StartseiteMagazinKulturIst der Wald noch zu retten?

Ist der Wald noch zu retten?

Die Beziehung der Menschen zum Wald hat sich in den letzten Jahrhunderten gewandelt. Dass dies sowohl Kultur als auch Kunst beeinflusst, zeigt die Ausstellung «Im Wald – Eine Kulturgeschichte» im Landesmuseum Zürich.

Seit Urzeiten wird der Wald von den Menschen genutzt. Durch die Pandemie hat er in unserer Gesellschaft neue Wertschätzung erhalten. Die Reisebeschränkungen führten dazu, dass der Wald als Ort der Erholung vermehrt aufgesucht wurde. Das soeben veröffentlichte Waldmonitoring, eine periodisch durchgeführte Bevölkerungsumfrage bestätigt, dass der Wald bei der Bevölkerung beliebt und wichtig ist und man sich um ihn sorgt.

Die Werkzeuge zur Holzbearbeitung weisen auf die Härte der Waldarbeit.

Die Ausstellung präsentiert in fünf Kapiteln unterschiedliche Aspekte des Waldes, von der Abholzung und Nutzung, über die künstlerische Darstellung, den Naturschutz bis zur Bedeutung des Waldes heute. Im Innenhof des Landesmuseums kann man sich auf die Holzbank der Arena für einen Baum setzen mit Blick auf den abgestorbenen Birnbaum im Zentrum und darüber sinnieren. Der in Basel arbeitende Künstler Klaus Littmann hat diese Kunstintervention als Mahnmal für die Zerstörung der Natur durch den Menschen sowie als visueller Appell zum Handeln gestaltet.

Klaus Littmann «Arena für einen Baum», Foto: rv. Die Installation im Innenhof des Landesmuseums ist begehbar und bietet auf der umlaufenden Tribüne 50 Personen einen Sitzplatz mit Blick auf den Hauptakteur im Zentrum.

Der erste Teil der Ausstellung gibt einen historischen Rückblick auf die Waldnutzung von den archäologischen Epochen bis zum 19. Jahrhundert. Schon die Römer holzten grosse Teile des Mittelmeerraumes für den Schiffbau ab, aber auch um ihre Bäder zu beheizen. Der Siedlungsbau im Mittelalter ging ebenso auf Kosten des Waldes. Und bis heute ist der Gebrauch von Holz als Brennstoff, Baustoff und Werkstoff zur Herstellung zahlreicher Gebrauchsgegenstände, auch von Papier, nie aus dem Alltag verschwunden.

Ernest Biéler (1863-1948), Laubsammlerin, um 1909. Musée d’art du Valais, Sion, © Musée cantonaux du Valais, Sion. Foto: Michel Martinez. Jahrhundertelang wird Laub dem Vieh verfüttert. Es dient auch als Streumaterial für Ställe oder Füllmaterial für Bettsäcke.

Ein weiterer Teil der Ausstellung ist der künstlerischen Darstellung des Waldes gewidmet. Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert entdecken Künstler den Wald als Bildmotiv, entwurzelte Tannen zeigen ihn als romantisch-idealisierte Wildnis. Je mehr der Wald infolge der Industrialisierung zerstört wird, desto überhöhter erscheint er in der Kunst und Literatur. Viele Maler arbeiten nun im Freien, wie etwa in Frankreich die Schule von Barbizon im Wald von Fontainebleau oder der Luzerner Robert Zünd, der den Wald in beinahe fotorealistischer Manier wiedergibt. In der Literatur erhält der Wald zudem auch einen drohenden Aspekt, etwa in den Märchen der Gebrüder Grimm.

Robert Zünd, Eichwald, 1859, © Kunstmuseum Luzern, Foto: Roberto Pellegrini. Robert Zünd malte den Eichenwald mehrmals fast identisch in seinem akribischen Malstil.

Im 20. Jahrhundert distanzieren sich Künstlerinnen und Künstler vom Gegenständlichen und experimentieren mit dem Material, bis der Aktionskünstler Joseph Beuys den Weg für eine neue Form der politischen Kunst ebnet. 1972 ruft er mit 50 Kunststudierenden zur Rettung des Waldes auf, 1982 lässt er im Rahmen der documenta 7 in Kassel 7000 Eichen pflanzen.  Der Wald symbolisiert nun den Kampf für Natur- und Umweltschutz.

Osvaldo Pitoe, ohne Titel, 2015, Sammlung Artes Vivas, Verena Regehr Gerber. Die Bilder aus dem paraguayischen Gran Chaco von Osvaldo Pitoe erinnern an die Bedeutung des Waldes, der durch die Abholzung gefährdet ist.

Zeitgenössische Kunstschaffende reagieren auf den Klimawandel und die wirtschaftliche Ausbeutung der Natur. So ist etwa vom Schweizer Fotografen Guido Baselgia aus seinem jüngsten Werkzyklus Als ob die Welt zu vermessen wäre der grösste Baum des Regenwaldes, der Ceibo, zu sehen, ebenso Werke von Franz Gertsch oder von Thomas Struth. Und Denise Bertschi verweist mit Helvécia, Brazil, 2017-2022 auf den Zusammenhang von Abholzung, Waldnutzung und Sklavenarbeit.

1924 zerstört ein Erdrutsch einen Teil des Dorfes Someo im Valle Maggia. Die häufigen Erdrutsche im Tessin sind eine Folge der grossflächigen Rodungen der Schutzwälder für den Holzhandel im 19. Jahrhundert. Foto: Anton Krenn, 1924, ETH-Bibliothek, Zürich.

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert steigt der Bedarf an Holz so exzessiv, dass die riesigen kahlen Flächen in den Berggebieten vermehrt zu Murgängen und Lawinen führen. Die Übernutzung und Zerstörung der Waldgebiete bringt gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Idee eines Schweizerischen Nationalparks hervor, gefördert vom Bündner Forstingenieur Johann Wilhelm Coaz und dem Basler Naturforscher Paul Sarasin. 1914 wird der erste Nationalpark im Gebiet des Ofenpasses eröffnet.

An der Forstschule der ETH Zürich werden seit 1855 Fachleute zum Schutz der Wälder ausgebildet. Im Bild: Studienabgänger und Professoren, 1866. Foto: Archiv Eidg. Forschungsanstalt WSL, Bildarchiv Knuchel-ETH, 1892-1952.

Im 20. Jahrhundert rückt der Regenwald ins Bewusstsein. 1945 reisen Armin Caspar und die Künstlerin Anita Guidi in das Amazonas-Gebiet, um auf die Wälder und ihre Bewohnerinnen und Bewohner aufmerksam zu machen. 50 Jahre später bezahlt Bruno Manser seinen Kampf gegen die Abholzung in Malaysia mit seinem Leben.

Tagebuch von Bruno Manser, das er während seines Aufenthaltes bei den Penan in Sarawak von 1984 bis 1990 führt. Er beschreibt und zeichnet detailgetreu, was er sieht. © Museum der Kulturen Basel.

Das letzte Kapitel ist der heutigen Bedeutung des Waldes gewidmet. Dank der Aufforstung sind rund 30 Prozent der weltweiten Landoberfläche mit Wald bedeckt. Doch durch Abholzung, Brände und Klimawandel werden laufend grosse Waldflächen vernichtet. Und so bleibt am Ende der Ausstellung die Frage: Ist der Wald noch zu retten?

Titelbild: Blick in die Ausstellung
Bilder: © Schweizerisches Nationalmuseum

Bis 17. Juli 2022
«Im Wald. Eine Kulturgeschichte» im Landesmuseum Zürich, weitere Informationen hier
Publikation mit verschiedenen Essays, Hrsg. Schweiz. Nationalmuseum, Zürich 2022, CHF 35.00

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