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Ältere Menschen nicht generell isolieren

Der evangelische Landesbischof von Baden DE, Jochen Cornelius-Bundschuh, warnt davor, alte Menschen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie zu diskriminieren. Gemeinsam mit dem Heidelberger Professor für Gerontologie, Andreas Kruse, sprach er sich in einem am Donnerstag veröffentlichten Memorandum dagegen aus, ältere Menschen verallgemeinernd zur Risikogruppe zu erklären, die isoliert werden müsse.

„Wir betrachten mit Sorge, wie in diesem Zusammenhang über die Gruppe älterer Menschen gesprochen wird“, schreiben Kruse und Cornelius-Bundschuh. In jedem einzelnen Fall müsse das Risikoprofil bestimmt werden. Auch bei uns in der Schweiz wird in der Debatte um künftige Lockerungen der bestehenden Kontakteinschränkungen zur Eindämmung der Pandemie diskutiert, ältere Menschen auch dann noch zu isolieren, wenn jüngere bereits wieder zur Normalität zurückkehren könnten. Als Begründung wird das mit dem Lebensalter steigende Risiko eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufs genannt. Nachstehend das lesens- und bedenkenswerte Memorandum im Wortlaut:

Das Memorandum im Wortlaut (leicht gekürzt)

Die öffentliche Diskussion über eine mögliche „Exit-Strategie“ aus den bisherigen Kontaktbeschränkungen nimmt immer mehr an Fahrt auf. Dabei werden Personengruppen definiert, für die die Einschränkungen fortbestehen sollen, und von Personengruppen abgegrenzt, für die diese Regelungen nicht mehr gelten sollen. Wir betrachten mit grosser Sorge, wie in diesem Zusammenhang über „die Gruppe der alten Menschen“ gesprochen wird. Für diese „Gruppe“ und weitere besonders schutzbedürftige Menschen sollen weiterhin restriktive Schutzbestimmungen gelten, während sich jüngere und gesunde Menschen dann wieder wie gewohnt im öffentlichen Raum bewegen können.

Hier sei festgestellt:

Es darf nicht sein, dass die „Gruppe alter Menschen“ verallgemeinernd zur Risikogruppe erklärt wird. Die Risiken einer Infektion sind im Alter zwar deutlich höher, sie sind aber bei allen Menschen erheblich. Es muss vielmehr in jedem einzelnen Falle ein potenzielles Risikoprofil bestimmt werden.

  1. In jenen Fällen, in denen ein Risikoprofil vorliegt, muss die betreffende Person ausführlich und sensibel über die Notwendigkeit einer stärkeren Isolierung aufgeklärt werden.
  2. Wenn eine stärkere Isolierung in Betracht gezogen wird, besteht eine erhebliche Gefahr, dass sich mittelfristig psychische Störungen einstellen, die ihrerseits Einfluss auf die Gesundheit und auf das emotionale und seelische Wohlbefinden des Menschen nehmen. Dies heisst: Wenn eine Quarantäne unausweichlich ist, dann muss diese so beschaffen sein, dass die Lebensqualität der betreffenden Person möglichst weit erhalten bleibt, auch wenn dies mit Kosten für die Allgemeinheit verbunden ist: Denn es bedarf einer ausreichenden Anzahl von Betreuerinnen und Betreuern, die entsprechend geschützt sind und die betreffenden Menschen in ihrer Alltagsgestaltung unterstützen. Zudem müssen die nächsten Angehörigen die Möglichkeit erhalten, regelmässig zu Besuch zu kommen – und zwar nach erfolgter Testung. Wir werden auch aus dieser Sicht nicht an einer deutlichen Erhöhung der Testangebote vorbeikommen.
  3. Keinesfalls darf so getan werden, als könnte man bei alten Menschen „einfach“ eine Isolierung fortsetzen, weil sich angeblich keine andere Lösung anbietet. Natürlich ist es richtig, dass der Gesundheitsschutz Priorität besitzt, der eigene wie auch jener der Mitmenschen. Aber es ist von grosser Bedeutung, dass die Lebensqualität des einzelnen Menschen berücksichtigt und alles dafür getan wird, dass diese Lebensqualität möglichst weit erhalten bleibt. Dazu gehören im hohen Alter vor allem Massnahmen der Aktivierung sowie der sozialen Teilhabe, aber auch der Sorge für die Seele. Diese Massnahmen können nicht allein von den Pflegekräften erbracht werden. Vielmehr sind diese auf umfassende personelle Unterstützung angewiesen.
  4. In dieser Krise erleben wir den Stellenwert des Gesundheits- und Pflegesystems neu. Allein der tägliche Applaus genügt für Pflegekräfte in Kliniken und Heimen nicht: Spätestens jetzt wird klar, mit welchen körperlichen, vor allem psychischen und kommunikativen Leistungen Pflege verbunden ist. Es ist dringend notwendig, dass sich diese Leistungen auch in angemessener Bezahlung widerspiegeln.
  5. Schliesslich warnen wir davor, dass sich eine Diskriminierung „der alten Menschen“ und anderer besonders schutzbedürftiger Menschen in unser Denken und Entscheiden einschleicht. Dann stehen auf einmal auf der einen Seite „die Alten“ und auf der anderen Seite „die Jungen“. Mit den einen würde „Produktivität“, mit den anderen das Stichwort „Kosten“ verbunden.
  6. Jedes Leben ist ein einzigartiges, unvergleichbares, von Gott geschenktes Leben, das unser gemeinsames Leben bereichert. Jeder Mensch, gleich welchen Alters, ist in seinen Stärken und Schwächen, in seinem Verständnis von Lebensqualität zu verstehen und anzusprechen. Wir wehren uns gegen Verallgemeinerungen, durch die dieses grundlegende Verständnis der Person verloren geht. Gerade in Krisenzeiten muss sich unser Bild vom Menschen und seiner Würde im Umgang mit denen bewähren, die in besonderer Weise auf Schutz und Unterstützung angewiesen sind; nur dadurch bleiben wir eine humane und solidarische Gesellschaft.

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12 Kommentare

  1. Diese Altersdiskrimierung muss aufhören! Man kann sich doch nicht von einer Zahl (65) diktieren lassen wie man zu leben hat. Ich bin froh das der Bund den Kanton Uri zurück gepfiffen hat. Wir müssen aufpassen, dass man nicht noch Würdeloser mit uns umgeht.

  2. tatsächlich gibt es «gesunde» ältere Menschen, denen einfach der Boden unter den Füssen weggenommen wurde – obwohl sie noch voll im Arbeitsprozess waren, und dies aufgrund ihres Alters jetzt nicht mehr dürfen. Viel gesünder und immunstärkender ist es, diese «Altpersonen» weiterhin – im Rahmen der Schutzmassnahmen – ihren Geschäften nachgehen zu lassen. Ich meine damit aber nicht, im Auto unterwegs zu sein, Spazierfährtli und so. Die Bestimmung Alter 65 ist für mich zu niedrig – ältere Menschen sind heute (Industrieländer) länger rüstig und gesund, nicht alle «kosten» … und im Moment sind wir die sichere Gruppe, die Rechnungen und Steuern bezahlen kann … solange die Renten gesichert sind und das sind sie auch. Generell wirkt es tatsächlich diskriminierend, denn jedem gehört die Würde, sie ist unantastbar und für alle gleich! Hier entsteht die Meinung alt = krank

  3. Alte, bleib zu Hause!
    Seit dem 16. April bin ich eine hilfsbedürftige Person, nein, keine Krankheit, sondern auf Befehl des Bundesrates, weil vor 1955 geboren. Ich soll im Haus bleiben und Hilfe anfordern, z.B. für Einkäufe (wir helfen dir so gerne, aber nicht gerade jetzt, da sind auch noch die Kinder und ihre Hausaufgaben, der Job im Homeworking, sagt man mir). Dabei kann ich doch selbst einkaufen, habe auch keinen Angst vor dem Virus, verfüge über ein gutes Immunsystem.
    Alles was mein Leben lebenswert machte, ist gestrichen: Enkel, Englisch, Skizzieren, Theater, Begleitservice für Ältere, Freunde. Meine Töchter beginnen, mich zu kontrollieren, beargwöhnen meinen täglichen kurzen Gang zum See: «Wo warst du denn heute wieder? Wegen dir nehmen wir alle diese Einschränkungen auf uns. Bleib zu Hause – wegen dir droht uns die Ausgangsperre!»
    Klar mache ich, was verordnet wird, aber: Für die Festsetzung der Grenze zwischen Alt und Jung oder gesund und krankheitsanfällig wurden kaum Vertreter der Generation der Alten befragt. Ich kenne (zum Glück) keinen einzigen an Ovid 19 Erkrankten. Im nächsten Jahr wären wir vielleicht dankbar, wenn eine grosse Zahl von Menschen sich durch die Krankheit geseucht und Abwehrstoffe entwickelt hätte.

  4. Lieber Reiner, liebe Edita, liebe Brigitte
    Mit euren Kommentaren habt ihr mir aus dem Herzen gesprochen!! Auch ich bin eine junge Seniorin, in jeder Beziehung voll fit und Herrin meiner Sinne! Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dass wir uns wehren, sei es mit Leserbriefen oder Petitionen. Ich kenne einige Menschen in meinem Alter, die von dieser Altersdiffamierung langsam die Nase voll haben. Wehren wir uns also. Wir können auch zum Mittel des zivilen Ungehorsams greifen, indem wir tun, was wir für richtig halten! Sucht euch Mitstreiter in eurer Umgebung, irgendwann bringen wir eine Petition zustande. Wir lassen uns nicht einsperren!
    Natürlich halte auch ich die Regeln der Hygiene und des Abstandes ein, alles durchaus sinnvoll.
    Aber wir Menschen zwischen 65 und 79 sind nicht hochaltrig. Wir sind auch nicht dumm und renitent!
    Wehren wir uns, sonst tut es keiner!

    • Danke für diesen Kommentar, ich finde auch das die meisten von uns sicher selber auf sich aufpassen können und auch tun, ich möchte mich nicht länger bevormunden lassen,und meine Entscheidungen selber treffen können, ich gehe kein unnötiges Risiko ein, aber nach fast 4 Wochen zu Hause möchte ich wieder einmal selber einkaufen können, werde sicher bis zum 26.April den Empfehlungen folgen aber anschliessend möchte ich auch wieder meinen gewohnten Aufgaben(Freiwilligen Arbeit) nachgehen können,
      genau Wehren wir uns

      • Wissen diese sogenannten Jungen, die uns weiterhin einsperren wollen, eigentlich, was Lebensqualität im Alter bedeutet? Ganz sicher nicht, wochenlang alleine in der Wohnung zu sitzen und keinen einzigen lebendigen Menschen mehr sehen! Meine Depression wird grösser und grösser, ich möchte wieder raus und mein gewohntes Leben fortführen. Ich möchte wieder unter Menschen und ich brauche dringend Umarmungen und Liebe anstatt Ausgrenzung und Diskriminierung! Und….ich bin gesund! Ich habe ein sehr aktives Leben! Bitte, bitte, gebt uns unser Leben wieder zurück!

  5. Die auffindbaren Statistiken sind mangelhaft bis schlecht, trotzdem dürften untenstehende Zahlen (*) etwas gut zeigen:
    99% der Todesfälle (mit oder durch?) COVID-19 sind über 50 Jährige. Nur 1% darunter! Wir sind also stärker gefährdet.
    Da verstehe ich (76-jährig – bei bester Gesundheit), dass man uns etwas separiert. Die jetzige Regelung ist kurzfristig sicher sinnvoll und erträglich.
    Da ein Impfstoff auf sich warten lassen dürfte (Validierung …) muss lange vorher wieder vernünftig gearbeitet werden können. Wenn es dazu einige weitere Monate eine Teilung in Altersklassen gibt, habe ich auch Verständnis. Wir kommen ja wohl nicht um eine kontrollierte Durchseuchung mit allen negativen Erscheinungen herum.
    Aber 2 Dinge vermisse ich schon seit Wochen sehr:
    – Eine gute Schätzung der Verbreitung, inkl. wieviele sind schon immun (Querschnitt-Tests analog zu Umfragen vor Abstimmungen)
    vielleicht alle 2 bis 4 Wochen zu wiederholen, um die Entwicklung beurteilen zu können
    – Darauf basierend eine den Umständen entsprechend klare Kommunikation der weiteren Strategie in ihrem geschätzten zeitlichen Verlauf.
    Auch sollte es – wenn diskriminierende Vorschriften erlassen werden – möglich sein, sich auf Immunität testen zu lassen. Es ist ja sinnlos, schon immune Aktive den gleichen Restriktionen zu unterwerfen.
    Immerhin könnten wir – wie bisher – die Jungen entlasten, wenn wir dürften. (zB Enkel hüten :-), schulisch betreuen, … )
    (*) DEATH RATE BY AGE all cases
    80+ years old 14.8%
    70-79 years old 8.0%
    60-69 years old 3.6%
    50-59 years old 1.3%
    40-49 years old 0.4%
    30-39 years old 0.2%
    20-29 years old 0.2%
    10-19 years old 0.2%
    0-9 years old no fatalities
    (Quelle: https://www.worldometers.info/coronavirus/coronavirus-age-sex-demographics/)

    • sailorgh: Die aufgeführten Zahlen sind nicht relevant für die Schweiz. Da sind die Prozentsätze wesentlich niedriger. Italien, Spanien, USA haben ein wesentlich schlechteres Gesundheitswesen ergo mehr Todesfälle. In Hamburg starb keine einzige Person ohne Vorerkrankungen. Und ausserdem hier ein Zitat aus der NZZ: «Im Schnitt sterben pro Woche etwa 400 Menschen an Herz- oder Kreislaufversagen und rund 330 Personen an Krebs. Doch die Schlussfolgerung, dass Covid-19 mit derzeit 200 Opfern pro Woche plötzlich zu den häufigsten Todesursachen gehört, lässt sich daraus nicht ableiten.» Und: «Während der Grippewelle von 2015 starben zwischen Mitte Januar und Ende März gar über 17 Prozent Menschen mehr, als zu erwarten gewesen wäre. Auf dem Höhepunkt lag die Sterberate bei den über 65-Jährigen um fast ein Drittel höher als sonst. Im selben Jahr kam es zudem wegen einer Hitzewelle im Juli erneut zu einer leicht erhöhten Sterblichkeit.»

    • Die aufgeführten Zahlen sind nicht nur nicht relevant für die Schweiz – sie sagen für sich allein gestellt nicht das Geringste aus. Kennen Sie die Vorerkrankungen der Verstorbenen oder wissen Sie, wie lange die Verstorbenen ohne COVID-19 (noch) gelebt hätten?
      Zudem scheint mir vollkommen logisch – je fortgeschrittener an Jahren ich gelebt habe, je wahrscheinlicher wird es, dass ich abberufen werde.
      Nie im Leben würde ich mich mittels Injektion gegen irgend etwas impfen lassen!
      Zitat: «Ist 70 das neue 50? Aktuelle Studiendaten zeigen: 75-Jährige sind heute kognitiv fast 20 Jahre „jünger“ als vor zwei Jahrzehnten. Zitatende
      Mit meinen 74 Jahren bin ich gesünder, kraftvoller und ausgeglichener als noch vor 10 Jahren – mit Ausnahme, dass ich zurzeit aus bekannten Gründen eine erhöhte Gereiztheit bei mir wahrnehme.

  6. Genau, ihr sprecht mir alle aus dem Herzen! Stimmt, wir können selber auf uns aufpassen! Vielleicht gibt es ja einige Unbelehrbare in unserer Altersklasse. Aber….ich höre viel mehr von den Jungen, die sich noch immer zusammenrotten und sich an den diversen Ausflugsorten treffen, die bis vor kurzem, als wir Alten schon längst eingesperrt waren, sogar noch Parties gefeiert haben. Der allergrösste Teil von uns «Alten» hält sich konsequent an alle Regeln!!!!! Wenn ich noch lange zuhause bleiben muss, drehe ich durch! Und noch was: wenn dann wirklich die Läden wieder geöffnet werden….wer soll denn dann dort einkaufen gehen, wenn wir nicht raus dürfen? Ist es nicht so, dass gerade die ältere Generation, wenigstens ein Grossteil davon, über Erspartes Geld verfügt, das nun, im Alter, auch ausgegeben werden darf?

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