Wenn wir einem Bänklein begegnen, wird uns warm ums Herz. Irgendwie berührt es. Und ein jeder von uns erinnert sich an alte Bilder, wo das Grossmüetti, strickend, und der Grossvater, Pfeife rauchend, vor ihrem mit Geranien geschmückten «Stöckli»* sitzen. Gemütlich nebeneinander. Es ist Feierabend.
Ob urchig aus einem Baumstamm am Waldrand oder perfekt vom Schreiner hergerichtet am Wegrand, ob elegant, geradezu als Kunstwerk erarbeitet auf der Tramstation Central in Zürich oder einfach richtig grosszügig vor dem Landesmuseum – überall lädt uns ein Bänkli ein, ein paar Minuten innezuhalten, nachzudenken, durchzuatmen, einen Augenblick im eigenen Glück zu verweilen.
Eine Stadt ohne Bänkli wäre irgendwie lieblos. Natürlich kosten all die Sitzmöglichkeiten die Öffentliche Hand etwas und damit auch den Steuerzahler, und zwar nicht nur für die Herstellung, sondern auch für den Unterhalt. Denn Bänkli sollen sauber sein, jeden Tag sich den Ruhesuchenden in ihrer besten Form präsentieren. Bänkli kosten also etwas – aber, wie froh nach einem Einkauf die vollen Taschen abstellen zu können. Und was für ein Geschenk für manch einen Obdachlosen, der im Sommer einen Ruheplatz darauf findet und sich ausstrecken kann. Da hat kein Zweiter mehr Platz. Dieser Ort gehört für ein paar Stunden einfach ihm. Bänkli sind soziale Institutionen. Ich würde sogar sagen: notwendige soziale Einrichtungen.
Bänkli mit einer Widmung
Es gibt Bänkli, meistens eher auf dem Land, auf denen die Spender eingeritzt sind: «Friedi und Rolf», «für s’Grosi», «Hans und Vreni – 1958» usw. Hier wollten längst Verstorbene der Allgemeinheit einen gemütlichen Platz zum Nachdenken sichern. Irgendwie geheimnisvoll. Auf meinem täglichen Spaziergang hat ein solches Bänkli nun seine Lehne verloren. Sie ist einfach abgebrochen. Jahrzehnte hat sie vielen Menschen den Rücken gestützt. Nun ist das Bänkli alt – morsch ist es. Die jüngeren Lasten sind ihm zu schwer geworden. Da hat es aufgegeben. Einfach so!
Eine Erinnerung
Ich erinnere mich an einen Kantonsratskollegen. Es war vor 50 Jahren. Er war ein stolzer Landwirt, der sich für «meine»** Konsumentenfragen interessierte. Auch für mich waren unsere Diskussionen eine Bereicherung. Als ich eines Tages seinen Hof besuchen durfte, fiel mir auf dem Vorplatz ein herrlicher Lindenbaum auf. Hier sollte sich ein Bänkli rund um den Stamm biegen, fand ich. Denn hier müsste es wunderbar sein, zu philosophieren und zu plaudern. In jugendlichem Übermut dachte ich damals, ihm für die alten Tage ein Bänkli zu spenden. Unterdessen sind Jahrzehnte vergangen. Wir haben uns längst aus den Augen verloren. Doch der Gedanke an mein Versprechen gibt mir heute noch zu schaffen.
Oder Goethe!
Auf einem Bergbänkli zu sitzen und ins Tal hinunterzuschauen, gibt einem schon fast ein erhabenes Gefühl. Man möchte jauchzen, Lieder singen oder auch einfach still verweilen. So ein Plätzchen scheint schon J.W. Goethe fasziniert zu haben. Im Landesmuseum findet sich eine Zeichnung, die den Namen «Goethe-Bänklein» trägt. Sie zeigt eine Landschaft oberhalb von Stäfa und öffnet zauberhaft den Blick von einem Bänkli aus auf den Zürichsee und die Alpen. 1931 hatte ein H. Hintermeister diese Zeichnung vollbracht. Es heisst, Goethe habe hier gesessen. Hat er sich hier vielleicht eines seiner wundervollen Gedichte ausgedacht?
Gesellschaftliche Momente
Wie gesagt, eigentlich sind Bänkli soziale Institutionen. Und erst noch sehr günstige, könnte man sagen! Wer hat sich nicht schon auf ein Bänkli gesetzt, auf dem er oder sie schon jemand Anderen getroffen hat: Schön ist es hier! Ah, was für eine Wohltat! Wunderbar, diese Aussicht! Man sucht nach geeigneten Worten. Und aus manch einer Plauderei ist ein persönliches Gespräch entstanden. Oder eine neuerliche Begegnung hat einen zu einem späteren Kaffeekränzli verführt.
Auf dem Marktplatz in Zürich-Oerlikon treffen sich bei schönem Wetter pensionierte Fremdarbeiter, wie man früher sagte. Sie verfolgen jeweils gespannt das Schachspiel ihrer Kollegen. Zu viert oder fünft sitzen sie auf den Bänklein, stundenlang. Ein vertrauter Begegnungsort. Ein Ort, wo man miteinander reden kann, in der eigenen Muttersprache.
Miteinander reden können! Was uns das bedeutet, wissen wir seit Corona sehr genau. Das Miteinandersein, zusammen einen Gedanken austauschen, das Sich-Verstanden-Fühlen, war im vergangenen Jahr oft nicht einfach. Wir erkannten dadurch plötzlich seinen grossen Wert, ja, seine Notwendigkeit. Nun, mit den hoffentlich bald Wirklichkeit werdenden Lockerungen werden sich all die vielen Lebens-Türen wahrscheinlich wieder öffnen. Wir werden mit der Zeit die Begegnungen wieder selbstverständlicher nehmen. Aber auf einem Bänkli sitzen bleibt ein herrliches und spezielles Gefühl. Es ist wie eine Liebeserklärung!
*Ein Stöckli (Mundart) ist ein Häuschen für die Grosseltern, das in verschiedenen ländlichen Kantonen neben dem Bauernhaus steht.
**Ich war damals Präsidentin des Konsumentinnenforums der Deutschen Schweiz und des Kantons Tessin.
Un banc pour s’asseoir
Merci à Monika Weber pour son bel article.
En effet, ce besoin de s’asseoir un moment devient un plaisir lorsqu’il y a un banc ou un siège.
Ces rencontres «debout» où aucun siège n’est disponible pour les personnes âgées est triste et déplorable.
André Durussel, Autor A*dS (1938)
C’est moi qui vous remercie pour vos gentils mots, cher Monsieur Durussel.
Cordialement
Monika Weber
Liebe Monika,
ich finde heutzutage darf man das Wort „Fremdarbeiter“ nicht mehr benutzen. Es ist entwürdigend. Ich würde auch den Ausdruck „Gastarbeiter“ nicht verwenden, da er euphemistisch ist. Vielleicht wäre es am besten, einfach von pensionierten Männern zu reden. Ist es für Deinen Text über Bänkli wichtig, aus welchem Land die Männer stammen, die dort sitzen?
Herzliche Grüsse Annette
Liebe Frau Brunschwig, auch Ihnen herzlichen Dank für Ihre sinnigen Zeilen. Ich denke wie Sie, darum habe ich es so geschrieben. Und ich finde es schön, auf seine Muttersprache angesprochen zu werden. Also vielen Dank, ich werde über alles nachdenken.
Herzlichst
Monika Weber
Liebe Frau Weber
Anlässlich meines 70. Geburtstages organisierte meine Familie ein unvergessliches Fest für mich. Anstelle von Geschenken spendeten die Gäste einen Obolus für ein «Bergbänkli» in meinem geliebten Engadin, wo wir auch eine Ferienwohnung besassen. Dieses Bänkli ist nun mein Refugium geworden. Nach dem Tode meines Mannes übergaben wir die Asche, seinem Wunsch entsprechend dort der Natur und auch meine wird einmal bei unserem Bänkli verstreut. Jedes Jahr besuche ich unser Bänkli, zünde ein Kerzli an und geniesse die herrliche Aussicht!
Schöne Grüsse
Ursula Feigel