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Nervosität in St. Petersburg?

16.07.14 Bernhard kostet: der ein ist gut

Zurück von einer Baltikumreise und nach dem Flugzeug-Abschuss in der Ukraine mache ich mir Gedanken…

Wir sind am Wochenende von einer interessanten, anstrengenden, informativen und geselligen Busreise ins Baltikum und nach St. Petersburg heil nach Hause zurückgekehrt.

Wenn einer eine Reise tut…

In Danzig haben wir auf einer Stadtrundfahrt die historischen Stätten wie das beeindruckende Rathaus und die alten Kornspeicher besucht. In Marienburg sahen wir die wohl schönste Burg Europas mit Profanbauten aus dem Mittelalter. An der Masurischen Seenplatte genossen wir Natur pur, erfreuten uns an unzähligen Storchennestern und besichtigten ein Jesuitenkloster mit Kunstbauten, kostbarer Orgel und kitschigen tanzenden Figuren auf der bespielten Orgel. In der lettischen Hauptstadt Riga begegneten wir den Kaufmannshäusern in der Altstadt und dem Jugendstilviertel bei Peterskirche und dem Neuen Gildehaus. Tallinn in Estland bezaubert durch die fast vollständig erhaltene mittelalterliche Altstadt und in St. Petersburg erdrückten uns Pomp und Prunk der Romanows, die sich und ihren ermordeten Familienmitgliedern bombastische Paläste gebaut haben.

…dann kann er was erleben

In Helsinki wurde die beinahe gewalttätige Architektur der einstigen Zarenstadt durch moderne Viertel, demokratische Verhältnisse und eine schlichte in den Fels gesprengte Kirche abgelöst: Wir waren wieder im modernen, aufgeschlossenen Europa. In Hannover dann, nach geruhsamer Schifffahrt nach Deutschland, erfuhren wir vom Abschuss des Touristenflugzeugs über der Ukraine. In Russland hatten wir schon Präsident Putin im Fernsehen mit seinen Generälen und Admirälen gesehen; ein kleiner, sich verkannt glaubender Möchtegern-Napoleon setzte sich in Szene.

Haben wir etwas von der schwelenden Krise bemerkt?

Als Teilnehmer einer von 28 Personen durchgeführten Informationsreise hat man keine Gelegenheit, mit Einheimischen zu reden. Die uns begleitende russische Fremdenführerin Natalie war auffallend zurückhaltend in sämtlichen politischen Angelegenheiten. Erfuhren wir noch in Polen von der Gewerkschaft Lech Walesas, sprachen Letten und Esten zeitweise von den Fortschritten des Landes, seit Michail Gorbatschow die drei baltischen Staaten aus der UdSSR entlassen hatte, und redete die finnische Petra in Helsinki von den Löhnen, den Steuern und den Rechten der Bürgerinnen und Bürger, so palaverte Natalie während drei Tagen nur von den Romanows und ihren Familienfehden, der Ermordung Rasputins, der Erschiessung der Romanows durch die Sowjets. Kein Wort über Glasnost, über die Implosion des bolschewistischen Molochs. Die Russen haben zwar ihren Vaterlandsstolz beim Zusammenbruch der UdSSR verloren, dafür Freiheiten erhalten, die das russische Volk weder zur Zarenzeit noch nach der Oktoberrevolution je gehabt haben. Kein Wort über Jelzin, keines über Putin und Medwedew, der ukrainische Konflikt, die Krimbesetzung durch Putins Truppen blieben unerwähnt. Dabei zeigten Wiederholungen der Führerin und ihre Betonung der Zarengeschichte die Nervosität der Tourismus-Verantwortlichen, der russischen Regierung, oder aber nur jene von Natalie, die sich einmal mehr wieder nicht getrauen darf, die Probleme ihres Landes auch nur zu streifen.

Erinnerungen an 1914

Hundert Jahre nach den Schüssen auf das österreichisch-ungarische Kronprinzenpaar in Sarajewo bangt die westliche Welt, der Abschuss der malaiischen Flugmaschine in 10 000 Meter Höhe könnte ähnliche Folgen haben. Doch die Umstände sind heute anders. Eher vergleichbar mit den masslosen Forderungen des Deutschen Reichsführers, welche die Alliierten des 1. Weltkriegs in den Vorkriegsjahren 1937-39 zwar missbilligten, aber nichts dagegen unternahmen. Putin pokert. Er pokert verwegen, doch er weiss, dass er die besseren Karten hat als die USA eines Präsidenten, der sich nie durchsetzen konnte, und die EU, die an ihren eigenen Mängeln genug zu beissen hat und sich gerade jetzt keine harte Haltung gegenüber Russland erlauben kann.

Eigentlich spielt keine Rolle, wer der starke Mann Russlands ist. Russland fühlt sich seit der Wende gedemütigt, herabgestuft von den arroganten Amerikanern zu einer devoten Regionalmacht. Russland hat seit Glasnost und Perestroika ungeheure Fortschritte gemacht. Der Tüchtige kann sich wieder bewähren, ohne einer Partei um den Bart streichen zu müssen. Die Russen geniessen Reisefreiheit und in einem eingeschränkten Mass auch Gedanken- und Redefreiheit. Russland ist und bleibt eine Weltmacht. Nicht die Goldtürme und die Paläste dekadenter Zaren haben mich in St. Petersburg beeindruckt. Aber die überall bereit stehenden Panzer, die Kanonen, die ausrangierten Raketen in der Innenstadt machen, auch wenn sie aus dem 2. Weltkrieg stammen, deutlich, dass Russland militärisch wieder erstarkt ist und über modernste Waffen verfügt. Vermutlich ist das Geschoss, das die Flugtragödie über der Ukraine herbeiführte, ebenfalls eine moderne Abwehrrakete der Russen, auch wenn sich ihre Urheberschaft oder jene der ukrainischen Rebellen bis jetzt nicht eindeutig beweisen liess und vielleicht gar nie geklärt werden kann.

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