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Vorsorgen für alle Fälle

Vorsorgeauftrag: Seit  drei Jahren steht er zur Verfügung, um unsere Angelegenheiten bei Urteilsunfähigkeit zu regeln. Doch erst wenige haben einen Vorsorgeauftrag verfasst.

Von Andrea Söldi

Ein Mann führt ein Malergeschäft mit 15 Mitarbeitenden. Während der Betriebsferien hat der Geschäftsführer einen schweren Unfall erlitten und liegt im Koma. Als die übrigen Angestellten trotzdem am Montag wieder die Arbeit aufnehmen wollen, schritt die Kesb (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) ein und untersagte den normalen Betrieb. Weil der Firmeninhaber urteilsunfähig sei, dürfe nicht weitergearbeitet werden, entschied die Behörde. Der Verunfallte hat es versäumt, seine Ehefrau oder eine andere Vertrauensperson mit der Weiterführung des Unternehmens zu betrauen, sollte er selbst nicht mehr dazu in der Lage sein. Dies wäre mit einer relativ einfachen Massnahme möglich gewesen: dem Erstellen eines Vorsorgeauftrags. Der Fall, den René Bätschmann letzte Woche zu Beginn an seinem Referat in Horgen schilderte, vermochte aufzurütteln.

So schnell kann es gehen

Zum Glück sei der Verunfallte nach gut zwei Wochen wieder aufgewacht, erzählte Finanzberater Bätschmann weiter. Er sei zwar gelähmt, aber geistig wieder in der Lage, die Firma zu leiten. Wäre es schlimmer gekommen, hätten möglicherweise 15 Personen ihre Arbeit verloren. Die Firma wäre wahrscheinlich aufgelöst oder verkauft worden, um mit dem Erlös die Pflegekosten des Verunfallten zu decken, vermutet der Inhaber der in Thalwil ansässigen Firma Bätschmann Finanzplanung. «So schnell kann es gehen, dass man in die Fänge der Behörden gerät», führte er seinen Zuhörern lebhaft vor Augen. Der Fachmann riet auch Personen ohne eigenes Geschäft dazu, rechtzeitig vorzusorgen. «Auch junge Menschen können plötzlich vorübergehend oder langfristig urteilsunfähig werden.»

Mehr Handlungsspielraum

Dabei liege es ihm fern, ins allgemeine Schimpfen über die Kesb einzustimmen, betonte Bätschmann. «Die Behörde macht ihren Job, so gut sie kann.» Das Problem sei die grosse Masse an Fällen. Weil die Kesb so viele Aufgaben erfüllen muss, könne sie nicht jeden Fall individuell betreuen. Abhilfe könnten mehr Vorsorgeaufträge schaffen. Damit kann man selber entscheiden, wer seine Angelegenheiten regelt, sollte man nicht mehr dazu in der Lage sein.

Der Vorsorgeauftrag ist zusammen mit der Patientenverfügung eines der beiden Rechtsmittel, welche mit dem Erwachsenenschutzrecht geschaffen wurden. Die Gesetzesrevision trat am 1. Januar 2013 in Kraft, nachdem ihm das Parlament 2008 zugestimmt hatte. Die wichtigste Änderung war der Ersatz der ehemaligen Laien-Vormundschaftsbehörden durch die professionelle Kesb. Während diese Behörde mittlerweile bekannt geworden ist, hat man über den Vorsorgeauftrag und die neue Rechtskraft der Patientenverfügung nur wenig gehört. «Das neue Recht ist klar besser als das alte, das bereits 100 Jahre alt war», betont Bätschmann. Früher seien Patientenverfügungen nicht verbindlich gewesen, und einen Vorsorgeauftrag habe es gar nicht gegeben. «Doch viele fluchen lieber über die angebliche Willkür der Kesb, statt aktiv zu werden und die Dinge selber in die Hand zu nehmen.»

Mit einem Vorsorgeauftrag regelt man die Sorge um die eigene Person – also etwa Pflege und Betreuung –, die Verwaltung des Vermögens sowie die Vertretung bei rechtlichen Angelegenheiten. Ärzte oder Polizei sind verpflichtet, bei der Kesb Meldung zu machen, sobald jemand urteilsunfähig und deshalb schutzbedürftig geworden ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand im Koma liegt, einen Hirnschlag erlitten hat, an Demenz oder an einer schweren psychischen Krankheit leidet.  Auch Ärzte können die Kesb informieren, sofern sie die Gesundheitsdirektion von der Schweigepflicht entbunden hat. Liegt ein Vorsorgeauftrag vor, wird die Kesb prüfen, ob die eingesetzte Person in der Lage ist, die Aufgabe zu erfüllen. In der Regel konsultiert sie dazu das Betreibungs- und Strafregister. Ist kein Vorsorgeauftrag vorhanden, setzt die Kesb einen Beistand ein, der die Interessen der urteilsunfähigen Person so gut wie möglich wahrnimmt. Ist sie noch dazu in der Lage, kann sie auch dann noch Vorschläge machen, wer die Beistandschaft übernehmen soll, erklärt Ruedi Winet vom Verband der kantonalzüricherischen Kesb. «Dann müssen wir den Vorschlag prüfen und nach Möglichkeit berücksichtigen.»

Wenn es kompliziert ist

Viele setzen in ihrem Vorsorgeauftrag den Ehepartner oder die Ehepartnerin ein. Wenn man den Partner oder die Partnerin nicht mit komplizierten oder heiklen Entscheidungen belasten will oder wenn es an Vertrauen fehlt, kommen erwachsene Kinder, andere Verwandte, gute Freunde oder ein Treuhänder infrage. Möglich ist es auch, mehrere Personen zu beauftragen. Dies sei aber heikel, wenn sich diese im Ernstfall nicht einigen können, warnt Ruedi Winet. «Wir erleben immer wieder, dass es Streit gibt.» Wenn die verschiedenen Personen nicht klarkommen, ist am Schluss doch wieder die Kesb zuständig, weil sonst die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet wären. Doch auch wenn man nur eines von mehreren Kindern einsetzt, hat dieses einen schweren Stand, sollten die Geschwister nicht hinter seinen Entscheidungen stehen. Sinnvoll sei aber, verschiedene Personen ersatzweise aufzuführen, sagt Winet, besonders wenn die erste Person selber bereits betagt ist.

In einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft ist der Ehepartner oder die Ehepartnerin auch ohne Vorsorgeauftrag berechtigt, die «Deckung des Lebensunterhaltes » vorzunehmen. Mit der etwas schwammigen Formulierung sei etwa das Öffnen der Post gemeint, erklärt Valeska Beutel von der Caritas Zürich; die Organisation bietet ebenfalls Beratungen an für das Verfassen von Vorsorgeaufträgen. Ehepartner dürfen auch gegenseitig das ordentliche Einkommen verwalten, um zum Beispiel die Kosten für ein Pflegeheim zu bezahlen, sagt Beutel. Nicht befugt sei man aber zum Beispiel, Immobilien zu verkaufen oder eben ein Geschäft weiterzuführen.

Einen rechtlich einwandfreien Vorsorgeauftrag zu erstellen, ist nicht einfach. Wenn man dazu eine Fachperson beizieht, kommen die Dienste schnell einmal auf rund 1000 Franken zu stehen. Bei der Caritas ist die Beratung jedoch kostenlos. Valeska Beutel rät vor allem alleinstehenden Personen dazu sowie Menschen, die in komplizierteren Situationen leben oder viel Vermögen haben. «Auch wenn man in der Familie zerstritten ist, sollte man schauen, dass einen eine andere Person vertritt», sagt die Fachstellenleiterin.

Damit das Dokument im Ernstfall taugt

Anders als eine Patientenverfügung  muss ein Vorsorgeauftrag handschriftlich verfasst oder notariell beglaubigt werden. Bei komplizierteren Situationen empfiehlt es sich, ihn zusammen mit einer Fachperson zu formulieren, damit er rechtlich korrekt ist. Hinweise auf die nötigen Inhalte findet man auf den Webseiten der Caritas, der Pro Senectute sowie der Kesb.

Die Urteilsfähigkeit muss zum Zeitpunkt des Erstellens gegeben sein.

Wichtig ist, dass das Dokument im betreffenden Fall schnell gefunden wird. Um dies zu gewährleisten, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

• Kopie an die eingesetzte Vertrauensperson;

• Meldung an die Wohngemeinde, wo das Dokument zu finden ist;

• Hinterlegung bei der Kesb, einem Treuhandbüro oder einer Fachperson;

• einen Hinweis auf den Aufbewahrungsort im Portemonnaie mit sich tragen.

Ein Vorsorgeauftrag bleibt unbegrenzt gültig. Man sollte sich aber von Zeit zu Zeit überlegen, ob die Angaben noch sinnvoll sind. 

Bericht über ein Referat von René Bätschmann, gehalten im Hotel Meierhof Horgen.
Copyright mit freundlicher Genehmigung der Zürichsee-Zeitung Horgen

Bild Shotshop

Das Referat wird wiederholt. Informationen und Anmeldung bei ingrid@baetschmannfinanzplanung.ch oder 079 887 37 61.

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