StartseiteMagazinWissenQuaggamuscheln in Schweizer Seen

Quaggamuscheln in Schweizer Seen

Um die Ausbreitung der invasiven Quaggamuschel in Schweizer Seen einzudämmen, empfehlen Forschende der Eawag rasch zu handeln und dabei auf flächendeckende Prävention, Früherkennung, und Eindämmung zu setzen.

Die Quaggamuschel (Dreissena rostriformis) ist eine invasive Art: Ursprünglich stammt sie aus dem Schwarzmeerraum, doch ist sie mittlerweile in grossen Teilen Europas und Nordamerikas verbreitet. Sie kommt in Seen, langsam fliessenden Flüssen und Mündungsgebieten vor. Die Muschel stellt vor allem in tiefen und nährstoffarmen Seen ein Problem dar.

Quaggamuscheln auf einem Stein im Bodensee (Foto: Eawag, Linda Haltiner).

Massnahmen sollten sowohl innerhalb der Schweiz als auch mit den Nachbarländern abgestimmt werden. Dies geht aus dem neuen Bericht hervor, den die Wasserforschungs-Expertinnen und Experten der Eawag im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) erstellt haben.

Schutzmassnahmen für Schweizer Gewässer

Der kürzlich erschienene Bericht «Quaggamuschel: Monitoringkonzept und Empfehlungen zu Präventions- und Schutzmassnahmen» ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Forschenden des Wasserforschungsinstituts Eawag und Fachpersonen des Cercle Exotique, einer Arbeitsgruppe der Konferenz der kantonalen Umweltämter (KVU). Durch die Kombination von Forschungsergebnissen und Praxiserfahrungen erhalten Behörden, sowie andere Entscheidungsträger Vorschläge für den Umgang mit der Quaggamuschel in Schweizer Gewässern.

Forschende bestimmen die Quaggamuschel-Biomasse in besiedelten Seen. (Foto: Eawag, Esther Michel)

Die Verbreitung der Quaggamuschel erfolgt zum einen natürlicherweise, indem die Larven in der Strömung schweben und so stromabwärts getrieben werden. Im Bilgen-, Motorenkühl- oder Ballastwasser von grossen Transportschiffen, werden die Larven aber auch unbeabsichtigt durch den Menschen über grosse Distanzen verschleppt. Die erwachsenen Muscheln kleben sich zudem an Booten und anderen Gegenständen fest und werden so zum Beispiel durch in verschiedenen Gewässern verwendete Freizeitboote verbreitet.

Schäden für Fische und Wasserversorgung

Die Anwesenheit der Muschel verändert Ökosysteme grundlegend. Sie beeinflusst sowohl die Lichtverhältnisse im Wasser als auch das Nahrungsnetz, was unter anderem dazu führt, dass Fische weniger Nahrung finden. Zudem beeinträchtigt die Quaggamuschel die Nutzung der Gewässer durch die Menschen. Das grösste Problem ist dabei die Verstopfung der Rohre von Wasserversorgungen oder Kühlwassersystemen. Die Kosten für Wartung und Erneuerung sind massiv.

Rasch und flächendeckend handeln

«Für jeden See ist jedes Jahr, in dem die Quaggamuschel nicht gefunden wird, ein gewonnenes Jahr», betont der Biologe und Quaggamuschelexperte der Eawag Piet Spaak. Die gewonnene Zeit kann dazu genutzt werden, Infrastrukturanlagen mit Wasserleitungen, die Seewasser führen, dafür vorzubereiten, wenn sich die Quaggamuschel irgendwann doch in dem betreffenden See ausbreitet. Filter und Wärmetauscher etwa können die sensiblen Geräteteile vor sich festsetzenden Muscheln schützen und so irreversible Schäden an Gebäuden und Anlagen verhindern. Dafür sind teilweise sehr kostspielige Um- und Neubauten erforderlich, die von langer Hand geplant werden müssen. Spaak: «Wir reden hier von Kosten, die sich für die ganze Schweiz auf Hunderte von Millionen Franken belaufen dürften.»

Die Autorinnen und Autoren des Berichts liefern konkrete Empfehlungen, um die Verbreitung der Quaggamuschel einzudämmen. «Für die beste Wirkung sollten diese Massnahmen so rasch und flächendeckend wie möglich umgesetzt werden», erklärt Spaak.

Filter und Wärmetauscher können Infrastrukturanlagen vor sich festsetzenden Muscheln schützen (Foto: Eawag, Linda Haltiner).

Nicht befallene Seen sollten mindestens einmal pro Jahr mittels Umwelt-DNA-Analyse untersucht werden. Dadurch lässt sich eine eventuelle Quaggamuschel Besiedelung frühzeitig erkennen. Dies ermöglicht den zuständigen Behörden, schnell darauf zu reagieren und zudem zu überprüfen, ob die getroffenen Schutzmassnahmen ausreichend sind. Meldungen aus der Bevölkerung sind ein wichtiges zusätzliches Element.

Freizeitboote kontrollieren und richtig reinigen

Der Bericht zeigt auf, dass sich die Quaggamuschel in der Schweiz hauptsächlich durch den Transport von Freizeitbooten verbreitet. Hier orten die Autorinnen und Autoren daher den grössten Hebel: Um zu verhindern, dass die Quaggamuschel in bisher nicht betroffenen Gewässern Fuss fasst, eignen sich am besten weitreichende Schutzmassnahmen, wie zum Beispiel eine Schiffsmelde- und -reinigungspflicht. Solche Vorgaben wurden bereits rund um den Vierwaldstättersee, im Kanton Bern und in ähnlicher Art und Weise im Kanton Aargau am Hallwilersee eingeführt. Die Kantone St. Gallen, Graubünden und Zürich haben sich per April 2025 angeschlossen; weitere Kantone, wie der Kanton Glarus werden folgen.

Eine Schiffsmelde- und -reinigungspflicht nützt ausserdem auch gegen die Einschleppung und Verbreitung anderer invasiver Arten, wie zum Beispiel des Schmalrohrs, einer schnellwüchsigen Unterwasserpflanze, und der Schwarzmundgrundel, einer invasiven Fischart. Die Autorinnen und Autoren identifizieren auch Wissenslücken bei der Durchführung der Schiffsreinigung: Detaillierte, praxisgetestete Reinigungsmethoden und -anleitungen, zusätzliche Reinigungsstellen sowie auf die Praxis zugeschnittene Forschung könnten hier hilfreich sein.

Seen regelmässig und detailliert überwachen

Um die langfristigen Folgen für die Ökosysteme zu verstehen, orientiert sich die Forschung derzeit an den Erfahrungen mit den nordamerikanischen Seen, wo die Quaggamuschel schon 20 Jahre früher als in Europa eingeschleppt wurde. Die Autorinnen und Autoren schlagen vor, die bereits betroffenen Seen einmal pro Jahr standardmässig zu untersuchen. Ausgewählte Seen sollten detaillierter überwacht werden, um die Planung von Präventionsmassnahmen zu verbessern. An der Eawag steht den Verantwortlichen seit Anfang April 2025 eine neue Quaggamuschel-Fachstelle zur Seite. Angestrebt wird auch eine Zusammenarbeit mit den internationalen Kommissionen zum Schutz von Genfer-, Boden- und Luganersee sowie des Lago Maggiore.

Quaggamuscheln im Genfersee. (Foto: Linda Haltiner, Eawag)

Wenn sich die Quaggamuschel einmal in einem Gewässer etabliert hat, ist sie nicht mehr loszuwerden. In betroffenen Schweizer Seen dürfte die Biomasse der Quaggamuschel pro Quadratmeter in den nächsten 20 bis 30 Jahren um den Faktor 9 bis 20 anwachsen. Es gibt zurzeit keine für die Schweiz praktikablen Bekämpfungsmassnahmen.

Titelbild: Quaggamuscheln vom Ontariosee, Kanada. Für jeden See ist jedes Jahr, in dem die Quaggamuschel nicht gefunden wird, ein gewonnenes Jahr. Foto: Ryan Hodnett

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-