FrontGesundheitDa ist doch eine Hexe im Spiel!

Da ist doch eine Hexe im Spiel!

Fast alle können mitreden, bringen eigene Erfahrungen mit: Vier von fünf Erwachsenen in der Schweiz litten schon mal an Rückenschmerzen. Dieses fiese Ziehen im Kreuz, dieses Gefühl einer plötzlichen Schmerzattacke, die aus einer agilen Person eine verkrümmte Jammergestalt macht, ist weit verbreitet. Weshalb nur leiden so viele unter diesen Schmerzen – und was kann dagegen getan werden?

Rückenschmerzen sind in der Schweiz die Volkskrankheit Nummer eins und, nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der zweitgrösste Kostentreiber im Gesundheitswesen. «Du musst Dich halt mehr bewegen», ist ein zwar gut gemeinter Ratschlag – nur geholfen ist damit vielen Schmerzgeplagten wenig. Zwar sind ernsthafte Erkrankungen wie eingeklemmte Nerven, eine Spinalkanalstenose oder degenerative Veränderungen am Wirbelkörper, Entzündungsherde wie bei Morbus Bechterew, ein Tumor oder ein Bandscheibenvorfall bei Rückenschmerzen möglich, aber doch eher selten. Meist sind es wirklich «nur» Verspannungen.

Indikationen für ärztliche Abklärungen

Wobei «nur» in vielen Fällen gewaltig untertrieben ist. Rückenschmerzen können den Alltag markant prägen. Wer unter chronischen Schmerzen leidet, nachts nicht mehr schlafen und sich tagsüber kaum mehr bewegen kann, dem ist mit ein paar Entspannungsübungen nicht geholfen. Und Achtung! Wer Lähmungssymptome verspürt, Blase und Darm nicht mehr richtig unter Kontrolle hat, sollte sich schnellstens ärztlichen Rat holen. Von diesen pathologischen Beschwerden und den damit verbundenen Therapien und Medikamentationen soll hier auch nicht die Rede sein. Lang anhaltende Schmerzen und Schmerzen, die durch herkömmliche Schmerzmittel und mit keiner der nachfolgend beschriebenen sanften Methoden gelindert werden können, sollten ebenfalls abgeklärt werden. Manchmal ist es eine Fehlstellung der Füsse oder der Hüfte, die Beschwerden macht.

Schmerzhaft, doch eine Diagnose ist schwierig: Unspezifische Rückenschmerzen.

Aber meistens sind es «unspezifische Rückenschmerzen», die auch wieder verschwinden können. Sie sind oft auf Stresssituationen zurückzuführen: Man reisst sich, aus welchen Gründen auch immer, so zusammen, dass der Rücken ein einziger, harter Block wird. Man steht oder sitzt stundenlang in der gleichen Haltung am Tisch, an einer Maschine oder im Büro – und kann sich in der Folge fast nicht mehr bewegen. Man räumt jetzt im Frühling die schweren Blumenkästen aus der Garage auf die Terrasse, harkt die Gartenbeete gründlich durch – und kann nachher kaum mehr gerade stehen. Allen diesen Szenarien eigen ist, dass Muskeln fehlbelastet, zu wenig oder nur teilweise durchblutet werden und sich dadurch verkürzen und verhärten.

Für den Arzt sind solche unspezifische Rückenschmerzen schwierig einzuordnen. Er ist vor allem auf die Einschätzungen der Patienten angewiesen, wobei das Schmerzempfinden eine recht subjektive Sache ist. Keine Laboruntersuchung und auch kein Röntgenbild oder MRI kann belegen, wie stark die Schmerzen sind.

Ausprobieren, was gut tut

Da hilft dann oft eine Politik der kleinen Schritte. Das heisst, man sucht selber, was Linderung bringen kann. So sollte die Sitzhaltung so oft wie möglich verändert, Dehnübungen und kurze Gehstrecken in den Alltag eingebaut werden. Auch ein warmer Wickel oder ein Heizkissen kann lindern. Dazu kommt ein regelmässiges Fitnessprogramm mindestens zwei Mal pro Woche. Das geht auch zuhause, ist unter Anleitung aber effizienter.

Bauchmuskeltraining hilft gegen Rückenschmerzen, ist ein oft gehörter und im Grunde auch richtiger Ratschlag. Nur hilft das nicht immer. In letzter Zeit rücken deshalb Verklebungen der grossen Rückenfaszien in den Vordergrund. Faszien sind ein weissliches Gewebe, das in einem dichten Geflecht Muskeln und Organe umhüllt, eine Art Füll- und Stützmaterial. Heute weiss man, dass Faszien ein hochempfindliches Sinnesorgan mit Nerven und Schmerzrezeptoren sind. Und sie reagieren auch auf emotionalen Stress, weil dann gewisse Botenstoffe ausgeschüttet werden.

Faszien wurden lange unterschätzt

Bewegungsmangel, einseitige Belastung und Haltungsfehler können nebst kleinen Verletzungen bewirken, dass das Fasziengewebe verklebt, austrocknet oder zu wuchern beginnt. Dieser Entwicklung kann erst mal mit Bewegung entgegengewirkt werden. Das muss nicht intensiver Sport sein. Langsames Dehnen und kontrollierte Körperbewegungen wie etwa im Yoga sind wirksam, stimulieren die Elastizität der Faszien, fördern ihre Gleitfähigkeit. Beispiele: Im Stand die verschränkten Hände auf Schulterhöhe nach vorn strecken, auf 20, 30, 60 zählen, je nach Kondition, und dann die geöffneten Hände seitlich weit nach hinten dehnen. Die Daumen zeigen nach oben, die Brust wird rausgedrückt. Dann die gestreckten Arme über den Kopf strecken und den Körper in dieser Haltung langsam von einer Seite zur andern biegen. Darauf achten, dass man weder nach vorne noch nach hinten ausweicht.

Entspannen und dehnen wie eine Katze kann Schmerzen lindern.

Im Vierfüsslerstand auf den Knien mit den Händen weit nach vorne greifen – wer eine Katze hat, kann sich die Übung bei der abschauen – und das Gesäss auf die Oberschenkel legen. Auf Youtube gibt es viele weitere Übungen. Wer sich im Anschluss noch mit einer Faszienrolle eine ganz langsam ausgeführte Selbstmassage verpasst, wird wenigstens für den Moment eine gewisse Erleichterung verspüren.

Haltung bewahren!

Körpertherapien helfen ebenfalls, Schmerzen zu lindern, verspannte Muskelpartien zu lockern. Dazu gehören Massagen, Osteopathie, Chiropraktik – hilft besonders bei Hexenschuss, wenn ein eingeklemmter Nerv «befreit» werden muss – Rolfing, eine Bindegewebsmassage, oder spezielle Physiotherapien. Wichtig ist auch, dass man im Alltag, beim Stehen, Gehen, Sitzen und Autofahren Haltung bewahrt. Das heisst, den Körper bewusst aufspannen, die Schultern leicht senken und den Kopf so halten, dass eine allfällige Krone nicht ins Rutschen kommen würde. Weniger royal Gesinnte können sich auch vorstellen, ein schweres Buch auf dem Kopf zu balancieren.

Massage tut gut, den Muskeln, Faszien – und ein wenig auch der Seele (Alle Bilder pixabay)

Natürlich sollte man auch auf ergonomische Sitzmöbel und die richtige Matratze achten und, ganz wichtig, versuchen, das Leben, den Alltag etwas leichter zu nehmen. Versuchen Sie es mal: Wer sich in einer gutgelaunten Runde vor lauter Lachen fast nicht mehr halten kann, verspürt in diesem Moment ganz sicher keine Schmerzen.

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