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Die Welt wird smarter – und braucht mehr Strom

Messen sind wichtige Informationsvermittler. Sie geben Zugang zu Neuheiten und schaffen Vergleichsmöglichkeiten. Wie andere Veranstaltungen haben sie unter Corona gelitten und erkämpfen sich wieder Aufmerksamkeit. Auch die IFA in Berlin suchte den Anschluss an die Zukunft. Sie war bunt und informativ.

Als Internationale Funkausstellung vor bald 100 Jahren gestartet, ist die IFA heute, 98 Jahre später, eine Messe, die nicht nur Kommunikationsmittel zeigt, sondern auch viele Haushaltgeräte; ja überhaupt Apparate aller Art, die zuhause nützlich sind, insbesondere wenn smartes, also vernetztes Wohnen angesagt ist. An der IFA war wieder ein bunter Mix aus Neuheiten für Haushalt und Arbeitsplatz zu sehen. Zahlreiche Hallen luden ein zum Schlendern, Umschauen und Fragen.

Wenig Neues, viel Verfeinertes

Die Messeverantwortlichen waren zufrieden. An fünf Tagen kamen über 160’000 Besucherinnen und Besucher, fast 80% der Ausstellungsfläche konnte erkauft werden und über 2’500 Medienschaffende berichteten in über 100 Länder von der Messe.

Wer dieses Jahr aber die grosse Neuheit suchte, den Wow-Effekt, fand diesen nicht. Wir leben nicht in der Zeit der grossen Erfindungen. Vielmehr in jener der Weiterentwicklung, der Anpassung, der Verbesserung, der Perfektionierung, der stärkeren Leistung und verbesserten Bedienungsfreundlichkeit. Alles, was neu war, gehörte in diese Kategorie. Das war nicht immer spektakulär. Es ist eben einfacher, eine neue Waschmaschine oder eine neues TV-Gerät zu zeigen, also eine Software, die dazu dient, dass das Gerät effizienter, stromsparender oder energiebewusster wird. Da die Aussteller sind gefordert, originelle Präsentationseinfälle sind gefragt.

Quer durch das gezeigte Angebot an der IFA ging der Trend hin zum Vernetzten. Was heute nicht – mindestens auch – über eine App gesteuert werden kann, gilt als nicht oder wenig nicht bedienerfreundlich. Das Smartphone als unser Dauerbegleiter ist in kürzester Zeit zum Steuergerät für alle möglichen Applikationen geworden. Sogar die Fernbedienung für unser TV-Gerät wird es immer schwerer haben in Konkurrenz mit dem Smartphone.

Die Wiederentdeckung des gesprochenen Wortes

Während die klassischen Radioprogramme um Aufmerksamkeit bei ihrem Stammpublikum kämpfen, erlebt Audio einen wahrhaften Boom. Auch an der IFA. Wiederentdeckt wurde vor allem die Kraft des gesprochenen Wortes. Noch vor 10, 12 Jahren konnten sich Podcaste als Darstellungsform bei keinem Publikum etablieren. Sie blieben Angebote für einen verschworenen Kreis von Liebhabern dieser Gestaltungsform. Dann verschwanden sie wieder aus dem kollektiven Bewusstsein und gerieten in Vergessenheit. Die junge Generation hat dieses Medium jetzt für sich entdeckt und steckt mit seiner Begeisterungsfähigkeit auch andere Generationen an. Diesen Trend hat sich auch die ARD zunutze gemacht und führte mit einem eigens konzipierten Podcast durch ihre Sonderschau an der IFA.

Laufen und hören empfiehlt die ARD den Besuchern ihrer IFA-Sonderschau. Alle Bilder: jb

Einen eigenen Ansatz verfolgt das isländische Unternehmen, das «Storyphones» anbietet. Wohl etwas genervt davon, dass Kinder Stunden am iPhone oder iPad verbringen und Filme irgendwelcher Art gucken, entwickelte Storyphones Kopfhörer, über die Kinder Geschichten hören können. Sie können sich aufs gehörte Wort konzentrieren, was die Phantasie viel mehr anregt, als ein Video am Bildschirm. Dank der Zusammenarbeit mit Disney ist ein ganzes Set von Geschichten entstanden, die auf vielen Sprachen erhältlich sind, auch auf Deutsch. In einer weiteren Serie gibt es auch leere Chips, die von Eltern, Grosseltern, Onkel und Tanten bespielt und den Kindern geschenkt werden können. Ein gutes Weihnachtsgeschenk.

Storyphones bietet erzählte Geschichten für Kinder, die diese über einen eigens dafür konzipierten Kopfhörer abhören können. Das gesprochene Wort regt die Phantasie an, viel mehr als das Gucken eines Videos.

Der grüne Daumen über die App gesteuert

Ein weiterer Trend ist das Indoor-Gardening, zu Deutsch, die Pflege der Pflanzen zuhause. Wir alle kennen das Problem: wir verreisen für ein paar Tage oder gar Wochen und müssen Nachbarn oder Verwandte fragen, ob sie nicht so freundlich wären, unsere Blumen zu giessen oder zu wässern. Vergessen wir das einmal, ist Schluss: lange gepflegte Pflanzen sind nur noch dürre Traurigkeiten, wenn wir zurückkommen. Das muss nicht sein. Neue Gefässe, von Start ups angeboten, lassen sich so einrichten, dass wir sie über eine App von woher auch immer steuern können. Wir können selber dafür sorgen, dass die Pflanzen zuhause genug Wasser oder Licht haben und bei unserer Rückkehr so gesund sind, wie als wir verreisten.

Wer Zimmerpflanzen will und trotzdem viel unterwegs ist – und auch nicht dauernd Verwandte und Bekannte mit dem Giessen der Blumen belästigen will – kann sich solche zulegen, die per App und Handy beleuchtet und bewässert werden können.

Noch weiter geht ein Anbieter aus Mailand. Wohl in Anlehnung an die bekannten Bosco verticale-Häuser, jenen Wolkenkratzern, die in der Nähe von Milano Centrale aussehen wie hohe Wälder, hat dieses Start Up den Orto verticale, also den hochaufschiessenden Blumengarten entwickelt. Er eignet sich für Gewürze und kann dank App und Smartphone zu jeder Zeit mit Wasser und Licht bedient werden, also auch dann, wenn man einmal für ein paar Tage oder Wochen weg ist.

Mobilität neu erfunden

Die Autos werden immer grösser, die Strassen immer verstopfter und das Selberfahren macht immer weniger Spass. Viele von uns kennen das und sehnen sich nach Alternativen. Wer nicht in der komfortablen Lage ist, sich ganz auf den öV verlassen zu können und trotzdem noch ein Gefährt braucht, sieht sich nach etwas Kleinem um. Mini-Elektroautos haben Konjunktur. Sie lassen sich bequem zuhause aufladen und sind bestens geeignet für kurze Strecken, also zum Einkaufen oder den kleinen Ausflug an Wald oder See.

Wer in der Stadt überhaupt noch Auto fährt, wird ein kleines, bequemes, elektrisches Fahrzeug nutzen…

…obwohl Elektrovelos und -trottis und kleine Elektroroller beliebter und auch praktischer sein werden. An der IFA gab es Gelegenheit, solche zu testen.

Sicherheit wird grossgeschrieben

Alles wird vernetzt, die Kleider, die über eine präzis gesteuerte Batterie genau die richtige Temperatur abgeben, der Rucksack, der dank eines Sensors wieder gefunden wird, ist er verlegt oder gestohlen, und natürlich der Helm, dem auch zahlreiche Funktionen eingebaut sind, die dem, der ihn trägt, Hilfe leistet in guten und schlechten Augenblicken.

 

Der smarte Helm verfügt nicht nur über eine Kommunikationsfunktion, sondern lässt sich wieder finden, auch bei Verschüttung durch eine Lawine, in und ist hilfreich bei kleineren und grösseren Unfällen.

Wieviel Fortschritt verträgt die Welt?

Zugegeben, der Rundgang durch die IFA stimmt auch nachdenklich. Corona und der Krieg vor unserer Haustür haben auch unsere Wahrnehmung verändert. Sicher, viele Neuerungen tragen dazu bei, dass unser Leben einfacher, praktischer und anstrengungsfreier wird. Aber alles, was wir sehen und geboten wird, braucht letztlich Strom, in der Summe immer mehr Strom. Diesen zu haben, ist heute weniger selbstverständlich als noch vor einigen Monaten. Statistiken zeigen, dass der Stromverbrauch in den nächsten Jahren vor allen dort zunehmen wird, wo Geräte vernetzt sind, also dauernd mit Informationen und Befehlen gespiesen werden müssen. So wird es wohl auch zu Verhaltensänderungen oder bewussterem Konsum kommen. Allerdings sind es nicht die angestrebten Verbote oder den Wunsch bestimmter Kreise, anderen ihren Lebensstil aufzwingen, die Treiber für Veränderungen, sondern externe Faktoren, wie eine Pandemie oder ein Krieg, den wir bis vor wenigen Monaten in Europa für unmöglich hielten.

Nachdenklich stimmten auch Referate zum Thema Metaverse. Also jener virtuellen Welt im Internet, wohin man ein alter Ego delegieren kann, damit es an Veranstaltungen teilnimmt, Freunde trifft, Häuser kauft und auch sonst Geld ausgibt. Das mag lustig sein und vielleicht auch ein neues Geschäftsmodell. Aber abgesehen davon, dass das Unternehmen Meta (Facebook, Whatsapp, Instagram) auf alle Transkationen angeblich eine Kommission von fast der Hälfte des Umsatzes einfordert, fragt sich auch der interessierte Zuhörer schon, ob es sinnvoll ist, eine Diskrepanz zwischen einer virtuellen und einer realen Welt zu öffnen. Damit unsere Gesellschaft und unser Staat mit seinen demokratischen Abläufen lebendig und funktionsfähig bleibt, sind wir wohl zuerst auf ein Mitmachen in der realen Welt angewiesen.

Die Rückkehr der bekannten Marken

Aber zurück zur Messe. Es gibt Marken, die sind in den letzten Jahren aus Blickfeld und Bewusstsein verschwunden. Ihre Markenstärke aber blieb offenbar im kollektiven Bewusstsein. Und so tauchen sie plötzlich wieder auf und wecken Erinnerungen. Sie stehen für vergangene Qualität und tragen diese über ihre Markenbotschaft in die heutige Zeit und Zukunft. Ein paar Beispiele:

  • Der Lenco-Plattenspieler gehörte zur Ausrüstung eines zeitgemässen Haushalts. Bot nicht die Migros diese schon zum Kauf an?
  • Ebenso die Metz-Fernsehgeräte. Ein süddeutsches Familienunternehmen bot unverwüstliche Qualität, musste dann um den Anschluss kämpfen und ist seit ein paar Jahren zurück – mit dem originalen Schriftzug.
  • Es gab Zeiten, da stand NOKIA für Mobiltelefone wie Kleenex für Papiertücher. Mit dem iPhone verschwand auch die Marke: Anschluss verpasst. Doch sie hat sich zurückgekämpft und bietet im Android-Markt Smartphones an.
  • Was ein paar Jahre lang nur noch Leute tranken, die sich von nichts Neues begeistern liessen, ist Sinalco plötzlich wieder als Trendgetränk da.

Und da wir gerade beim Trinken sind. Messen machen hungrig. Genug geschrieben. Pause verdient.

Rührei mit Bratkartoffeln im «Kartoffelacker» im KDW Food Court im 6. Stock des beliebten Warenhauses am Wittenbergplatz. Dazu kein Sinalco, sondern einen trockenen Weisswein.

Die nächste IFA Berlin findet vom 1. bis zum 5. September 2023 statt.

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