Konrad und Agatha (76, 77) leben in einem Bergdorf in einer kleinen Parterrewohnung. In ihrer Nachbarschaft wohnen ihre 4 Kinder und ihre 9 Enkel:
Gross ist es nicht, aber für uns reicht es gut. Wir haben vor 17 Jahren mit unserer Tochter die Wohnung getauscht. Sie wohnte in der kleinen Wohnung im Parterre und wir in der grossen Familienwohnung. Nun ist das umgekehrt. Schon als wir das Haus gebaut hatten, rechneten wir damit, dass wir später in die kleine Wohnung umziehen würden. Wir sind sehr heimat- und familienverbunden. Deshalb war es für uns klar, dass wir im Dorf bleiben wollten, als Konrad seine Stelle verloren hatte. Lieber einen Berufswechsel als im alten Beruf bleiben und einen neuen Wohnort suchen. Zum Glück hat das gut geklappt. Überhaupt hatten wir Glück, dass wir diesen Bauplatz kaufen und den Hausbau finanzieren konnten. Das ging nur mit Hilfe aus der Verwandtschaft.
Am Anfang lebte die Mutter von Konrad in der kleinen Wohnung, wir waren im ersten Stock und im zweiten Stock wohnte eine Schwester von Agatha mit ihrer Familie. Heute wohnen unsere Töchter mit ihren Familien in diesem Haus und der Sohn und eine Tochter mit ihren Familien im Nachbarhaus. Es war sehr schön, dass die zwei ältesten Kinder gemeinsam das Nachbargrundstück erwerben konnten. So leben wir hier inmitten von unseren Kindern und Enkelkindern. Im Sommer sitzen wir am Abend manchmal draussen zusammen und trinken ein Bier. Und am Dienstag gibt es seit vielen Jahren den «Enkelznacht» bei uns. Dafür haben wir einen Chat eingerichtet und alle können sich an- oder abmelden. Mittlerweile sind unsere Enkel schon gross und haben auch andere Verpflichtungen. Manchmal kommen fast alle, oft sind es zwei oder drei.
Uns gefällt es sehr gut, so nahe bei den Kindern zu leben. Aber wir erwarten nichts von ihnen. Wir möchten nicht, dass sie uns einmal pflegen müssen. Solange einer von uns noch mobil ist, bleiben wir zusammen hier. Wenn das nicht mehr geht, würden wir vermutlich in ein Altersheim im Nachbardorf, gehen. Das planen wir jetzt noch nicht konkret, aber wir nähern uns dem Gedanken an. So gehören wir seit einiger Zeit zum Helferteam in einem Alterszentrum. Unsere Nichte ist dort verantwortlich für die Aktivierung. Sie führt einen Helferchat, zum dem rund 30 Personen gehören. Wenn sie für einen Singnachmittag, für einen Ausflug oder für den Herbstmarkt Helferinnen und Helfer braucht, stellt sie das auf den Chat und man kann sich melden, wenn man Zeit und Lust hat.
Wir sind hier tatsächlich so etwas wie eine Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft. Aber alle gehen ihre eigenen Wege. Wir waren uns einig, dass wir das Haus verkaufen wollten. Wir haben das Haus ohne Wohnrecht verkauft, so wurden die Besitzerverhältnisse zu Lebzeiten geregelt und es bleiben nach unserem Ableben hoffentlich keine Fragen offen. Mit der Mietwohnung sind wir frei. Wenn es nicht mehr gut klappen würde, könnten wir einfach gehen und die Töchter können die Wohnung weitervermieten. Vielleicht hat ja dann eines ihrer Kinder Interesse.
Bisherige Beiträge der Serie «Wohngeschichten»:
Ade Familienwohnung
Schicksalsgemeinschaft mit Bruder
Leben im Zügelchaos
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Trotz Erblindung zu Hause
Ich wollte mich noch mehr verkleinern
Morgenkaffee in der Lobby
Mit dem Schneckenhaus unterwegs
Villa, Park und WG verwalten
Das Gefühl ist langsamer als der Zügelwagen
Zur Kolumne: Weil mich Wohngeschichten schon immer fasziniert haben, rede ich mit Menschen im letzten Lebensdrittel über das Thema Wohnen. Welche Bedeutung hat die Wohnung für eine Person? In welcher Lebensphase sucht man sich eine neue Wohnung? Was ist den Leuten wichtig? Ich freue mich jedesmal auf die Begegnung mit den spannenden Menschen und ihren Wohngeschichten.