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Geschichten suchen ihr Publikum

Das Literaturhaus Zürich als Schnittstelle zwischen Bücherschreibern und Bücherlesern

Vorlesen oder Geschichten erzählen mögen wir trotz neuer Medien wohl von klein auf ein Leben lang. Vorlesen und darüber erzählen wollen auch Schriftsteller und Autorinnen, wenn sie ein neues Buch vorlegen. Zunächst bei einer Buchvernissage, dann bei möglichst vielen Lesungen, das ist die bescheidene Konzerttournee der Literaten.

Christian Haller im Gespräch über sein neuestes Buch

In einem Literaturhaus beispielsweise treffen sich jene, die gern zuhören, mit jenen, die was vorzulesen haben. Literaturhäuser gibt es in jeder grösseren deutschen Stadt, auch in der Schweiz wurden einige gegründet. Das Zürcherische liegt mitten in der Stadt am Limmatquai; vor 17 Jahren wurde es in den Räumen der traditionsreichen Museumsgesellschaft gegründet, einem Ort, wo die Mitglieder gern in Ruhe Zeitungen lesen, in Lexika blättern oder das eine oder andere Buch gleich vor Ort zur Hand nehmen, bevor sie es ausleihen.

Limmatquai 62, 1. Stock: Ort der Begegnung mit Literaten

Mehrmals die Woche wird im Salon neben dem grossen Lesesaal Literatur aus Büchern frisch ab Druckerpresse serviert, Apéro inbegriffen. Autorinnen und Autoren lesen selbst aus ihrem neuesten Werk, manchmal treten Schriftsteller aus fernen Ländern auf, unterstützt von ihren Übersetzern, manchmal finden Gespräche statt, immer gibt es eine Moderation, die einführt, vertieft, nachfragt.

Fürs Programm verantwortlich sind Gesa Schneider und Isabelle Vonlanthen, promovierte Literatur- und Sprachwissenschaftlerinnen. Zusätzlich führt Schneider zusammen mit Rémi Jaccard den Strauhof, nach heftigen Protesten wiederauferstanden als Literaturmuseum light – kein Hinweis auf die Qualität, höchstens einer auf die Privatisierung. Zurzeit ist im Strauhof die Ausstellung Gomringer&Gomringer zu sehen, Avantgarde-Lyrik von einst – von Eugen Gomringer, Avantgarde-Lyrik von jetzt – von Nora Gomringer, seiner Tochter.

Eugen Gomringer erklärt, wie er den Dreiklang aus der konkreten Poesie für ABM wirksam machte (ein Beispiel in der Overhead-Projektion). Ausserdem: Ursula Hiestand, Martin Heller als Gesprächsleiter und Ernst Hiestand, ganz rechts

Beide sind auch im Literaturhaus aufgetreten: Der über 90jährige Eugen Gomringer zusammen mit den Gestaltern Ernst und Ursula Hiestand in einer munteren Nostalgieveranstaltung zur Werbung für das unvergessene Warenhaus ABM. Konkrete Poesie und Die gute Form fanden in den 60er und 70er Jahren gemeinsam zu einer neuen, klaren Werbesprache für das erste Selbstbedienungswarenhaus. Beispielsweise mit dem äusserst haltbaren, von Eugen Gomringer erfundenen Slogan „sympathische Preise“, um den der ABM von der Konkurrenz beneidet wurde. Nora Gomringer war mit dem Schlagzeuger Philipp Scholz bei der Saisoneröffnung des Literaturhauses im letzten Herbst auf der Bühne.

Gesa Schneider und Isabelle Vonlanthen sorgen fürs Programm im Literaturhaus Zürich

Ein Besuch bei der Germanistin und Romanistin Schneider und der Slawistin Vonlanthen führt hoch hinauf unters Dach des Hauses Limmatquai 62. In einem Grossraumbüro, das den Charme eines Estrichs hat, sitzen sie an einem der vielen Schreibtische vor Telefon und Computer und planen, was wir demnächst anhören dürfen. Und in der Freizeit? „Lesen, viel lesen,“ sagen sie einhellig.

seniorweb: Gesa Schneider, Isabelle Vonlanthen, die Liste der Neuerscheinungen ist unendlich. Alles lesen ist wohl unmöglich.

Gesa Schneider: Wir haben einen guten Austausch. Wenn Isabelle sagt, es ist gut, dann ist es gut. Ich muss auch viel lesen, aber zusätzlich viel managen, nachdenken und auch delegieren. Zusammen sind wir ein gutes Team.

Isabelle Vonlanthen: Wir bringen zwei Lesehorizonte zusammen. Gesa kennt sich aus in amerikanischer und französischer Literatur, dagegen weiss ich, was in Osteuropa passiert, aber den Hauptlesestoff, die deutschsprachige Literatur, lesen wir beide.

Wie ensteht ein Monats- oder auch Jahresprogramm?

GS: Im Prinzip entwickelt es sich organisch. Wir wollen nicht programmatisch vorgehen, sondern wir gucken, was in der Luft liegt und picken dann Dinge heraus. Der wichtigste Schwerpunkt ist nach wie vor die Autorenlesung, also ein Autor oder eine Autorin präsentieren ihre Neuerscheinung. Wir versuchen, möglichst vielseitig darzustellen, was in der Literatur und in der Welt aktuell ist. Das bedeutet, dass wir junge Autoren und ältere einladen, schweizerische, deutschsprachige und internationale, dass wir auch für ein Gleichgewicht Mann-Frau sorgen. Aus diesen Aspekten gestaltet sich das Programm.

Alle Kulturinstitutionen bemühen sich, die Jungen zu gewinnen. Wie macht ihr es?

GS: Wir brauchen uns nicht anzubiedern, damit die jungen Leute kommen. Wenn wir, wie unlängst, Carolin Emcke – sie bekam den Friedespreis des deutschen Buchhandels – einladen, kommen sie in Scharen. Auch wenn fremdsprachige Autoren, beispielsweise aus Afrika oder Südamerika lesen, ist das Publikum sehr gemischt. Aber eins will ich festhalten: Lesungen ziehen mehr Menschen über 55 an. Und das muss man vielleicht auch mal unterstreichen: Sie sind neugierig, offen, unvoreingenommen, gebildet und vielfältig interessiert.

Warum sollte ich in eine Lesung gehen, wenn ich das Buch zuhause lesen kann?

IV: Oft sind es Abende, die weit über ein Gespräch über Bücher hinausgehen, Stunden, bei denen man wie nochmals anders über das Schreiben und das Lesen nachdenken kann…

GS: … und über das Leben. Man kann Menschen beim «allmählichen Verfertigen ihrer Gedanken beim Reden» (nach Heinrich von Kleist) zuschauen, daran teilhaben. Wenn man so gescheiten Menschen beim Nachdenken zuschauen darf, ist es ein einmaliges Erlebnis und macht einen selbst auch ein bisschen klüger. Ich glaube, das ist das, wovon auch wir uns ernähren.

Immer öfter ist der Salon bis auf den letzten Platz besetzt. Lesungen finden ihr Publikum

Rund 130 Veranstaltungen jährlich organisiert das Literaturhaus, etliche auswärts, gemeinsam mit Partnern wie der Tonhalle (Literatur und Musik) und der Universität Zürich (Poetikvorlesungen); mit dem heftigsten Konkurrenten Kaufleuten-Literatur organisiert das Literaturhaus das Sommerfestival im Botanischen Garten.

Hier einige aktuelle Hinweise: Am 20. Dezember 2016 liest die Schauspielerin Bibiana Beglau Texte von Zelda Fitzgerald im Zeitgeist der Roaring Twenties. Am 12. Januar 2017 präsentiert Elisabeth Bronfen, Professorin für Anglistik und leidenschaftliche Köchin ihre Kochmemoiren und am 17. Januar liest der rätoromanische Schriftsteller Leo Tuor aus seinem Sammelband Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee.

Viktor Martinowitsch ist Poet in Residence für ein halbes Jahr

Aber das Literaturhaus leistet noch mehr für die Schreibenden: Am 27. Januar lesen die Gewinnerinnen und Gewinner des Schreibwettbewerbs 2016 erstmals vor Publikum, und beim Format Teppich werden noch unfertige Texte diskutiert. Klein und fein sind die Sofalesungen: Schriftsteller lesen bei einem privaten Gastgeber, die Reservation läuft über den professionellen Service des Literaturhauses. Beispiel: am 22. Januar liest Andrea Fischer-Schulthess in einer WG im Kreis 4. Zudem lädt das Literaturhaus, unterstützt von der öffentlichen Hand und der Stiftung PWG, halbjährlich einen Writer in Residence ein. Der dreizehnte Gast ist der Weissrusse Viktor Martinowitsch. Seit Dezember in Zürich, liest er am 25. Februar bei den Tagen russischer Literatur.

Das Netzwerk der Literaturhäuser, bei dem auch die Zürcher mitmachen, lud 28 Autorinnen und Autoren ein, in einen längeren brieflichen Austausch über aktuelle gesellschaftliche Fragen zu treten.

Fotos: © Literaturhaus und E. Caflisch

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