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Altersleitbilder für die Quartierentwicklung

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass altersbezogene Stereotype oftmals unreflektiert in die Planung und Entwicklung von Lebensräumen einfliessen und dass Expertinnen und Experten ältere Menschen häufig als homogene und fragile Gruppe wahrnehmen.

Die demographische Entwicklung zeigt, dass die Anzahl der Personen ab 65 Jahren auch in der Schweiz weiter steigt. Gleichzeitigt führt der gesellschaftliche Wandel zu einer Vielzahl an Lebensstilen und Lebenslagen. Gerade im Alter nimmt die Vielfalt und Heterogenität aufgrund unterschiedlicher biographischer Verläufe und individuellen Ressourcen sowie Potenziale zu. Wohnen und insbesondere „Wohnen im Alter“ wird dadurch zum Gegenstand zukunftsorientierter Alten-, sowie Raumplanungs- und Stadtentwicklungspolitik, nicht nur in der Schweiz. Dem unmittelbaren Wohnumfeld, sprich dem Quartier, kommt daher eine grosse Bedeutung zu. Denn hier findet der Ort des täglichen Lebens statt, verschiedene soziale und kulturelle Angebote sowie Dienstleistungen sind verfügbar, soziale Teilhabe ist möglich und soziale Unterstützung kann erfahren werden.

Vor diesem Hintergrund interessiert, wie altengerechte Wohn- und Quartierskonzepte konzipiert, geplant und realisiert werden. Altersbilder (auch altersbezogene Stereotype genannt) spielen hierbei eine zentrale Rolle. Diese individuellen sowie auch gesellschaftlich geteilten Vorstellungen vom Alter, vom Älterwerden und von älteren Menschen prägen unsere Wahrnehmung, unser Denken und unser Verhalten und somit die Art und Weise wie wir handeln und interagieren – auch im Kontext von Quartiers- und Stadtentwicklung. Jede und jeder von uns hat somit Altersbilder verinnerlicht, auch wenn wir uns dessen meistens nicht bewusst sind. Sie können positiv wie auch negativ behaftet sein – und sich manchmal widersprechen. So wird beispielsweise das Älterwerden sowohl mit der Zunahme an körperlichen und geistigen Einschränkungen als auch mit grosser Erfahrung und Besonnenheit in Verbindung gesetzt.

Das Forschungsprojekt

Ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördertes und von der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW durchgeführtes Forschungsprojekt (2016-2018) ist genau diesen Fragen nachgegangen. Anhand von zwei Fallbeispielen haben wir untersucht, ob und welche altersbezogene Stereotype von Seiten Fachpersonen (Entscheidungstragende, Planungs- und UmsetzungsexpertInnen) in die Entwicklung von altengerechten Lebensräumen einfliessen. Welche Herausforderungen sich hierbei ergeben und wie die Teilhabe älterer Menschen am sozialen Leben mittels einer adäquaten und reflektierten, alterssensiblen Quartiersentwicklung gefördert werden kann. Fallbeispiele waren zum einen ein intergeneratives Bewegungsförderungsprojekt und zum anderen ein zum Untersuchungszeitpunkt in Entwicklung befindenden neuen Stadtplatz in der Nähe eines Alterszentrums.

Um unsere Fragestellungen zu beantworten, haben wir zum einen bestehende Dokumente analysiert, Gesprächsrunden mit älteren Menschen veranstaltet sowie Interviews mit älteren Menschen und den Expertinnen und Experten (Fachpersonen der Raum- und Landschaftsplanung, Architektur, Quartiers- und Stadtentwicklung, Soziale Arbeit, Alten-, Sozial- und Stadtpolitik etc.) durchgeführt. Sofern möglich, ergänzten wir die Interviews mit den älteren Menschen sowie mit den Expertinnen und Experten durch kommentierte stadtteilbezogene Spaziergänge. Abgeschlossen wurde die empirische Phase mit reflexiven Workshops, gemeinsam mit den älteren Menschen sowie den Expertinnen und Experten.

Ergebnisse und Fazit

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass altersbezogene Stereotype oftmals unreflektiert in die Planung und Entwicklung von Lebensräumen einfliessen und dass Expertinnen und Experten ältere Menschen häufig als homogene und fragile Gruppe wahrnehmen. Zwar werden älteren Menschen in Bezug auf das Quartier durchaus unterschiedliche Bedürfnisse und Anliegen zugesprochen, allerdings wird dieser Widerspruch zwischen einseitigen (homogenen) und differenzierten Altersbilder «zugunsten» einer Planung, die sich an alle Altersgruppen richtet, aufgelöst.

Auch ältere Menschen weisen eine Vielzahl an altersbezogene Stereotype auf. Diese Stereotype des Alters – sowohl von Seiten älterer Menschen als auch von Fachpersonen – fliessen unreflektiert und unbewusst in die Planungspraxis ein. So schreiben Expertinnen und Experten beispielsweise älteren Menschen spezifische Bedarfe zu (ältere Menschen möchten sich hinsetzen können, Kindern beim Spielen zuschauen etc.) und entwickeln auf Basis dieser Zuschreibungen Massnahmen. Gerade Handläufe und Sitzbänke werden hierbei als wichtiges Planungselement für die Entwicklung von altengerechten Wohn- und Quartierskonzepte gesehen. Und genau hier liegt die Herausforderung. Denn durch diese einseitige und teilweise auch von Seiten älteren Menschen geteilte Sichtweise auf ältere Menschen als fragile Gruppe wird verpasst, nach weiteren Lösungen und Möglichkeiten zu suchen.

Keine Frage, die Planung und Entwicklung von altengerechten Lebensräumen stellt ein komplexes und herausforderndes Unterfangen dar, das durch Normen und gesetzlichen Richtlinien zusätzlich erschwert werden kann. Es müssen daher im Sinne einer adäquaten und reflektieren, alterssensiblen Quartierentwicklung Kompromisslösungen zwischen planungsbezogenen Richtlinien und zielgruppenorientierten Anliegen und Bedürfnisse gefunden werden, die der Vielfalt im Alter besser gerecht werden. Hierbei ist es wichtig, sowohl aus Sicht von Expertinnen und Experten als auch von älteren Menschen, ein Bewusstsein für das Vorhandensein von altersbezogenen Stereotypen zu entwickeln und die eignen Vorstellungen vom Alter, vom Älterwerden und von älteren Menschen zu kennen. Denn (negative) Altersbilder können zu Ungleichbehandlungen von älteren Menschen und sogar zu Diskriminierung führen. Durch den aktiven Einbezug von älteren Menschen in die Planung und Entwicklung von altenbezogenen Projekte kann dem entgegengewirkt werden und dazu beitragen, dass der Fokus bei der Planung und Entwicklung von altengerechten Lebensräume nicht nur auf Problem, Defizite und Grenzen gerichtet wird, sondern auch auf Ressourcen und Potenziale von älteren Menschen liegt – schliesslich bedeutet «altersgerecht» weit mehr als «barrierefrei».

Link und Angaben zu den AutorInnen

Eine kürzlich erschienene, englischsprachige Fachpublikation zum Forschungsprojekt kann kostenlos unter folgendem Link heruntergeladen werden:  https://www.cogitatiopress.com/urbanplanning/article/view/2060

Sandra Janett, M.A. in Sozialer Arbeit, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschute für Soziale Arbeit FHNW.

Carlo Fabian, Prof. Sozialpsychologe, Gesundheitspsychologe FSP, Coach und Organisationsentwickler BSO, ist Senior Researcher und Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.

http://notoageism.com/

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