StartseiteMagazinKolumnenApostel Paulus und die Philosophen

Apostel Paulus und die Philosophen

Zählt Apostel Paulus wirklich zu jenen bedeutsamen Philosophen, die das abendländische Leben und Denken wesentlich geprägt haben?

Jedenfalls behauptet das der italienische Philosoph Giorgio Agamben und bezeichnet den Römerbrief des Apostels als «den grundlegenden Text in der westlichen Kultur».  Bisher setzten sich bereits die Philosophen Nietzsche und Heidegger intensiv mit den Briefen des Apostels auseinander. Interessant ist, dass er in unserer Zeit, unter den modernen Philosophen, eine bemerkenswert grosse Aufmerksamkeit und auch Mitdenker bekommen hat.

Im Zentrum derer, die sich im Neuen Testament mit dem Römerbrief beschäftigten, sind weitere Philosophen zu nennen: Slavo Zizek, Eric Santner und Alain Badiou, die ebenfalls nach dem politischen, gesellschaftlichen und philosophischen Erbe der Briefe des Apostels fragen.

Es ist ihnen – unabhängig voneinander – einsichtig geworden, dass Religion nicht nur Ritus und Kult ist, sondern – mehr noch als das. Nämlich: «Was mich unbedingt angeht» [Paul Tillich]. Die oben genannten modernen Philosophen haben nach der Lektüre des Römerbriefes – unterschiedlich – eingesehen, dass einige Projekte der Aufklärung zu schätzen, andere aber noch fortzuschreiben sind.

War Paulus aus Tarsus ein Philosoph? Man bilde sich seine eigene Meinung.

Im Neuen Testament, in der Apostelgeschichte Kapitel 17, Verse 16f, erfährt man, dass Paulus in Athen war, wo fast genau 450 Jahre zuvor die Anklage gegen Sokrates stattfand. «Sein Geist ergrimmte in ihm, als er sah, dass die Stadt voller Götzenbilder war». Er begründete sein Urteil mit dem Hinweis auf einen Altar mit der Inschrift: «Dem unbekannten Gott», den er in der Stadt gesehen habe. Er redete auch auf dem Markt alle Tage zu denen, die sich einfanden.

Etliche Philosophen aber, Anhänger des Epikur und Stoiker, diskutierten und stritten mit ihm. Und etliche sprachen: «Was will dieser Schwätzer sagen?» Sie führten ihn auf den Areopag und sprachen: «Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrest? Denn du bringst etwas Neues vor unsre Ohren; so wollen wir gerne wissen, was das sei.»

Für die Epikureer ist die Ataraxie, die Unerschütterlichkeit das «oberste Lebens-Gebot», für die Stoiker die Apathie, die Leidenschaftslosigkeit. Der Unterschied zwischen den beiden Schulen ist hauptsächlich die Einstellung zur Lust, zur Leichtigkeit des Lebens. Geboten ist die Einsicht, dass äussere Dinge, das Fremde (s) gleichgültig sind und Werte nur dem Eigenen zukommt. Das «Haupthindernis der Glückseligkeit ist die Furcht vor den Göttern und vor dem Tod».

Am Areopag (höchster Gerichtshof) in Athen – man muss an einen Redner im Hyde-Park denken – hat man Paulus um Auskunft gebeten. Es müssen die einheimischen Philosophen keinen womöglich gefährlichen Konkurrenten in ihm sehen. So erinnert er sie an den Altar in der Stadt mit der Inschrift «Den unbekannten Göttern» und zeigt damit an, dass er keine «neuen Götter» einführt. Paulus redet von einem Gott, «nicht fern»; redet zu Leuten, die offenbar etwas über Jesus von Nazareth von ihm hören wollten.

Man kann behaupten, dass sich gewissermassen hier die Geschichte des frühen Christentums entschied. 1. Es fiel kein Wort für oder gegen den «Gott der Philosophen», 2. auch nicht gegen die Götter der Religion(en). Das heisst auch: Kein Wort gegen die Philosophie im Lande und ihre Betreiber. Und danach gefragt, welchem Gott Paulus entspreche: dem Zeus, dem Hermes oder sonst wem? Dann: Keinen von allen. «Er ist nicht fern von einem jeglichen unter uns» {Zitat aus dem Römerbrief}.

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Wir leben gerade in der Philosophie in der Tradition der Griechen. Philosophen, von denen oben die Rede war, sind die, die heute von der Seinsfrage so leidenschaftlich ergriffen sind wie damals der Apostel Paulus, ehe er sein Hören, Verstehen und Bedachtes zur Sprache brachte.

Die Briefe des Paulus haben Kirchenväter, Theologen und Philosophen geprägt und damit die europäische Geistesgeschichte stark beeinflusst. Einige Historiker sehen sogar in ihm – seit der Aufklärung – den eigentlichen Gründer des Christentums.

«Merke: Was bin ich? Was soll ich tun? Was kann ich glauben und hoffen? Hierauf reduziert sich alles in der Philosophie» [G.C.Lichtenberg, 1742-1799, Philosoph].

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1 Kommentar

  1. Paulus war Knecht Gottes, von Gott, Christo, erwählt. Epikureer und Stoiker irrten; zumal beide den Selbstmord lehrten. Den Stoizismus hat Kierkegaard in seinen Journalen mit wenigen Sätzen widerlegt. Für Bodensatz wie mich — häßlich, bucklig, gemütskrank — gibt es keinen Genuß: mein Leben ist Plackerei. Bin froh, wenn ich tot bin, als ich noch Atheist war, erhängte ich mich mit Anfang zwanzig. Jetzt, als Christ, gilt Hamlets tiefe Klage «or that the Everlasting had not fix’d His canon ‹gainst self-slaughter».

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