StartseiteMagazinWissenGefährliche Bakterien im Darm bekämpfen

Gefährliche Bakterien im Darm bekämpfen

Im Kampf gegen bakterielle Krankheitserreger setzen Forschende auf eine Kombination aus Impfung und gezielter Besiedlung des Darms mit harmlosen Mikroorganismen.

Mit den Bakterien in unserem Darm ist das so eine Sache. Einerseits sind die Mikroorganismen für uns lebenswichtig. Sie sind es, die im Darm unsere Nahrung verdauen. Andererseits gibt es unter den Bakterien auch viele Krankheitserreger. Manche können Durchfall verursachen, und bei anderen kommt es auf die Umstände an: Sie können lange unbemerkt im Darm leben, aber gefährlich werden, wenn das Immunsystem geschwächt oder die Darmwand geschädigt ist oder wenn sie über Wunden ins Blut gelangen. Dann kann es zu einer Blutvergiftung oder zu lebensbedrohlichen Entzündungen von Organen kommen.

Schon länger forscht die Wissenschaft an Impfstoffen gegen die krankheitserregenden Mikroben im Darm, vor allem gegen solche, gegen die Antibiotika wegen Resistenzen unwirksam geworden sind. Dies ist jedoch kein einfaches Unterfangen, da das Immunsystem des Darms anders funktioniert
als das des restlichen Körpers und die Wissenschaft das Darm-Immunsystem noch nicht vollständig entschlüsselt hat.

Wirksame Kombination

Emma Slack, Professorin an der ETH Zürich und an der Universität Oxford, forscht auf diesem Gebiet. Zusammen mit Médéric Diard, Professor am Biozentrum der Universität Basel, und einem internationalen Team von Forschenden zeigte sie nun, wie man hochwirksame Schluckimpfungen gegen Darmerreger formulieren kann: indem man nicht nur den Impfstoff verabreicht, sondern ihn mit gutartigen Bakterien kombiniert, die den krankmachenden Mikroben die Nahrung streitig machen und sie so aushungern.

Das wiesen die Forschenden in einer Studie bei Mäusen nach. Sie veröffentlichten die Arbeit in der Fachzeitschrift Science. Mit dem kombinierten Ansatz konnten die Forschenden in den Mäusen sowohl eine Besiedlung mit Salmonellen verhindern, als auch bereits angesiedelte E. coli-Bakterien wirksam bekämpfen. In beiden Fällen zeigten die Impfung oder die gutartigen Mikroben allein deutlich weniger Wirkung.
Damit diese Stämme erfolgreich mit den krankmachenden Mikroben in Konkurrenz treten können, müssen sie möglichst unter denselben Bedingungen wachsen, also im gleichen Darmabschnitt leben, mit dem gleichen Säuregrad und Sauerstoffgehalt zurechtkommen und die gleichen Nährstoffe verwerten.

Entsprechend wählten die Forschenden geeignete Konkurrenzstämme aus oder stellten solche her. Im Rahmen der Studie wurde gezeigt, dass es möglich ist, mittels Gentechnik im Labor einen hochwirksamen Salmonella-Konkurrenzstamm herzustellen. Doch es kann auch ohne Gentechnik klappen, wenn natürlich vorkommende Stämme geschickt ausgewählt und kombiniert werden, wie die Forschenden mit einer Mischung von drei natürlich vorkommenden E. coli-Stämmen zeigten.

«Wie beim Gärtnern»

«Mit einem Impfstoff können wir krankheitserregende Bakterien zwar dezimieren, aber um langfristig erfolgreich zu sein, brauchen wir gutartige Mikroorganismen, die die entstandene Nische im Darmökosystem ausfüllen», erklärt Slack. «Es ist wie beim Gärtnern. Wenn man an einer Stelle im Garten Unkraut vermeiden will, muss man dort nach dem Jäten andere Pflanzen setzen. Lässt man den Boden hingegen leer, wächst das Unkraut einfach wieder nach.»

Wie frühere Studien zeigten, haben einzelne Menschen in ihrer Darmflora von Natur aus Bakterienstämme, die mit krankmachenden Bakterien konkurrieren und sie so in Schach halten. Bei diesen Menschen funktionierten Impfungen gegen Darmerreger schon bisher gut. Indem beim neuen Ansatz die Konkurrenzstämme mit der Impfung mitverabreicht werden, könnte auch bei Menschen, die keine solchen Konkurrenzstämme besitzen, ein guter Schutz erzielt werden.

Antibiotikaverbrauch reduzieren

Ein grosser Vorteil des neuen Ansatzes: Er verdrängt krankheitserregende Bakterien ohne Antibiotika. Und er wirkt auch gegen antibiotikaresistente Keime, die zum immer grösseren Gesundheitsproblem werden. Mit dem neuen Ansatz könnten krankheitserregende oder sogar antibiotikaresistente Bakterien im Darm von Patientinnen und Patienten vor chirurgischen Eingriffen eliminiert werden. Besonders wichtig wäre dies zum Beispiel vor Transplantationen, bei denen die Erkrankten immununterdrückende Medikamente einnehmen müssen. Dadurch liesse sich der Antibiotikaverbrauch reduzieren, betonen die Forschenden.

Auch vor Reisen in ferne Länder, in denen Bakterienstämme zirkulieren, auf die das Immunsystem nicht vorbereitet ist, könnte der Ansatz helfen. «Generell gilt: Je besser es uns gelingt, gefährliche und antibiotikaresistente Stämme in der Bevölkerung zu dezimieren, desto besser ist das für die Gesundheit aller Menschen», sagt Slack.

Dereinst könnten Menschen zum Beispiel eine Kapsel schlucken, die den Impfstoff und die Konkurrenz-Bakterien enthält. Bis zur Anwendung bei Menschen ist allerdings noch weitere Forschung nötig. In der aktuellen Studie zeigten die Forschenden bei Modell-Krankheitserregern, dass es möglich ist, sie aus dem Darm zu verdrängen. Nun beginnt für sie die grosse Arbeit, ihre Erkenntnisse auf klinisch relevante Mikrobenstämme und auf den Menschen zu übertragen.

Fabio Bergamin (ETH)

Titelbild: Im Darm leben auch Bakterien, die für den übrigen Körper gefährlich werden können. (Grafik: Steffen Kögler / Adobe Stock)

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