StartseiteMagazinGesellschaftFDP und SP nach dem Nein zur Rentenreform: Was nun?

FDP und SP nach dem Nein zur Rentenreform: Was nun?

Die FDP der Schweiz bekämpfte die Rentenreform insbesondere der 70 CHF wegen, die die Reduktion des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule über die AHV hätten kompensieren sollen. Der politisch linken Seite, unterstützt von der CVP, gelang es nicht, einig aufzutreten. Im Gegenteil: Welsche Genossen verschiedener Schattierungen ergriffen das Referendum. Seniorin hat die beiden Seiten mit der Frage konfrontiert: Was nun?

 

Nationalrat Bruno Pezzatti, FDP: «Die AHV priorisiert sanieren»

 

Bruno Pezzatti, Sie setzten sich am 24. September 2017 durch. Das Schweizer Volk folgte sicher zum Teil dem Slogan der FDP «Die Jungen verraten – die Rentner bestrafen». Abstimmungsanalysen zeigen aber, dass auch viele Frauen, linke Gewerkschafter, welsche Genossen, Jungsozialisten gegen die Reform stimmten, gar mit den Ausschlag gaben. Wie gehen Sie mit dieser Ausgangslage nun um?
Es war gleich ein dreifaches Nein: Beide Vorlagen wurden abgelehnt und das Ständemehr wurde nicht erreicht. Des Weiteren zeigen Analysen auf, dass der AHV-Ausbau das Hauptargument für die Ablehnung der Scheinreform war. Die Ausgangslage ist somit klar: Nach AHV-plus und der Ablehnung der Rentenreform hat das Volk innert Jahresfrist zweimal einen AHV-Ausbau abgelehnt. Damit ist dieser definitiv vom Tisch.

Und: Was muss jetzt passieren?
Jetzt müssen die konstruktiven Kräfte zusammenkommen und eine breit abgestützte Reform schmieden, welche auch zu halten vermag, was sie verspricht.

Welches Rezept haben sie, die AHV zu sichern, die zweite Säule zu stabilisieren? Wie sieht Ihr Plan B konkret aus, was sind die Eckwerte?
Die FDP hat bereits im Abstimmungskampf einen Plan B vorgestellt. Beide Säulen müssen angegangen werden mit zwei voneinander getrennten Vorlagen. Die wichtigsten Massnahmen der Altersvorsorge 2020, welche im Parlament unbestritten waren, sind dem Stimmvolk in zwei getrennten Vorlagen, eine über die AHV, die andere über das BVG, neu vorzulegen. Dabei kann die AHV-Vorlage priorisiert werden.

Die Finanzbranche favorisiert sehr stark die zweite Säule. Was sind die Gründe? Ist es deshalb, weil sie pro Jahr gegen 8 Milliarden CHF durch Kommis­sionen verbuchen kann?
Andere Länder beneiden uns um das Drei-Säulen-System. Es verteilt die Risiken Demografie und Zinserträge auf verschiedene Säulen und Generationen.

Die AHV war bis dato d a s Sozialwerk der Schweiz. Nun bekommt die AHV zunehmend Gegenwind. Von vielen Bürgerlichen wird das Solidarwerk als «Reichtumssteuer» empfunden, weil die gut und die sehr gut Verdienenden (ab 84 000 CHF Ein­kom­men) weit mehr einzahlen, als sie als Rente je zurückbekommen werden. Muss die AHV deshalb neu aufgegleist werden?
Das ist schlicht Polemik und Gewerkschaftsrhetorik. Im Rahmen der Reform wurden viele Sanierungsvarianten diskutiert – ein AHV-Abbau stand schlicht nie zur Diskussion. Die Linken haben dennoch immer wieder einen Rentenabbau an die Wand gemalt; dabei haben sich alle Fraktionen für den Erhalt des Rentenniveaus ausgesprochen.

Welche Altersvorsorge stellen Sie sich für Sie ganz persönlich vor?
Einen nachhaltigen Mix aus Solidarität, beruflicher Vorsorge und eigenverantwortlichem Sparen. Ein System, dass sich an die Realitäten und Entwicklungen der Gesellschaft anpasst: Wir leben länger und sind dabei länger gesund. Die ideale Altersvorsorge ist enkeltauglich: Das heisst: Sie garantiert nicht nur heute, sondern auch morgen sichere Renten anstatt ungedeckte Schecks auf Kosten der nächsten Generationen.


Bruno Pezzatti (4.3.1951)

Dipl. Ing. Agr. ETH, seit 2014 Vorstand des Schweizer Obstver­bandes; vorher langjähriger Direktor dieser privaten, nationalen Branchenorganisation der Obstwirtschaft. Seit 2011 Nationalrat FDP, von 1999 bis 2010 Mitglied des Zuger Kantonsrates

Mitglied der nationalrätlichen Finanzkommission und der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit

 

Ständerat Paul Rechsteiner, SP: «Sanierungsvorschläge rasch realisieren»«Die AHV priorisiert sanieren»

 

Paul Rechsteiner, warum stand die Linke nicht mehr geschlossen hinter der von ihr so geliebten AHV, der ersten Säule? Sie wäre mit einem Ja zumindest bis 2030 saniert gewesen?
Das Resultat war sehr knapp. Ohne das linke Nein – und ohne die Massenauflagen des K-Tipp – wäre die Vorlage durchgekommen. Diese Kreise tragen eine schwere Verantwortung. Sie wollten aber eine stärkere, nicht eine schwächere AHV. Deshalb kann das Nein auch nicht als Nein zu guten AHV-Renten gelesen werden. Dazu passt, dass die Volksinitiative AHVplus vor einem Jahr in der Westschweiz klar besser abschnitt als die Altersvorsorge 2020. Die Opposition gegen die Heraufsetzung des Frauenrentenalters war viel stärker, als dies in den Medien wahrgenommen wurde.

Der Schweizerische Seniorenrat SSR, der paritätisch zusammengesetzt ist, sagte Ja. Die Analysen nach der Abstimmung zeigen, dass die ältere Generation mehrheitlich hinter der Reform stand. Warum gelang es den Befürwortern nicht, die Jungen, die Frauen, die ländlichen Kantone hinter der Reform zu vereinen?
Tatsächlich war das Ja des Bauernverbands in den ländlichen Kantonen und Regionen fast unsichtbar. Im Gegensatz zu den flächendeckenden Publi-Inseraten mit den SVP-Bauernvertretern. Wenn der Bauernverband voll angetreten wäre, dann hätte ein Ja resultieren müssen, sind doch die Bauern noch mehr als alle anderen auf eine gute AHV angewiesen.

Obwohl die Rentenansprüche der älteren Gene­ration gewahrt worden wären, wurde die Vorlage von der FDP als ungerecht bezeichnet, weil die heutigen Rentnerinnen und Rentner nicht die 70 Franken bekommen hätten.
Die Neidkampagne der Wirtschaftsverbände und der FDP hat voll eingeschlagen, obwohl es ihre Vertreter waren, die eine Rentenverbesserung für die Senioren stets bekämpft hatten. Diese Kampagne wird ihnen noch auf die Füsse fallen. Denn viele haben bei den ständig steigenden Krankenkassenprämien und Gesundheitskosten Mühe, mit der stagnierenden Rente über die Runden zu kommen.

Warum gelang es den Befürwortern, zu denen auch die Mitteparteien, die CVP, die Grünliberalen, die EVP, auch die Grünen gehörten, nicht dem Slogan der FDP «Die Jungen verraten, die Rentner bestrafen», etwas entgegenzusetzen.
Die Wirtschaftsverbände und die FDP haben im Gegensatz zu früher nicht mit den Interessen der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen argumentiert, sondern wie eine linke Kampagne mit der Ungerechtigkeit. Damit konnten sie die Skepsis, die grundsätzlich allen Rentenvorlagen entgegenschlägt, für das Nein mobilisieren. Es war aber ein knappes Nein aus ganz unterschiedlichen Motiven.

Was muss nun passieren?
Gut wäre es, wenn die Finanzierungsvorschläge der Vorlage jetzt rasch realisiert würden. Sie waren im Abstimmungskampf kaum bestritten. Ob die politische Weisheit im Bundeshaus dafür ausreicht, steht leider auf einem anderen Blatt. 

Welches Rezept haben Sie, die AHV zu sichern, die zweite Säule zu stabilisieren?
Die Probleme nach der Abstimmung sind die gleichen wie jene vor der Abstimmung. Früher oder später braucht es wieder eine Zusatzfinanzierung für die AHV. Leider wird es für die Bevölkerung nicht mehr so billig, wie es durch die Übertragung der IV-Übergangsfinanzierung auf die AHV gekommen wäre. Diese Milliarde ist wohl verloren. 

Die Finanzbranche steht auf die zweite Säule. Ist das nur, weil sie pro Jahr gegen 8 Milliarden CHF durch Kommissionen einstreichen kann?
Die Profite in der zweiten Säule bleiben ein ungelöstes Problem. Die zweite Säule gehört wie die erste zu den Sozialversicherungen. Bei den Sozialversicherungen gibt es kein Recht Privater auf Profite.

Die AHV war bis dato das Sozialwerk der Schweiz. Nun bekommt die AHV zunehmend Gegenwind. Von vielen Bürgerlichen wird das Solidarwerk als «Reichtumssteuer» empfunden, weil die gut und die sehr gut Verdienenden (ab 84 000 CHF Einkommen) weit mehr einzahlen, als sie als Rente je zurückbekommen werden. Muss der Solidarpakt
neu begründet werden?
Auch der Kampf für die Einführung der AHV war seinerzeit ein langer Kampf mit vielen Niederlagen. Mit AHVplus haben wir erstmals seit Jahrzehnten bessere AHV-Renten vorgeschlagen. In der Volksabstimmung gab es schweizweit gut 40 % Ja-Stimmen. Bei der Altersvorsorge 2020 waren es jetzt über 47 % oder fast 1,2 Millionen, die zugestimmt haben. Jedenfalls darf eine künftige Vorlage die heutigen Rentnerinnen und Rentner nicht vergessen. Das zeigt nicht nur die soziale Realität. Das hat auch die Kampagne der Wirtschaftsverbände und der FDP klargemacht.


Paul Rechsteiner (26.8.1952)

Rechtsanwalt in St. Gallen, SP-Ständerat seit 2011 für den Kanton St. Gallen. Davor seit 1986 Nationalrat. Präsident des Schweizerischen Gewerkscha­fts­bundes

Mitglied der ständerätlichen Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit, für Verkehr und Fernmeldewesen, für Wissenschaft, Bildung und Kultur

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