Romy (79), wohnt in Wettingen in einer Alterswohnung mit Lift. Sie hat früher im Service und in der Reinigung gearbeitet. Romy ist verwitwet und kinderlos:
Meine Wohnung ist sehr schön. Sie ist gross und gut geschnitten. Weil mein Mann beim Einzug vor fünf Jahren noch lebte, habe ich eine zweieinhalb Zimmer Wohnung. Rund zwei Drittel der Alterswohnungen hier sind Einzimmerwohnungen, da kann man natürlich keine Gäste einladen. Deshalb gehen wir immer zu mir, wenn ich mit meinen Kolleginnen einen Kaffee trinke oder ein Spiel mache. Mein Mann ist im letzten Jahr an Corona gestorben. Zum Glück war ich gleichzeitig ebenfalls mit Corona im Spital, so konnten wir uns voneinander verabschieden. Sonst hätte ich wohl gar nicht zu ihm gehen dürfen. Am Schluss sagte er immer «ich will ins Meer». Er hatte grossen Durst und er war schon immer ein Wassermensch. In seiner Freizeit ging er immer gerne fischen. Deshalb hatten wir für die Pensionierung unseren Traum verwirklicht und sind in ein Chalet auf einen Campingplatz am Rhein gezogen. Es war 10 Meter lang und 3.7 Meter breit. Wir hatten alles: Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Gästezimmer, Dusche und in einem Geräteraum auch eine Waschmaschine, einen Tumbler und einen Gefrierschrank. Nur Heizung hatten wir keine eingebaut. Das brauchte es auch nicht, denn im Winter sind wir jeweils weggefahren. Wir hatten Hapimag-Aktien und konnten so in der ganzen Welt herumreisen. Als bei meinem Mann Makula diagnostiziert worden war, haben wir uns aber entschieden, nicht mehr herumzureisen, sondern immer an den gleichen Ort zu gehen. So verbrachten wir siebenmal den Winter in Bodrum in der Südtürkei.
Für die Organisation der Reisen war ein Computer unerlässlich.
Nach 16 Jahren haben wir das Chalet und den Standplatz verkauft. Mit der Krankheit meines Mannes war das Leben auf dem Campingplatz mit der Zeit zu anstrengend geworden. Zum Glück haben wir diese Alterswohnung gefunden. Es gefällt mir hier sehr gut. Besonders am Anfang hatten wir eine sehr offene Stimmung im Haus. Es gab eine Weihnachtsfeier mit Musik, einen Osterbrunch, Jass Turniere, gemeinsame Mittagessen und vieles mehr. Doch dann erkrankten der Hauswart und seine Frau, die das alles organisiert hatten. Und dann kam Corona. Jetzt haben wir einen Hilfs-Hauswart und in den allgemeinen Räumen ist es ruhig geworden. Ein paar Frauen kenne ich vom Lift oder von Begegnungen auf dem Gang. Sie kommen immer gerne zu mir, weil ihre Wohnungen so klein sind.
Ich koche jeden Tag, für meinen Bruder und mich. Er wohnt in der Nähe, ebenfalls in einer Alterssiedlung. Wir sind eine Art Schicksalsgemeinschaft. Er fährt mich zum Arzt und zum Einkaufen und ich koche jeden Tag für ihn. Ausser am Sonntag, da gehen wir meist auswärts essen. Manchmal haben wir auch Auseinandersetzungen – aber wir müssen beide vernünftig sein, denn wir brauchen einander.
Den Wandschmuck nahm Romy zuerst ins Chalet mit und später in die Alterswohnung.
Ich habe einen Notrufknopf vom Roten Kreuz, den ziehe ich zum Duschen an. Mein Bruder ist der erste Kontakt, aber ich hatte noch nie einen Notfall. Ich war der erste Kontakt bei einer Nachbarin, aber nach einigen Fehlalarmen in der Nacht musste ich diese Aufgabe wieder abgeben. Ich habe mit meinem Lungenkrebs nur noch beschränkte Energie.
Seit meinem Sturz kommt jede Woche eine Reinigungshilfe von Pro Senectute, die auch die Bettwäsche macht. Den Rest erledige ich noch selbst. Wenn ich ein Problem hätte, würde ich es zuerst mit Spitex versuchen. Und für den Fall, dass ich es nicht mehr allein schaffe, bin ich im Pflegeheim angemeldet. Aber dorthin möchte ich lieber nicht – es ist auch zu teuer.
Bisherige Beiträge der Serie “Wohngeschichten”:
Zur Kolumne: Weil mich Wohngeschichten schon immer fasziniert haben, rede ich mit Menschen im letzten Lebensdrittel über das Thema Wohnen. Welche Bedeutung hat die Wohnung für eine Person? In welcher Lebensphase sucht man sich eine neue Wohnung? Was ist den Leuten wichtig? Ich freue mich jedesmal auf die Begegnung mit den spannenden Menschen und ihren Wohngeschichten.