StartseiteMagazinGesellschaft«Lieber gleichberechtigt als später»

«Lieber gleichberechtigt als später»

Am 7. Februar 2021 feiert die Schweiz das 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimm- und Wahlrechts. Der Kampf um Gleichberechtigung geht aber viel weiter zurück. Dem Thema widmet sich eine neue Ausstellung im Bernischen Historischen Museum.

Der Spruch auf dem orangen «Ausstellungs-Button» bringt die Botschaft auf den Punkt: «Lieber gleichberechtigt als später» erinnert an den (zu) langen Kampf der Schweizer Frauen um die politische Gleichberechtigung. Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt für unser Land, dass es seit der Gründung des modernen Bundesstaats 123 Jahre dauerte, bis die Frauen auf eidgenössischer Ebene stimm- und wahlberechtigt waren.

Die Anfänge des Kampfs liegen viele Jahrzehnte zurück: 1890 fusionierten die Arbeiterinnenvereine aus fünf Kantonen zum Schweizerischen Arbeiterinnenverband (SAV). Die nationale Schweizer Frauenbewegung war geboren. Dessen erste Forderungen betrafen den Versicherungs- und Wöchnerinnenschutz sowie das Frauenstimmrecht (1893). Es war der SAV, der 1911 zum ersten internationalen Frauentag aufrief.

Erster Anlauf scheiterte 1959

Als erste Partei der Schweiz nahm die SP 1904 das aktive und passive Frauenstimmrecht in ihr Programm auf. Während des Landesstreiks forderte das Oltner Aktionskomitee das Frauenstimmrecht explizit. 1929 reichte der Schweizerische Verband für das Frauenstimmrecht eine Petition mit 249 237 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Es dauerte dreissig Jahre bis zum ersten Plebiszit: Am 1. Februar 1959 wurde die Einführung des Frauenstimmrechts in einer eidgenössischen Volksabstimmung mit 654 939 Nein- (66,9%) zu 323 727 Ja-Stimmen (33%) im ersten Anlauf abgelehnt.

Skandalös lange mussten Schweizerinnen in politischer Unmündigkeit verharren: Als fast
letztes demokratisches Land der Welt gewährte ihnen die Schweiz erst 1971 das Stimm- und Wahlrecht.

Doch der Druck wuchs. Die 68er-Bewegung mobilisiert nicht nur Jugendliche und Studenten und Studentinnen, sondern auch Frauen. In diesem Klima der Umwälzung wurde in Zürich die Frauenbefreiungsbewegung (FBB) gegründet. 1969 führten die Kantone Bern und Solothurn das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene ein. Im selben Jahr zogen tausende von Frauen beim «Marsch auf Bern» vor das Bundeshaus. Eine der wichtigsten Anführerinnen des Marschs war Emilie Lieberherr.

Endlich, am 7. Februar 1971, wurde Tatsache, wofür fast ein Jahrhundert lang gekämpft worden war: Die männliche Stimmbevölkerung der Schweiz nahm mit einem Ja-Anteil 67.7% das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene an, und Artikel 74 der Bundesverfassung konnte angepasst werden.

Der Kampf seit 1971

Die Ausstellung im Bernischen Historischen Museum widmet sich nicht nur der Vorgeschichte. Auf Schautafeln, durch Zahlenreihen und Grafiken wird den Besuchenden klar gemacht, wie steinig der Weg zur politischen Gleichberechtigung für die Pionierinnen blieb. 1976 wurde die Kommission für Frauenfragen eingesetzt, 1988 trat das neue Eherecht in Kraft, 2005 die Mutterschaftsversicherung angenommen, und 2013 gelang die Gleichstellung beim Namensrecht.

«Ja was versteht eine Frau schon von Automotoren?» – Die erste Bundesrätin Elisabeth Kopp erinnert sich an klischierte Äusserungen ihrer männlichen Kollegen. Fotos: Bernisches Historisches Museum, Bern. Christine Moor

In Video-Statements schildern Protagonistinnen der ersten Stunde ihre eindrücklichen Erfahrungen in der «Männerbastion Bundeshaus». Zu Wort kommen unter anderem Christiane Brunner, Ruth Dreifuss, Elisabeth Kopp, Gabrielle Nanchen und Seniorweb-Autorin Judith Stamm. Im Zentrum des multimedialen Teils der Ausstellung stehen die medialen Schlammschlachten um Christiane Brunner, die 1993 nicht zur Bundesrätin gewählt wurde, und um Elisabeth Kopp, die 1984 als erste Bundesrätin zurückgetreten war. Brunner erinnert daran, dass viele Medien dabei halfen, die Pionierinnen aufs übelste zu skandalisieren. Elisabeth Kopp spricht von einer «grossen Eifersucht» und von «mangelndem Verständnis der männlichen Politiker».

Brunner-Skandal von 1993: Die damaligen Bundesratskandidatinnen Christiane Brunner und Ruth Dreifuss teilen in der Ausstellung ihre Sichtweise auf die turbulenten Geschehnisse, welche die Schweiz erschütterten. Fotos: Christine Moor. © Bernisches Historisches Museum, Bern.

Ruth Dreifuss erinnert daran, dass sie erst durch den Rückzug von Christiane Brunner zur Bundesrätin gewählt wurde. «Frauen waren damals für die männlichen Politiker begehrenswert, aber ins Bundeshaus gehörten sie nicht», bilanziert sie nüchtern. In den Augen ihrer männlichen Kollegen waren Politikerinnen «nicht belastbar, zu wenig dickhäutig und für die Arbeit im eidgenössischen Parlament nicht kompetent genug», so die alt Bundesrätin.

Drei Fragen zum Schluss

Am Ende der Ausstellung beantworten amtierende und ehemalige Parlamentarierinnen Fragen, die sich seit der Einführung des Frauenstimmrechts stellen. Ob eine Frauenquote notwendig ist? Nein, antwortet eine Politikerin, denn eine Frauenquote könnte den Eindruck erwecken, dass es Frauen ohne Quote nicht schaffen würden. Ob Frauen anders politisierten als Männer? Sie verfügten mindestens über zusätzliche Erfahrungen und weibliche Errungenschaften, was den Dialog bereichere, findet eine Nationalrätin. Und ob sich Männer durch die politischen Erfolge auf dem Weg zur Gleichberechtigung diskriminiert fühlten? Wäre dies der Fall, dann sei das «Gerechtigkeit auf die Länge», gibt sich Christiane Brunner überzeugt. Denn es seien die Frauen, die jahrzehntelang diskriminiert wurden.

Welche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nimmt man aus der Ausstellung mit nach Hause? Erstens: Der Kampf um die Gleichstellung ist noch lange nicht zu Ende. Der Frauenanteil im Eidgenössischen Parlament beträgt seit den letzten Wahlen im November 2019 erst 34 Prozent. Da wirkt der Frauenanteil von 56 Prozent im Berner Stadtrat schon fast revolutionär. Zweitens fühlt man sich nach dem Besuch der Berner Ausstellung bestätigt, dass sich der Kampf für ein gerechtes Anliegen auch in Zukunft lohnen wird. Auf diese Botschaft spielt jedenfalls der Slogan des eingangs erwähnten Buttons an: «Lieber gleichberechtigt als später».


Die Ausstellung «Frauen ins Bundeshaus! 50 Jahre Frauenstimmrecht» im Bernischen Historischen Museum dauert bis 4.7.2021

Mehr unter www.bhm.ch/de

 

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