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Zu Besuch bei Andreas Diethelm

Der Erfinder des Chorprojekts Hofgesang ist von Haus aus Biologe und als Umweltberater und Publizist tätig

Was unternimmt ein Biologe, der sich um die urbanen Lebensräume sorgt? Wenn er auch noch gern singt, erfindet er den Hofgesang. Die Nachbarschaftsinitiative ist eine zehnjährige Erfolgsgeschichte geworden.

Chorgemeinschaft Oerlikon mit Peter Geugis bei der Dorflinde Oerlikon

Andreas Diethelm (65) singt nur noch selten. Sein Pensum als Umweltberater und Kulturvermittler lässt ihm nicht genug Zeit für Chorproben, vor allem seit seines Engagements für sein Projekt Hofgesang. 2006 kam es von Mitte Mai bis Mitte Juni zum ersten Zürcher Hofgesang: Über sechzig Chöre und Vokalformationen, die Alphörner Zürichs nicht mitgezählt, machten mit, sangen in von ihnen selber ausgewählten Höfen zwischen Schwamendingen und Wollishofen, Affoltern und dem Seefeld, vor allem aber in den Stadtkreisen drei, vier und fünf: Um diese Höfe, viele mit Autos und Abfall-Containern zugestellt, die zwar Licht in die Wohnung, aber keinen lebenswerten Aussenraum für die Menschen bieten, um diese vernachlässigten, zweckentfremdeten oder auch profitorientiert umgestalteten Räume geht es dem Stadtbeobachter Andreas Diethelm. Mit dem Hofgesang will er die Aufmerksamkeit auf die trostlosen, nicht als Begegnungsraum geeigneten Höfe lenken.

Andreas Diethelm überlegt laut, was hier anders sein könnte. Foto: Eva Caflisch

Er sagt: „Je länger man hinschaut, desto mehr wundert man sich: Aus gutem Grund sind viele bereit, für Freilandeier einen Aufpreis zu bezahlen, aber die gleichen Leute nehmen es hin, das man ihnen den Auslauf, den sie Hühnern gewähren, am eigenen Wohnort verwehrt.“ Die Frage nach der „artgerechten Haltung der Stadtmenschen“, die der Biologe, der sich beruflich für artgerechte Lebensräume der urbanen Wildtiere – Eidechsen oder Glühwürmchen beispielsweise – einsetzt, stand am Anfang. Die zündende Idee ergab sich aus seinem Wissen, dass einstmals in den Höfen der Mietblöcke nicht nur gearbeitet, sondern auch gesungen wurde, und dass mit Gesang etwas bewegt werden kann.

Über dreihundert Chöre haben in den vergangenen zehn Jahren jeden zweiten Frühling (einmal auch in Bern und anderswo) einen mehr oder weniger schönen Hof, oder auch eine geeignete Ecke in der Altstadt aufgesucht und den Menschen auf der Strasse und in den Wohnungen ein Ständchen gebracht.

Auch bei Regen findet sich Publikum ein: Chor Tremolo geleitet von Michael Bieler

Der Hofgesang 2016 hat Halbzeit. Bis zum 8. Juni gibt es täglich Auftritte von Chören aller Art, Kinderchören, Jodelgruppen, Frauenchören, Seniorensinggruppen undsoweiter: Ein breites Spektrum von ad-hoc-Ensembles bis zu bekannten Konzertchören machen beim Hofgesang jeweils mit. Wer wann wo singt, steht im Programm auf der Website. Das ist die ideelle Seite, denn weder kostet Mitmachen ein Startgeld, noch kann Andreas Diethelms winziger Verein Auftrittshonorare zahlen. Aber für seine aufwendige Dienstleistung für die Chöre samt Website und Plakatgestaltung braucht und bekommt er finanzielle Unterstützung von Stiftungen und vom Chorverband Zürich See, das Patronat übernimmt die Stadt Zürich. Auf die tatkräftige Hilfe durch ein Team von tüchtigen Freiwilligen hofft er noch. „Dürfen sich gern melden,“ sagt er. Einfach aufhören ginge wohl kaum, denn zuviele Sängerinnen und Sängern freuen sich auf die unprätentiösen Auftritte draussen. Ausserdem ist Hofgesang auch etwas für Nochnicht-Sänger: Wer eine Chorheimat sucht, kann hier ungeniert und inkognito schnuppern, sich auch mal mit den Sängerinnen und Sängern unterhalten und so den idealen Gesangverein finden.

Alle singen mit: von den Kleinsten bis zu den Ältesten: Klus Park Chor mit Benedikt Hofstetter

Nützt das Singen in den Höfen denn überhaupt? Andreas Diethelm berichtet stolz von der Mieterin, die nach erfolglosem Verhandeln mit dem Hauseigentümer einen der Parkplätze mietete und seither darauf ein Topfpflanzenparadies unterhält. Oder auch von dem „hässlichsten Hof Zürichs“, der dank Hofgesang grüner wurde. Es kam auch schon vor, dass in einem Hof die Hälfte der Parkplätze aufgehoben wurden, um einem Tisch mit oder ohne Grill Platz zu machen. „Leider gibt es kein seriöses Monitoring,“ witzelt er, „das würde unsere Kapazität weit übersteigen.“ So wartet er auf Meldungen von Mieterinnen und Hausverwaltungen.

hohlstrasse 2008 und 2013

Singen hilft: Hohlstrasse 110 mit Chor vokativ 2008 – mit Nachtkerzen-Wildnis 2013

Vom Abstellraum 2006 zum Begegnungsraum 2014: Nordstrasse 24

In den Tagen bis zum 8. Juni ist Andreas Diethelm fleissig unterwegs zu diesem und jenem Auftritt, sei es ein lauer Abend oder regne es kübelweise, wie letzte Woche. Davon leben kann der Vater einer 19jährigen Tochter freilich nicht. Er arbeitet als Berater und Publizist, schreibt über Biodiversität, war der erste, der bei der Buchsbaumzünsler-Hysterie darauf hinwies, dass Spatzen die Larven fressen (hab ich in meinem Garten unlängst beobachtet), und engagiert sich in diesem Sommer beim Glühwürmchen-Festival. „Das Glühwürmchen ist ein attraktiver Protagonist eines Lebensraums, der mit den anderen Bewohnern, Kröten oder Schnecken, weniger gut beworben werden kann,“ erklärt er. Besonders freut er sich über die Entdeckung einer Kolonie des kleinen Johanniskäfers in der Nähe des Bucheggplatzes vor wenigen Jahren, die Quartierbewohnern, die auch bei Dunkelheit unterwegs sind, schon lange bekannt sind. Beim Glühwürmchen-Festival wird Andreas Diethelm unter anderem zeigen, wie man die Tiere findet und zählt.

Fotos © Andreas Diethelm
www.hofgesang.ch/

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