StartseiteMagazinKulturVon Micky bis Kontiki

Von Micky bis Kontiki

Das Bündner Kunstmuseum in Chur zeigt Zeichnungen von David Weiss (1946 bis 2012) aus den Siebziger Jahren.

Jahrelang war er der eine Teil von Fischli/Weiss, dem international bekannten Künstlerduo, welches mit Skulpturen, Fotografien und in Katalogen das Alltägliche hinterfragte und sich um den Lauf der Dinge kümmerte – so der Titel ihres weit über ein kunstinteressiertes Publikum hinaus hochgeschätzten Films von 1987. David Weiss  ist als selbständig arbeitender Künstler nur noch Wenigen präsent. Zum Glück hat Stephan Kunz, Direktor des Bündner Kunstmuseums, das gemeinsam mit Weiss noch zu Lebzeiten erarbeitete Projekt einer Zeichnungsausstellung nun aus dem Nachlass mit der Familie des Künstlers realisiert.

Wunder auf Papier

In der Villa Planta, dem Altbau des Kunstmuseums Graubünden, ist zu sehen, was Weiss selber von seinem Frühwerk zwar besass, aber im Lauf der vielen produktiven Jahre mit Peter Fischli fast vergessen hatte, seine wunderbare Sammlung von Arbeiten mit Tusche, Stift, Wachskreide aus der Zeit zwischen 1968 und 1979. Auf besondere Weise hat David Weiss wenige Tage vor seinem Tod seine Sammlung mit der dreiteiligen Serie Blumen, gemalt mit dem Tuschpinsel, ergänzt.

We are a happy family, Me, Mum and Dady, 1979. Tusche auf Papier © The Estate of David Weiss

Ein Trip durch eine wilde, melancholische, witzige zweidimensionale Welt, die vielfältige Räume öffnet, ist die Ausstellung, auch ein Retourbillet ins bewegte und intellektuelle Leben der Zürcher Kreativszene nach Achtundsechzig. Eine Reihe von Schweizer Künstlern, neben David Weiss seien Rolf Winnewisser, André Thomkins oder Markus Raetz genannt, dazu noch der Österreicher Turi Werkner, alle damals vertreten von der Galerie Pablo Stähli, finden in den Sechziger Jahre eine neue Bildsprache, die international Aufsehen erregt. Sie sind belesen, informiert, hochintellektuell und bedienen sich für ihre Arbeiten bei Popkultur, Comics, Trivialmythen.

Ohne Titel, Aquarell 1978 © The Estate of David Weiss

Neue Fragen bewegen diese Wahrnehmungsspezialisten; sie zu beantworten genügt das Einzelblatt vielfach nicht mehr; die Künstler gehen ihnen daher oft in Serien nach, transformieren das eine aus dem andern: Was heisst sehen, was ist Abbildung, wie verhält es sich mit Spiegelungen, wohin führt einen die Serie von Wirklichkeitstransformationen..

Metamorphosen

David Weiss ist ein phänomenaler Zeichner, technisch versiert und unglaublich vielfältig in seinen Ausdrucksmöglichkeiten. Vieles scheint in diesen frühen Arbeiten auf, was später in der gemeinsamen Arbeit mit Peter Fischli wieder da ist, Motive, Haltungen, Technik. Ein Beispiel: das Blatt La révolution zeigt die Skizze einer sympathischen Ratte – Vorfahre jener Ratte, die im ersten Film des Künstlerduos Der geringste Widerstand von 1981 auftritt.

Giacomettis Figuren am Rauchen – wie ihr Schöpfer. Auarell und Tusche, 1978 © The Estate of David Weiss

 Ebenfalls öfters taucht die Maus auf, konkret Micky Maus von Walt Disney. Der Micky- und Donald-Erfinder war mit Ernst Kreidolf, dem Blumenmärchen-Zeichner, und Wilhelm Busch, dem Vater aller bösen Comics, ein grosser Inspirator für David Weiss. Allerdings erzählt Weiss in seinen Blumenbildern keine lieblichen Märchen, sondern humorvolle, oft hinterhältige Geschichten, beispielsweise von Blumendamen im Liegestuhl, oder von einem Hold Up mit Pistole im Anschlag..

Als Porträt – auch mit Totenschädel als Nachbar, oder in Stadtszenen taucht auf Farbstift-Zeichnungen immer wieder ein Männchen mit Melone auf, fast erzählt es die Geschichte von einem, der über das mondäne Nachtleben staunt.

Beobachter mit Hut

Nacht ist ein zentrales Thema in Weiss› zeichnerischem Universum, oder ist es die schwarze Farbe, die ihn anspornt? „Meine Hauptfarbe war Schwarz – schwarze Tusche. In dieser Zeit las ich fast ausschliesslich Robert Walser; der reinste aller Schweizer Poeten,“ so David Weiss, „er hatte uns Künstlern vorgelebt, dass man als armer Aussenseiter existieren und doch Bedeutsames leisten kann. Er gab das Modell ab für den aussenstehenden Beobachter. Doch seine dienerhafte, sich unterordnende Haltung ist mir dann zunehmend auf den Wecker gegangen.“ David Weiss hatte sich früh aus dem elterlichen Pfarrhaus abgesetzt und die Welt inklusive Hippiekultur von San Francisco gelebt, bevor er nach Zürich zurückkam.

Mickykosmos, 1974. © The Estate of David Weiss

 Klar, auch Form gewordene Drogenerfahrungen sind aus seinen Zeichnungen zu lesen, seien es die beiden Gestalten mit der zweideutigen Sprechblase ICH HABE DIE NASE VOLL VON DROGEN. ICH AUCHSümpfli oder die zwei Kontiki-Neocolor-Kratzbilder, wo eine sehr feuchtfröhliche Gesellschaft die damals einschlägige Kontiki-Bar nach der Polizeistunde verlassen hat. Mit der Technik, welche viele von uns in der Schulzeit noch gezeigt bekamen, findet David Weiss aus der schwarzen Farbe wieder zu Multicolor. In dieser Serie gibt es wie in den anderen neben den humorvollen oder bissigen Szenen die anderen, in denen sich der melancholische und der philosophische David Weiss äussert. Auch ein Selbstporträt mit Sonnenbrille hat er mit den Ölkreiden gezeichnet – der Schauspieler D.W.im Strahlenkranz zum Popstar stilisiert. Weiter finden sich einzeln und in Serien die schönsten Bilder von schönen Frauen – mit dem Tuschepinsel schnell hingemalt, aus der schwarzen Wachsschicht der Ölkreiden befreit, aquarelliert, im Büchlein Frauen versammelt. Nochmals ganz anders die Serie von grossformatigen schwarzen Tusche-Bildern mit hellen, manchmal bunten Mustern, zum Beispiel hochpräzisen Gitternetzen.

Meditationsübung

Von regennassen nächtlichen Strassen war David Weiss angetan, immer wieder versuchte er das auf dem Asphalt spiegelnde Licht der Autoscheinwerfer mit dem Tuschpinsel oder auch mit dem Stift festzuhalten. Das Regenbüchlein up and down town, eine kleinformatige Folge von urbanen Szenen im strömenden Regen, gezeichnet in akribisch genauen Schrägstrichen, ist weniger Fleissarbeit denn Meditation. Davon und von acht weiteren Künstlerbüchern ist zur Ausstellung eine Faksimile-Ausgabe Nine Books 1973–1979 bei der Edition Patrick Frey erschienen, die David Weiss selber noch vorbereitet hat.

Bis 18. Mai 2014
Zur Ausstellung David Weiss. Werke. 1968 – 1979  ist ein Katalog in deutsch und englisch erschienen.
Titelbild: Ohne Titel, undatiert, Tusche auf Papier, 2.3 x 3.2 cm © The Estate of David Weiss.

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