StartseiteMagazinKulturEin Liebesbrief zum Abschied

Ein Liebesbrief zum Abschied

«Quintett» heisst der dreiteilige Ballettabend, der am Samstag im Opernhaus Zürich  Premiere feierte. Höhepunkt des Abends ist das Stück von William Forsythe – eine Liebeserklärung an das Leben.

Es ist wohl William Forsythes persönlichstes Ballett, dieses «Quintett». Und Forsythe, einer der weltweit führende Choreografen, gibt dieses Stück nicht gerne aus der Hand. Geschaffen hatte er es 1963, als Hommage an seine im Sterben liegende Frau, die Tänzerin Tracy-Kai Maier. Sie erlebte die Uraufführung nicht mehr, aber Forsythe setzt ihr in dem Stück, das er zusammen mit den fünf involvierten Tanzenden, entwickelte, ein Denkmal. Nicht als Grabstein, als Bekenntnis zum Leben, zur Liebe, zum Tanz.

Vielseitige Tänzercharaktere

Es gebe nicht viele Compagnien, denen er «Quintett» anvertraue, sagt er im Interview im Programmheft. Denn es brauche ganz besondere Tänzer: zwar klassisch ausgebildet, jedoch mit einer grossen technischen und stilistischen Bandbreite. «Hybridtänzer» sozusagen, die sich nicht auf die vom Choreografen festgelegten Schrittfolgen beschränkten und den Mut hätten, gewisse Bewegungen von innen heraus zu gestalten und zuzulassen, zu straucheln und zu stolpern, ja, auch hinzufallen – nur um wieder aufzustehen und weiterzutanzen.

«Quintett» ist eine Hommage an das Leben. Deshalb wird zum Schluss die Tänzerin Katja Wünsche immer wieder zurückgestossen – zurück ins Leben. (Alle Bilder Carlos Quezada/Opernhaus Zürich)

Dazu kommt der ganz eigene Tanzstil, den Forsythes Frau pflegte: Das Epaulement, das auf einer raffinierten Beziehung zwischen Kopf, Schulter, Hand und natürlich Fuss basiert. Forsythe weilte einige Tage in Zürich und fand hier in Giulia Tonelli, Katja Wünsche, Matthew Knight, Manuel Renard und Tars Vandebeek die intime Besetzung, die seinen Intensionen entspricht

Hoffnung und Neubeginn

Und das Stück schlug das Publikum in Bann. Auf der sparsam möblierten Bühne – zwei weisse Wände, eine Vertiefung im Boden (ein Grab?) samt Spiegel und ein alter Filmprojektor ohne ersichtliche Funktion – wurde die Lust am Leben zwischen Hingabe und Auflehnung zelebriert, einzig begleitet, als Endlosschleife, von der brüchigen Stimme eines Londoner Obdachlosen, vom Komponisten Gavin Bryars mit zunehmend intensiveren Begleitungen unterlegt.

Da war nichts von Tod und Abschied zu spüren, aber viel von Neubeginn und Lebensenergie. Selbst als Katja Wünsche – zum Schluss noch als Einzige auf der Bühne – sich dem Grab zuwendete, wurde sie von den Tänzern in der Vertiefung sanft aber nachrdrücklich wieder nach oben geschubst: Am Ende steht nicht der Tod, es geht immer weiter.

Tanz mit Hocker

Vor «Quintett» stand Hans van Manens «Kammerballett» im Programm. Der 85-jährige Choreograf, den man seines stringenten Stils wegen auch als «Mondrian» unter den Choreografen bezeichnet, verflicht in seinem 1995 uraufgeführten «Kammerballett» die Ingredienzien seines Schaffens zu einem stimmigen Ganzen. Die vier Tanzpaare treten zuerst einzeln auf, jeder und jede mit einem Hocker.

Choreograf van Manen erzählt von Beziehung und Distanz. Was allerdings die Hocker für eine Rolle spielen, erschliesst sich nicht ganz. Im Vordergrund Katja Wünscvhe und William Moore.

Damit «möblieren» sie mal zögerlich, mal bestimmt, mal achtlos oder dann dezidiert die Bühne, setzen sich auf ihre Schemel – und schaffen so Distanz zum andern, die Distanz, die van Manems Arbeit immer wieder auszeichnet.

Da scheint aber auch schnell, wie ein Augenzwinkern, der Humor auf und zwischenmenschlichen Beziehungen werden manifest, akzentuiert durch die unterschiedlichen Musikstücke (von Kara Karajew, Domenico Scarlatti und John Cage, wie alle Musik des Abends ab Band). Dieses Ausloten von Beziehungsmustern, diese bei aller Distanz aufscheinende Menschlichkeit zieht sich durch das ganze Schaffen van Manems.

Was nicht ganz klar wird, ist die Funktion der Hocker. Sie werden ab und zu zwar etwas verschoben – so als ziehe ein Schulkind dem Banknachbar den Stuhl unter dem Hintern weg – aber meist werden sie einfach zum Sitzen benützt: Ein oder zwei Paare tanzen, die andern sitzen auf ihren Schemelchen. Ein bisschen erinnert das an ein «Vortanzen», wo jeder mal an die Reihe kommt. Bis dann Katja Wünsche als «Schwarze Tänzerin» den dominierende Part an sich reisst und so eine neue Struktur und Dramatik in dieses schnörkellose, etwas unterkühlte Stück bringt.

Wie Raubtiere durch den Dschungel

Den Anfang des Abends machte der erstmals in Zürich arbeitende Jacobo Godani, der Forsythes «Quintett» 1993 in Frankfurt mitgestalten half. Unterdessen ist er zu einem eigenständigen Choreografen herangereift und hat vor zwei Jahren Forsythes Compagnie übernommen, die er unter neuem Namen weiterführt. Seine «rituals from another when» mit acht jungen Tanzenden nach Tönen und Geräuschen der Komponisten Ulrich Müller und Siegfried Rössert (48nord) entführen in eine andere Welt.

Zelebrierte Bewegungsmuster – so lässt sich der etwas monotone Beitrag des jüngsten der Choreografen, Jacopo Godani, umschreiben. Es tanzen Mitglieder des Zürcher Balletts und des Junior Ballet.

Runde, weiche Gesten lassen die Tanzenden zu animalischen Wesen werden, die durch einen Dschungel von Klängen – Schnarren, Knarren, Hämmern, Fiepen, Zirpen – schleichen. Es ist ein interessantes Zelebrieren von Bewegungsmustern, wirkt aber mit der Zeit, weil eine innere Spannung, eine Struktur und, wohl auch durch die Improvisation bedingt, eine ordnende Dramaturgie fehlt, etwas monoton.

Geplant sind 8 weitere Vorstellungen bis Juni.

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