Material in Aktion

Die Ausstellung Designlabor: Material + Technik im Museum für Gestaltung in Zürich präsentiert neuartige Materialien, die technologisch mehr können, leichter, kleiner und nachhaltiger sind. Forscherteams aus verschiedenen Disziplinen ertüfteln und Designer erproben sie in allen Facetten.

Materialfragen und neue technologische Verfahren sind seit jeher zentrale Treiber in der Entwicklung innovativer Produkte, wie das «Kabinett» zum Auftakt der Ausstellung zeigt.

«Kabinett»: Design-Stücke aus der Museumssammlung des 20. Jahrhunderts zeigen über heissem Dampf gebogenes Holz für Stühle, Telefonhörer aus Bakelit als Vorboten von Plastik, Aluminium als Material, das hart, leicht und formbar ist, Milchgefässe aus unterschiedlichsten Materialien. Foto: rv

Die Materialforschung ist im 21. Jahrhundert zu einer Schlüsseldisziplin geworden. Der materielle Überfluss und die Suche nach Ersatzstoffen fordern die Gesellschaft heraus. Gleichzeitig muss Material immer mehr können – und dabei leichter und kleiner werden. Es wird intensiv an den optimalen Eigenschaften und der Leistungsfähigkeit herumgetüftelt.

Gramazio Kohler Research erforscht seit 2005 an der ETH Zürich digital konzipierte und robotisch gesteuerte Prozesse im Massstab 1:1, Smart Dynamic Casting, 2014. Foto: ©Kohler Research, ETH Zürich

Für Designerinnen und Designer eröffnen sich spannende Handlungsfelder. In Teams mit Forschenden aus den Disziplinen Chemie, Physik oder Biologie setzen sie Lösungsansätze gestalterisch um.

Das Designlabor stellt neunundzwanzig zeitgenössische und zum Teil eben erst realisierte Projekte vor: von nachwachsenden Materialien (Pilze, Bakterien) bis zu technologischen Werkstoffen (mit Keramik beschichtete Textilien, schnell aushärtender Beton). Experimenten mit traditionellen Materialien wie Ton oder Strickgarn stehen Visionen von Materie gegenüber, deren Eigenschaften noch wenig erforscht sind. Andere Ansätze fokussieren auf Verfahren mit neuen leistungsfähigeren und rationelleren Technologien, wie digitale Herstellungsprozesse, 3D-Druck und robotische Fabrikation.

 

Biobasierte und andere Materialien

CASKIA / Growing a MarsBoot , entwickelt von OurOwnSkin in Zusammenarbeit mit Officina Corpuscoli, Maurizio Montalti. Myzelium-Komposite (Baumwolle, Filz), Biofabrikation, 3D-Druck. Foto: rv

Besonders beeindruckt haben mich biologische Materialentwicklungen aus Bakterien und Pilzen, deren Myzelien – fadenförmige kaum sichtbare Zellen – sich zu Geflechten verbinden und wie sich selbst produzierender Klebstoff wirken. Das schnell nachwachsende Biomaterial regt zu neuen Entwicklungen von Produkten an, wie schallschluckende Akustikpanels, aber auch futuristische MarsBoots für die Marsmission. Allerdings scheinen Probleme mit unangenehmen Geruchsemissionen noch nicht wirklich gelöst zu sein.

Nienke Hoogvliet, Kimono aus Kaumera®, ein biobasiertes Granulat aus Klärschlamm, 2018. Foto: Femke Poort, ©Studio Nienke Hoogvliet

Nicht nur Pilze und Bakterien lassen sich verarbeiten, auch Taschen aus Rinderdärmen als nachhaltige Alternative zu Leder werden präsentiert. Die wertvollen in Eierschalen enthaltenen Mineralien besitzen verarbeitet zementähnliche Eigenschaften und können in der Bauindustrie eingesetzt werden. In Holland gibt es ein Projekt, Granulat aus reinigenden Mikroorganismen im Klärschlamm zu gewinnen. Da dieses Granulat so vielseitig anwendbar ist, wird es Kaumera (Chamäleon) genannt.

Holz und Holzwerkstoffe können mit dem speziellen Einschneideverfahren DUKTA, das in Zürich erfunden wurde, flexibel gemacht werden. Durch die Einschnitte erhält das Holz nahezu textile Eigenschaften. Dies erweitert die Einsatzmöglichkeiten im Innenausbau, für Trennwände, Möbel oder Leuchten. Zudem ist der perforierte Holzwerkstoff stark schallabsorbierend und eignet sich für akustisch sensible Räume, wie Tonstudios, Konzertsäle, Restaurants und strahlt eine eigene Ästhetik aus.

Das DUKTA-Einschneideverfahren macht Holz flexibel und ist vielseitig einsetzbar. Foto: rv

Für den althergebrachten Lehm hat der Produktedesigner Romain Kloeckner aus ‹Spass an der Freud› ein Druckluftgewehr erfunden, mit dem man Lehmklumpen auf ein Ziel schiessen kann. Auf einer neuartigen Technologie zur Verarbeitung von Lehm beruht das Projekt Moca. Das französische Designerpaar Carla Joachim und Jordan Morineau entwickelte in ihrem niederländischen Studio in Eindhoven eine Tropfmaschine, die in einem vorbestimmten Rhythmus flüssiges Porzellan, Steingut oder Farbe in eine Form tropfen lässt. Auf der computergesteuerten Drehscheibe entstehen so programmierte Unikate.

Porzellan, hergestellt aus flüssigem Lehm auf einer computergesteuerten Drehscheibe. Studio Joachim – Morineau, Moca – Patterns, 2018. Foto: Pierre Castignola, ©Studio Joachim – Morineau

Eine ganze Reihe von Erfindungen geht auf Kueng Caputo zurück: zwei international tätige Zürcher Gestalterinnen, Lovis Caputo und Sarah Kueng. Die beiden kennen sich seit der Ausbildung an der ZHdK und arbeiten seit über zehn Jahren zusammen. Für sie steht das Thema Handwerk im Zentrum. So fragten sie sich, was wäre wenn wir mit Luft Material dehnen würden? Darauf entwickelten sie in Zusammenarbeit mit Materialwissenschaftlern im Labor eine Serie von Akustik-Elementen aus porösem, in einer Gussform aufgeschäumtem Gips. Visuell attraktiv designt, schlucken diese störenden Schall.

Mit einer anderen Serie, auch die schallschluckend, erweisen Kueng Caputo den handgewebten Teppichen von Frauen aus dem Atlasgebirge Reverenz. Die geometrische Ornamentik und die komplexe Farbigkeit übersetzen sie in ein Material, bestehend aus einem Granulat aus synthetischem Kautschuk, das sonst für den Belag von Sportplätzen verwendet wird.

Kueng Caputo nutzen auch die Eigenschaft von Kunststoff-Granulat, das seine materielle Erscheinung im Schmelzprozess verändert. Sie fabrizieren damit fragile, transparent-farbige Platten, biegen sie spielerisch zu Lampenschirmen und schaffen in Verbindung mit LED Leuchtröhren kunstvoll verarbeitete Unikate.

Kueng Caputo, Ciao Amico Mio, 2018. Foto: Etage Projects, ©Kueng Caputo

Biologisch abbaubare Taschen aus Bananatex werden aus Fasern der Bananenpflanze, die auf den Philippinen nachhaltig kultiviert wird, hergestellt. In Zusammenarbeit mit Garn- und Webspezialisten aus Taiwan wird dieses Gewebe natürlich gefärbt und mit Bienenwachs wasserabweisend beschichtet.

Der Roboter als Architekt

Im Bereich Architektur wird der Roboter selbst zum Architekten. An der ETH Zürich erforscht Gramazio Kohler Research seit 2005 digital konzipierte und robotisch gesteuerte Prozesse im Massstab 1:1. Zurzeit wird intensiv mit Beton experimentiert. Benjamin Dillenburger, ebenso an der ETH Zürich, forscht im Bereich digitaler Bautechnologien und entwickelt grossformatige Raumstrukturen aus 3D-Betondruck für Bühnenbilder. Ein anderes Bauprojekt testet mit Beton gefüllten Gitterstrukturen, die den Bau von tragenden oder gekrümmten Betonwänden möglich machen.

Neue Lösungen mit weniger und rasch härtendem Beton: 3D-Drucker und Roboter produzieren grossformatige Raumstrukturen mit fantasievollen Formen, elegante Säulen, leichte, bewegliche Schalungen für Gebäude oder gekrümmte Betonwände. Foto: rv

Offene Werkstatt und Hands-on Objektsammlung

Das Designlabor ist ein aktiver Ort der Auseinandersetzung für alle. Die Besucher werden im Ausstellungsraum in einer offenen Werkstatt zum Selbermachen und Experimentieren eingeladen, ohne Vermittlungspersonen. Die bereitgestellten wechselnden Materialien und Anregungen animieren zu eigenen Gestaltungsprozessen. Zudem bietet die Hands-on-Objektsammlung Gelegenheit, Material sinnlich zu erfahren und wächst im Lauf der Ausstellung. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, interessante Materialmuster beizusteuern.

Bis Frühling 2020

Designlabor: Material + Technik im Museum für Gestaltung im Toni-Areal in Zürich

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