Der Umzug von der eigenen Wohnung ins Altersheim ist mit Emotionen sowie finanziellen Unsicherheiten verbunden. Er bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich und sollte deshalb gut geplant werden. Thomas Daeppen, Geschäftsleiter des Alters- und Pflegeheims Buchegg, Muri-Gümligen, beantwortet Fragen von Seniorweb.
«Der Heimeintritt bedeutet für viele künftige Bewohnerinnen und Bewohner und deren Angehörige einen grossen Schritt, mit dem zahlreiche Fragen und Unsicherheiten verbunden sind,» heisst es auf der Webseite.
Seniorweb: Herr Daeppen, wann ist der richtige Zeitpunkt, von der eigenen Wohnung ins Altersheim umzuziehen?
Thomas Daeppen: Das ist sehr individuell und hängt vom Gesundheitszustand sowie von den individuellen Wünschen ab. Insbesondere, wenn man in ein «Wunschheim» umziehen möchte, braucht es eine gute Planung. Nach meiner Erfahrung kommen die meisten Leute zu spät ins Heim: dann, wenn es zu Hause nicht mehr geht und nicht, wenn es eigentlich noch gut wäre. Ideal ist, wenn man sich früh genug um die wichtigen Fragen kümmert und noch mitgestalten kann.
Die Auswahl des richtigen Heims kann zeitaufwändig und schwierig sein. Wie findet man das passende Heim?
Indem man sich mit den eigenen Bedürfnissen und Wünschen auseinandersetzt: Was muss ein Heim für mich bieten, wo befindet es sich, und kann ich mir den angebotenen Standard leisten? Sich grundsätzlich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und den Umzug rechtzeitig zu planen, ist das A und O.
Kann man einfach im Internet nach einem Heim suchen, oder sind persönliche Besichtigungen und Gespräche notwendig?
Thomas Daeppen: «Heimangebote vergleichen ist immer gut.»
Wenn ich vor diesem Schritt stünde, würde ich selbstverständlich mehrere Heime besuchen und die Angebote vergleichen: Wie ist die Atmosphäre, wer lebt schon dort, wie sehen die Räume aus? Prospekte sind schön und gut. Aber die Realität, die Stimmung, die Wohnqualität kann man nur bei einem persönlichen Besuch erleben. Von aussen spürt man nicht, wie es sich im Heim anfühlt.
Welche Gründe veranlassen alternde Zeitgenossen zum Umzug ins Heim?
Die Tatsache, dass man umsorgt ist und die notwendige Unterstützung erhält. Aber auch: Sich nicht mehr um den Einkauf kümmern zu müssen, das Kochen und die Reinigung anderen zu überlassen, die Gesellschaft zu geniessen und die neuen Freiheiten auch geniessen zu können.
Wenn der Umzug kurzfristig erfolgen muss, kann dies zu Stress führen. Wie erleben Sie solche Momente?
Stressig wird es vor allem für Menschen, die keine Angehörigen haben, die bei den notwendigen Formalitäten, beim tatsächlichen Umzug und der Auflösung des alten Haushalts Hilfe benötigen. Wir verstehen diesen Stress sehr gut, aber wir können auch nur bedingt helfen, denn wir haben die Ressourcen dafür nicht.
Sich in einem hellen Zimmer, inmitten der eigenen Möbel, verwöhnen lassen: Die Buchegg macht es möglich.
Der Abschied vom gewohnten Zuhause und die Anpassung an eine neue Umgebung können schwierig sein. Welche Ratschläge geben Sie neu ankommenden Bewohnerinnen und Bewohnern?
Die Emotionen setzen schon viel früher ein, nicht erst am Tag des Einzugs. Sich im Alter mit der verbleibenden Zeit zu befassen, ist ein Prozess, der nach meiner Beobachtung mit ungefähr 50, aber spätestens mit der Pensionierung einsetzt. Je früher man sich damit beschäftigt, desto besser gelingt es, mit den entsprechenden Fragestellungen und Emotionen umzugehen und zur Überzeugung zu gelangen, dass der Entscheid ein vernünftiger Schritt ist. Wer sich nicht damit befasst und die Entscheidung immer wieder hinausschiebt, hadert bis zuletzt.
Welche Unterstützung bieten Sie in solchen Fällen an?
Wir können eine Empfehlung abgeben für ein uns bekanntes Umzugsunternehmen. Aber wir können keine Wohnung kündigen oder Putzdienste organisieren. Ausnahmsweise helfen wir gegen Verrechnung dabei, ein Formular auszufüllen. Bei finanziellen oder sozialen Fragen verweisen wir auf die entsprechenden Beratungsstellen der Gemeinde, die dafür zuständig sind.
Bietet beim Umzug beschränkte Unterstützung an: Das Alters- und Pflegeheim in Muri-Gümligen.
Seit Corona haben viele Altersheime genügend freie Zimmer. Wie sieht das bei Ihnen in der Buchegg aus?
Wir sind wieder voll belegt und führen seit etwa zwei Jahren eine Interessentenlisten. Wenn ein Zimmer frei wird, ist dieses in der Regel sofort wieder belegt. Ich weiss aber auch von Heimen, die über freie Kapazitäten verfügen.
Bieten Sie sogenannte Ferienzimmer an, die eine Überbrückung oder ein Schnuppern ermöglichen?
Nein, wir bieten grundsätzlich keine temporären Aufenthalte an. Ein Kurzaufenthalt ist nur ausnahmsweise und vorübergehend möglich, wenn gerade ein Zimmer unbelegt ist. Ferienzimmer bieten die Möglichkeit, einen Einblick zu erhalten und die Atmosphäre zu fühlen. So gesehen ist es eine gute Sache.
Die Anpassung an eine neue Alltagsroutinen und eine eingeschränkte Selbstbestimmung können herausfordernd sein. Was raten Sie Ihren Bewohnerinnen und Bewohnern diesbezüglich?
Vor allem Angehörige befürchten, dass ihre Liebsten im Heim an Selbständigkeit verlieren. Dem ist heute nicht mehr so: Hier hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Wir kennen keine offiziellen Besuchszeiten mehr. Bewohnende dürfen auch abends in den Ausgang gehen. Es ist sogar möglich, auswärts in die Ferien zu fahren. Selbst und Mitgestaltung sind erwünscht, wir machen Bewohnenden darauf aufmerksam. Der Mensch ist ein tätiges Wesen und das in angepasster Art und Weise bis ins hohe Alter.
Thomas Daeppen: «Bei einem hohen Pflegebedarf wird das Wohnen zu Hause zu teuer.»
Muss man am Ende des Lebens ins Altersheim oder verstehen sie Leute, die unbedingt mit Spitex Hilfe zu Hause alt, gepflegt werden und in den eigenen vier Wänden sterben wollen.
Grundsätzlich darf man das, und ich finde, dass dies in der Selbstbestimmung und Verantwortung jedes einzelnen liegt. Ich sehe aber eine Ungerechtigkeit, welche die Wahlfreiheit einschränkt: Ab Pflegestufe 5 wird nach meiner Erfahrung der Aufenthalt zu Hause für viele Betagte zu teuer. Leisten können sich eine aufwändige Pflege in der eigenen Wohnung nur Wohlhabende. Zudem muss man sich bewusst sein, dass wir im Altersheim auf medizinische Notfälle besser vorbereitet sind als Betagte, die unbedingt zu Hause bleiben wollen.
Titelbild: Blick in ein Zimmer des Altersheims Buchegg. Fotos © PS / ZVG