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Züri aktuell und im Retrolook

Vor fast 40 Jahren hiess es erstmals «Es Ängeli muess uf Züri ga». Nun wird im Bernhard-Theater wieder «Z wie Züri» buchstabiert. Die Premiere kam gut an.

Er wurde schon mal nach Zürich zur Bestandesaufnahme abkommandiert, der Engel Hugo. Und auch diesmal landet er höchst ungern – und unsanft – wieder in der Stadt, die der Heiligen Regula, Göpf Keller, Hans Waldmann und dem Zwingli an ihrem Wolkenschreibtisch aus verschiedenen Gründen Sorgen macht.

Ein Engel auf Abwegen

Nicht zu Unrecht, wie sich bereits bei der Einreise zeigt: Freundlichkeit ist in Züri ein rares Gut. Freundlich ist eigentlich nur dieser Luzi Fehr, der den doch ziemlich naiven Engel zum Drogenschmuggel, Alkoholkonsum, Schwarzfahren und Besuchen in einer zweilichtigen Bar verführt.

Eher kühler Empfang in Zürich Kloten: Freundlichkeit ist keine Zürcher Tugend.

Dass Engel Hugo das alles mehr oder minder unbeschadet übersteht, sich sozialpolitisch, kulinarisch und dann auch emotional austobt und zu guter Letzt gar nicht mehr zurück in den Himmel will, ist eigentlich auch schon die ganze Story.

Lokalkolorit kam an

Das war auch 1976 nicht anders, als das Duo Hans Gmür und Karl Suter die «Cabaret-Revue» erstmals und mit grossem Erfolg auf die Bühne brachte. Auch damals hangelte sich «Z wie Züri» von einer Episode zur andern, immer untermalt von der schmissigen Musik Hans Moeckels. Lokalkolorit gepaart mit Sprachwitz, etwas Frivolität und viel Rhythmus, das war das Erfolgsrezept – und ist es auch heute.

Zwar hat sich in den fast 40 Jahren etliches geändert: Engel Hugo spielt auf seineer Wolke zwar noch Harfe, aber telefoniert wird mit dem Mobile. Gott spricht via Skype und endlich weiss man, wie sie aussieht: Birgit Steinegger verblüffend ähnlich und ganz ohne Rauschebart.

Gott hat blonde Locken und spricht wie Birgit Steinegger.

Und zimperlich ist Gott auch nicht: Wenn die Zürcher nicht parieren, schicke sie einfach eine Sintflut in die Limmatstadt, droht die blondgelockte Fraugott. Ohne Arche. Denn die gottesfürchtigen, braven Zürcher hätten alle zusammen in einem Pedalo Platz.

Witzige Dialoge

Das ist nur einer der Seitenhiebe von Domenico Blass, der das Züri-Musical aktualisiert und sprachlich auf Vordermann gebracht hat. Er lässt nicht viel aus. Angefangen von den jüngsten politischen Entscheiden über Bankenturbulenzen, Verkehrsplanung, Bürokratie, Werbung bis zum Speeddating wird alles auf die Bühne gebracht. Manchmal etwas zu lang, etwa bei der Werbeszene mit dem «Goof», der optisch und akustisch an die Teleboy-Göre von Ursula Schaeppi erinnert oder bei der Gaststättenaufzählung, die zum Sechseläutenmarsch zelebriert wird.

Ein vertrautes Bild: Diesen «Goof» kennt man doch!

Dann wieder begeistert der Sprachwitz, die Songs und vor allem auch das tänzerische Potenzial der nur gerade acht Akteure, die kurzerhand auch mal die ganze Bürokratie in Grund und Boden steppen können.

Solide schauspielerische Leistung

Es sind nicht die grossen Namen der Zürcher Unterhaltungsbranche, die der Unternehmer und Produzent André Keller auf die Bühne des Bernhardtheaters bringt. Kein Jörg Schneider als Engel Hugo, aber Flavio Dal Molin macht seine Sache auch nicht schlecht.

Luzi Fehr (Peter Zgraggen) der schillernde Gegenspieler des braven Hugo.  

Nur leider steht er im Schatten des mirakulösen, schillernden Verführers und Einflüsterers Luzi Fehr, dem Peter Zgraggen in verschiedener Verkleidung Profil verleiht und dessen Bühnenpräsenz und Stimme den armen Hugo recht blass aussehen lässt. Zwar wird er zum Schluss anstelle des Engels in den Himmel gebeamt, denn Hugo macht sich quasi selbständig und bleibt als Schutzengel in Zürich – und bei seiner Liebsten.

Ein Weihnachtsmärchen

Kann das aktuelle «Z wie Züri» an den Erfolg der Urfassung anknüpfen? Wer einen unbeschwerten Abend erleben will, sich an witzigen Seitenhieben zum Zürcher Alltag, an rassiger Musik und ziemlich viel Nostalgie freut, der wird diese Frage voll bejahen.

Märchen mit Lokalkolorit. (Alle Bilder Frike Entertainment AG)

Der Regisseur Björn Bugiel hat mit Bühnenbildner Philipp Kiefer, der Kostümchefin Agatha Imfeld und dem musikalischen Leiter Andreas Felber ein charmantes Weihnachtsmärchen für Erwachsene geschaffen, das trotz kleiner Schwächen mit Witz, Tempo und hohem Unterhaltungswert ein Zürich wie aus dem Bilderbuch zeigt. Einem mit viel Glitzer und etwas Ironie, aus dem der Sechseläutenmarsch ertönt.

Bernhard-Theater. «Z wie Züri». Musical-Komödie von Hans Gmür und Karl Suter. Musik von Hans Moeckel. Aktualisiert von Domenico Blass. Bis 4. Januar 2015

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