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Mehr Wald heisst mehr Wolf

Akzeptanz und Widerspruch: Die Rückkehr des Wolfs im Zoologischen Museum der Universität Zürich.

Der Wolf war vor wenigen Jahrzehnten ein Mythos, eine garstige Figur aus dem Märchenbuch, als Lebewesen bestenfalls ein meist unsichtbares Tier in einem Zoogehege. Seit rund zwanzig Jahren ist das Raubtier in unsere Wälder zurückgekehrt und freut die einen, ärgert die andern. Die Ausstellung Wolf – Wieder unter uns, die schon in Freiburg zu sehen war, empfängt mit einem Prachtstier, das bis 2007 im Wildpark Langenberg gelebt hat. Das zweite Präparat ist jener Wolf, der am Ober-Axen im Kanton Uri vermutlich als letzter in der Schweiz 1835 erlegt worden war. Für 70 Franken wurde er einst vom Zoologischen Museum erworben und zierte die Sammlungsausstellung bis 2011.

Wolf in den Abruzzen. © Fabien Bruggmann

Mensch und Wolf lebten viele tausend Jahre nebeneinander her – ein rund viereinhalbtausend jähriger Wolfsschädel aus der Grabung einer Pfahlbausiedlung zeugt davon. Der Haushund ist genetisch ein direkter Abkömmling vom Wolf. Als im 16. Jahrhundert die Bevölkerung rasch zunahm und sich die Viehhaltung ausweitete, wurde der Wolf zum Feind, erschossen, gefangen, vernichtet, bis er auf Schweizer Terrain als ausgestorben gelten konnte.

Mit Gift (Eisenhut, Rizinus), Tellereisen, Weidenfallen und Fallgruben, Schiesswaffen hat man die Wölfe ausgerottet. Vitrine in der Ausstellung. Foto: Zoologisches Museum

1972 wurde der Wolf in Italien unter Schutz gestellt, wenige Jahre später folgte die Schweiz. Dennoch dauerte es lang, bis hierzulande wieder Wölfe gesichtet wurden, noch länger, bis sie wieder heimisch wurden. Da sich die Bedingungen für ein Leben als Wolf verbesserten, siedelten sie sich nach dem Leitsatz: Mehr Wald = mehr Wolf wieder an. War um 1840 ein Fünftel der Schweiz von Wald bedeckt, ist es heute bald ein Drittel. Die Einwanderungsroute verläuft über die Südgrenze des Wallis, dennoch konnte hier erst 2016 ein Rudel nachgewiesen werden, während die Wölfe am Bündner Calanda bereits 2012 nachweislich eine Familie gegründet hatten.

4500 Jahre alter Wolfsschädel aus einer Pfahlbauer-Grabung im Kanton Zürich

Ein „Wolfparadies“ sei die Schweiz, sagt Gabriele Cozzi, Mitautor einer Studie über Lebensräume und Akzeptanz. Aber geduldet werden Wölfe nur auf rund 2500 Quadratkilometern, dabei würde sich mehr als das Fünffache, also ein Drittel der Landesfläche als Habitat eignen. Der Evolutionsbiologe Cozzi berichtet auch, dass der Wolf ganz gut unter Menschen leben kann: Beobachtungen in einem türkischen Dorf ergaben, dass sich täglich Wölfe darin bewegten, dass aber niemand je einen sah.

Der Mensch passt nicht ins Beuteschema des Wolfs (Angriffe nur wegen Tollwut), kleinere Haustiere wie Ziegen oder Schafe dagegen schon. Daher ist der Wolf den Viehhaltern nicht genehm. Die Ausstellung vermittelt detaillierte Informationen zur Speisekarte des Wolfs: Am häufigsten jagt er Hirsche, wenn er jedoch in eine Schafherde einbricht, schlägt er mehr als einmal zu. Der Grund: Schafe flüchten anders als Rotwild nicht wirklich, so dass das Raubtier ohne Anstrengung mehr als ein Tier reissen kann. Das ist für den betroffenen Tierhalter ein Unglück, aber statistisch gesehen spielen Wolfsrisse bei Herdenverlusten an Schafen und Ziegen kaum eine Rolle, viel grössere Verluste ergeben sich wegen Blitzschlägen, Abstürzen und Krankheiten. Da aber praktisch jeder Wolfsriss in die Medien kommt, glauben heute gemäss der oben erwähnten Studie rund 30 Prozent der tausend Befragten, dass Schafe und Ziegen die Hauptnahrung der Wölfe sei.

Spuren: linkerhand vom Hirsch, rechterhand vom Wolf. © Fabien Bruggmann

Gegner der Wölfe sind neben den Tierhaltern vor allem auch die Jäger, weil sie, die seit über hundert Jahren praktisch allein über die Wildtiere als Beute verfügten, im Wolf eine Konkurrenz sehen. Auch das stimmt nur bedingt. Wölfe reissen vorwiegend schwache und kranke Tiere. Aber richtig ist, dass die Jagd schwieriger wird, da das Wild wieder einen natürlichen Feind hat, der ganzjährig jagt.

Schädel von einem Wolf, einem Deutschen Schäfer und einem Bernhardinerhund

Die Ausstellung bietet neben viel Information über die Wiederansiedlung, die Wanderbewegungen, die Biologie und die Geschichte unter anderem spektakuläre Videos aus halb Europa (Wolf in der Quartierstrasse, Wolf vom Auto aus gefilmt mit einer grossen Beute über die Strasse laufend, Wolf im Tiefschnee, Familienleben etc.) sowie interaktive Installationen und Spiele mit Lerneffekt: die Ausstellung wendet sich bewusst auch an Kinder und Schulklassen. Das Wolfsfell zu streicheln, oder das Heulen zu hören, oder schnüffeln einer Spur zu folgen, ist auch für die Grossen ein bleibendes Erlebnis.

Die Studienresultate zur Akzeptanz des Wolfs durch die Menschen (links) und die möglichen Habitate (rechts) grafisch dargestellt samt der Synthese: Wo der Wolf in der Schweiz ein geeignetes Habitat vorfindet und auf breite Akzeptanz stösst. (Grafik: UZH)

Ein letzter Teil fordert die Besucherinnen und Besucher heraus, sich mit ihrem Bild des Wolfs auseinannderzusetzen. Gefragt wird, ob der Wolf ein Problem sei: „Am Ende entscheidet das Publikum, ob der Wolf in der Schweiz Platz zum Überleben hat,“ sagt Museumsleiterin Isabel Klusman.

bis 10. Juni 2018

Hier finden Sie alle nötigen Informationen zu der Ausstellung. Einen Flyer zum reichhaltigen Begleitprogramm mit Führungen durch Fachleute und Aufführungen des Figurentheaters Winterthur können Sie hier herunterladen.

Über den Wolf in der Schweiz schrieb seniorweb/WISSEN in diesem Jahr anlässlich der Ausstellung im Alpinen Museum. 

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