen und Gärten der Toskana, dokumentiert mit einer Sopraporta eines flämischen Malers im Dienst der Medici, waren Wunschobjekt der französischen Könige, aber im flachen Land der Loire, wo die Schlösser lagen, gibt es keine Ausblicke in hügeliges Kulturland: Der französische Barockgarten setzt auf Regeln, mathematische und astronomische. Die philosophische Idee wird im Absolutismus politisch überformt, sichtbarer Ausdruck ist Versailles. Unser Spaziergang führt weiter nach China, wo es nicht um Geometrie geht, dafür um Harmonie: Der Garten ist ein Paradies, gekrönt durch einen bizarren Fels, Rückzugsort von der Beamtenhierarchie, welche auch Dichter und Philosophen in ihre strengen Normen zwang.

 

Krishna und Radha als Liebespaar. Indien 1775/1780 © Museum Rietberg. Foto: Rainer Wolfsberger

Kulturpolitik oder Kunst – Ai Weiwei hat die durch die Kolonialarmeen im kaiserlichen Sommerpalast gestohlenen Brunnenfiguren, die einst reihum als Wasserspeier eine Uhr darstellten, goldglänzend rekonstruiert. Sie stehen in monumentalem Kontrast zu den chinesischen Tuschzeichnungen oder den Zeichnungen und Objekten, die auf den berühmtesten japanischen Zen-Garten Ryoan-ji in Kyoto Bezug nehmen, Zeichnungen des Komponisten John Cage und Fotocollagen von David Hockney. Die Chronologie wird regelmässig von zeitgenössischen Interventionen bereichert. Roman Signer ist mit einem Video aus dem Garten von Wörlitz, dem ältesten deutschen Landschaftsgarten, vertreten. In Ruhe schauen und hören erlaubt die Videoarbeit Der Eremitengarten auf mehrteiligem Wandschirm mit Vogelklängen und Wasserrauschen, gestaltet vom Koreaner Lee Lee-Nam, die sich hinter der Abteilung Englischer Garten verbirgt. Ein Ort zum Meditieren ist auch das goldene Kabinett mit dem Insektenbuch von Kitagawa Utamaro, eine Holzschnittsammlung mit erotischen Gedichten von 1788.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wespe und Haarraupe auf Pfeilwurzpflanze. Aus dem Insektenbuch von Kitagawa Utamaro 1788 © Museum für Asiatische Kunst. Fotografie: Jürgen Liepe

Mitkurator und Gartenhistoriker Hans von Trotha geht davon aus, dass der englische Garten in philosophischen Ideen der Aufklärung begründet ist. Der retour à la nature(Voltaire) in der Gartenanlage ist eine verdichtete, verkleinerte Naturlandschaft mit Unregelmässigkeiten und Schönheiten, wie sie auf Claude Lorrains damals hochmodischen Landschaftsbildern dargestellt sind. So begaben sich die Müssiggänger des 18. Jahrhunderts mit einem Lorrain-Spiegel ins Freie und ergänzten das Natürliche zu neuen Bildern. Claude Monet und Max Liebermann, beide Maler und Gärtner, deren Anwesen heute noch zu den gefragtesten Reisezielen in Sachen Garten gehören, sind selbstverständlich vertreten, Monets Givernyerfahren wir in zeitgenössischer Sicht des Fotografen Elger Esser. Auch eine Schweizer Garten-Ecke gibt es: Während Adolf Dietrich den gleichen Bauerngarten zu allen Jahreszeiten malte, während Paul Klee den Garten als Labor für die Abstraktion einsetzte, beschäftigte sich Alberto Giacometti mit einem ägyptischen Garten und malte den Garten seiner Herkunft in Stampa.

Gartenanlagen in aller Welt – viele davon ummauert – wollten die Natur überschaubar darstellen, aber die Natur ist unendlich, birgt auch Vergänglichkeit und Tod. Das prägte die Gärten der Romantik, deren Gegenbewegung wiederum die abgezirkelte Biedermeier-Idylle war. Womit wir bei Spitzwegs Kakteenfreund anlangen, der in der Parallelausstellung der Sukkulentensammlung im Zentrum steht. Gartengeräten kann man unterwegs vom Museum zu den Kakteen in der Hand von Gärtnern begegnen, aber im Museum stehen sie nicht herum. Auf einem Stich von Dürer schultert immerhin Christus Gartenwerkzeug, oder aus späterer Zeit stehen niedliche Gärtnerinnen aus Samuel Gessners Porzellan-Manufaktur in der Vitrine, und gärtnernde Figuren gibt es in fernöstlichen Tuschezeichnungen. Gärten sind Orte der Kontemplation und Inspiration, sie brauchen jedoch Pflege; es gilt, die Natur zu zähmen, damit die Idee der Anlage über Jahre erhalten bleibt.

Frühlingsgarten von Adolf Dietrich. 1926. Kunstmuseum Winterthur © Pro Litteris, Zürich, Foto: Hans Humm

Mit anderen Augen verlässt man das Museum und nimmt sich Zeit, zunächst den spiralförmigen Wandelgarten vor der Tür zu betreten, eine Spirale aus Holz, reich bepflanzt und wohl bis Ende des Sommers eine blühende Skulptur der urbanen Gartenpflege. Danach weitet sich der Blick auf die grandiose Kulisse eines der schönsten Landschaftsgärten der Schweiz, den Rieterpark. Dank der Ausstellung wurde das Wasserbecken vor der Villa Wesendonck mit Blumen bepflanzt, und etwas weiter weg vor den hohen Bäumen liegt die neue „Blumentorte“, deren Gedeihen wir gern weiter beobachten, wenn wir in den Park und die Ausstellung zurückkehren – zu einer Führung, zum Sommerfest, zu Filmabenden oder Konzerten. Hier finden Sie das Angebot.

bis 9. Oktober

Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog mit über 300 Seiten erschienen:
Gärten der Welt. Orte der Sehnsucht und Inspiration. hg. von Albert Lutz. Museum Rietberg Zürich. 39 Franken

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