Das erste Manuskript war ein Wörterbuch mit berndeutschen Ausdrücken aus der Haut-, Haar- und Nagelmedizin. Es trug den Titel «Vom Aamal zur Zytrusse u vom Bybeli zum Puggel». Verfasst hatte das Unikat der Thuner Dermatologe und Kunstsammler Dr. med. Dr. h.c. Hans Suter.
Als die Gwatter Verlegerin Annette Weber die ungewöhnliche Wortsammlung 2017 in die Hände bekam, hatte sie eine Idee: Sie schlug dem Autor vor, das ungewöhnliche Wortverzeichnis durch eine ausführliche Selbstbiografie und sechzig ausgewählte Werke aus Suters Kunstsammlung zu ergänzen. Entstanden ist ein spannendes, qualitativ hochstehendes Buch, das die wichtigsten Facetten, Leidenschaften, Engagements des Thuner Arztes umfasst. Quasi eine reich bebilderte Biografie vor dessen Ableben. Suter ist 90jährig und lebt mit seiner Ehefrau in Fahrni bei Thun.
Marlies und Hans Suter vor dem Gemälde «Weisse Wolke» von Bendicht Friedli.
Im ersten Teil schildert der Autor ausführlich seine Herkunft, seine Jugend und sein Studium. Liebevoll beschreibt er seine langjährige Ehe mit Marlis Suter-Trächsel, das gemeinsame Familienleben, die Kinder, seinen beruflichen Werdegang. Hans Suter führte von 1965 bis 2004 eine Hautarzt-Praxis in Thun. Bis 2005 lehrte er an der Universitätshautklinik des Berner Inselspitals. Spannend klingt auch sein Beziehungsnetz, das weit über die Medizin in die Kultur, Politik und Wirtschaft hinein reicht. 2006 wurde Suter Ehrendoktor der Medizinischen Fakultät der Universität Bern.
Der Kunstteil wird eingeleitet durch Pastellzeichnungen des Autors, die Assoziationen an das Schaffen von Paul Klee wecken. Das ist kein Zufall. Suter ist ein Klee-Kenner und Klee-Fan. 1979 stand er wegen seiner Nachforschungen über Klees Krankheit in Kontakt mit dessen Sohn. Anlässlich eines öffentlichen Vortrags konnte der Arzt Felix Klee im Rittersaal auf Schloss Thun persönlich begrüssen und befragen. Nach Suters Erkenntnissen litt Paul Klee an der Autoimmunkrankheit Sklerodomie. Die sechzig im Buch abgebildeten Kunstwerke stammen allerdings nicht von Klee, sondern von mehr oder weniger bekannten Berner Künstlerinnen und Künstlern, viele mit Motiven aus dem Berner Oberland. Die alphabetisch geordnete Darstellung reicht von Anna von Allmens bis Emil Zbinden.
1600 berndeutsche Mundartbezeichnungen
Nicht weniger originell ist der dritte Teil des Bandes, das eingangs erwähnte Wortverzeichnis. Bei der umfassenden Zusammenstellung von 1600 berndeutschen Mundartbezeichnungen verschiedener Hautkrankheiten handelt es sich um ein wenig erforschtes Thema im Grenzbereich zwischen Medizin und Etymologie. Die Ausdrücke sind in alphabetischer Reihenfolge gelistet, werden durch Synonyme und deren regionale Herkunft ergänzt. Neben Ausdrücken aus dem Kander-, Engstligen- und Simmental sind auch solche aus dem Haslital, aus dem Emmental, dem Oberaargau sowie den Städten Thun und Bern aufgeführt. Für den Sprachwissenschaftler Peter Glatthard ist Suters Sammlung ein «medizinisch-sprachlich-künstlerisches Kleinod – ein Gesamtkunstwerk».
Zum Schluss dieser Besprechung noch die Auflösung der im Titel wiedergegebenen volkstümlichen Mundartausdrücke: «Gjätt» steht für eine harmlose, aber kosmetisch störende «Alterswarze» am Rumpf; «e Lugihoger» und «e zwöite Gring» ist eine baumnussgrosse Talgcyste an der Stirn oder auf dem Haarboden; unter «Luusezybi» versteht man einen glatten Scheitel, auf dem die Läuse hinabgleiten können («Zybi» = Gleitbahn auf dem Eis oder auf vereister Strasse); «es Muusfääli» ist ein grosses, behaartes, braunes Muttermal, «Märzendräck» sind Sommersprossen.
«Hans Suter, Sein Leben, Seine Sammlungen», 436 Seiten, 108 Abbildungen, ist im Weber Verlag Gwatt erschienen und im Buchhandel erhältlich.