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Unheimlich schmerzhaft

«Süsses oder Saures» verlangen die als kleine Monster verkleideten Kinder zu Halloween an der Haustüre. Wobei mit «Saures» nicht ernst gemeinte Schläge angedroht werden. Wer unter einer Fibromyalgie leidet, den plagen kleine Schmerzmonster, immer wieder, nicht nur an Halloween. Und Gummibärchen oder Schokolade helfen da gar nichts.

Aber unheimlich sind sie, diese Schmerzattacken. Man geht von etwa zwei von hundert Personen aus, die an dieser immer noch rätselhaften Krankheit leiden. Kein Röntgenbild, kein Hormonstatus, kein Blutbild, keine Entzündungsmarker geben Aufschluss darüber, weshalb Muskeln, Sehnen, Gelenke, Bindegewebe so schmerzen können, dass tagsüber oft kaum Aktivitäten möglich sind und nachts an Schlaf nicht zu denken ist. Alles nur Einbildung?

Leiden wird nicht simuliert

Ganz sicher nicht. Auch wenn die Medizin noch immer rätselt, was der Auslöser dieser durch den Körper wandernden Schmerzattacken sein könnten, als Simulanten oder als Fälle für die Psychiatrie werden Betroffene nicht mehr abgestempelt. Aber eine genaue Diagnose dieses sogenannten «generalisierten Weichteilrheumas» ist immer noch ein langwieriger Prozess, genauer: ein Ausschlussverfahren. Müssen doch zuerst alle in Frage kommenden Krankheiten oder Leiden wie rheumatoide Arthritis, Infektionen, Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, aber auch Depressionen oder Stress abgeklärt werden.

Beissend, reissend oder dumpf: Wie sieht Schmerz aus?

Dazu kommt, dass jede Fibromyalgie ein eigenes Krankheitsbild ausweist. Den einen schmerzen immer wieder bestimmte Körperpartien, bei anderen «wandern» die Schmerzattacken durch den Körper. Heisst: Mal tuts an der rechten Schulter weh, dann an der linken Hüfte, dann im Rücken und so weiter. Und die Schmerzen? Die sind richtig, richtig fies, mal als dumpf beschrieben, dann wieder als stechend und brennend. Und das jeweils über Stunden oder sogar Tage.

Fibromyalgie bedeutet Muskel-Faser-Schmerz und wurde lange den rheumatischen Erkrankungen zugeordnet. Deshalb auch der Begriff Weichteil- Rheumatismus. Heute wird diese Klassifikation aber in Frage gestellt. Denn Fibromyalgie ist keine rheumatische Erkrankung und reagiert auch nicht auf die auf diesem Gebiet gängigen Therapien und Medikamente.

Chronisches Schmerzsyndrom

Nur: Was ist sie dann? Was sind die Ursachen für die Schmerzen und wie muss darauf reagiert werden? Denn zu den Schmerzen hinzu kommen Schlafstörungen, Erschöpfungssymptome bis hin zu Depressionen. Weder sind Massnahmen bekannt, wie der Krankheit vorgebeugt werden kann, noch kann auf genetische, also vererbte Faktoren verwiesen werden. Weil die Symptome immer wieder auftreten, wird die Krankheit heute zu den chronischen Schmerzsyndromen gezählt.

Auch wenn die Krankheitsursache noch nicht geklärt ist, selten ist das Leiden nicht. Vor allem Frauen mittleren Alters sind davon betroffen.  Angenommen wird, dass es sich um eine Störung im zentralen Nervensystem handelt oder um eine Fehlfunktion im Gehirn, die Schmerzsignale in fasche Bahnen lenkt. Die gute Nachricht ist dabei, dass weder Gelenke noch Organe in irgendwelcher Art geschädigt werden.

Ob Massagen helfen? Den einen tun sie gut, andere dagegen spüren keine Besserung.

Aber psychisch richten die chronischen und unberechenbaren Schmerzen schon Schäden an. Wer nicht mehr schlafen und arbeiten kann, dauernd erschöpft ist, wer kein Mittel zur Hand hat, das ein wenig Linderung verschafft, dessen Lebensqualität leidet massiv. Deshalb muss nach Möglichkeiten gesucht werden, diesem Zustand irgendwie auszuweichen. Denn obwohl die Fibromyalgie kein psychisches Leiden ist, kann mit Entspannung, Physio- und Psychotherapie und moderatem Sport etwas erreicht werden.

Gut ist, was gut tut

Wichtig ist, dass jegliche sportliche Betätigung ganz vorsichtig angegangen und nur langsam gesteigert wird, dass man sich beraten lässt und versucht, sich ein möglichst ausgefülltes Leben zu ermöglichen. Nach dem Motto: Was mir gut tut, das ist auch gut für mich. Seien das nun Therapien, alternative und naturheilkundliche Anwendungen, soziale Kontakte oder sportliche oder musische Aktivitäten. Und manchmal hilft ja vielleicht mal ein bisschen Schokolade oder ein Praliné. Womit wir wieder bei den kleinen Monstern wären, die vertrieben werden müssen.

Die Rheumaliga Schweiz hat vor einem Jahr eine Broschüre herausgegeben: «Fibromyalgie, Leben mit einer chronischen Schmerzerkrankung». Zu beziehen unter www.rheumaliga.ch. Die Schweizerische Fibromyalgie- Vereinigung informiert unter www.suisse-fibromyalgie.ch   

 

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1 Kommentar

  1. Ja, sie ist richtig fies, die Fibromyalgie. Unberechenbar und hinterhältig. Sie wandert, findets lustig immer wieder an anderer Stelle zu plagen. Gemein. Gerade jetzt habe ich einen Schub, linke Hand und Nacken. Schier unerträglich.
    Danke Frau Reichlin, für den gut geschriebenen Artikel.
    Ich wünsche allen Heimgesuchten trotzdem einen schönen Herbsttag.

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