StartseiteMagazinGesellschaft«Klimaschutz ist kein Wunsch. Er ist Pflicht.»

«Klimaschutz ist kein Wunsch. Er ist Pflicht.»

Am 9. April 2024 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den KlimaSeniorinnen Schweiz Recht gegeben: Die Schweiz verletzt die Menschenrechte, weil das Land nicht das Nötige gegen die fortschreitende Klimaerwärmung tut. Grund genug, ein Jahr später auf dem Bundesplatz in Bern zu feiern, mit kritischen Worten.

Am 9. April 2025, genau ein Jahr nach dem historischen Urteil von Strassburg luden die KlimaSeniorinnen zu einer festlichen Jubiläumsaktion auf den Bundesplatz in Bern ein, unterstützt von der Martin Vosseler Gesellschaft, den Klima-Grosseltern, den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz und Greenpeace Schweiz.

Der Verein der KlimaSeniorinnen

Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin des Vereins der KlimaSeniorinnen,  Erwachsenenbildnerin, Erziehungs- und Paarberaterin (Foto bs)

Der Verein wurde im August 2016 von rund 150 Seniorinnen gegründet, zählt zur Zeit über 3000 Frauen im Pensionsalter als Mitglieder und rund 1750 unterstützen die Anliegen des Vereins. Die KlimaSeniorinnen setzen sich ein für den Schutz der Grundrechte, insbesondere für das Recht auf Leben und damit auch für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen der jetzt und in Zukunft lebenden Menschen. Sie klagten vor dem EGMR, «weil die Schweiz eine ungenügende Klimapolitik betreibt und damit unsere Menschenrechte verletzt.» Sie forderten «eine unabhängige gerichtliche Überprüfung der Klimapolitik. Unser Ziel ist es, dass der Staat seine Schutzpflichten uns gegenüber wieder wahrnimmt und ein Klimaziel verfolgt, das der Anforderung genügt, eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern. Wir fordern zudem umfassendere, auf dieses Ziel angepasste Massnahmen und eine bessere Umsetzung der bereits beschlossenen Massnahmen.»

Anne Mahrer, Co-Präsidentin des Vereins der KlimaSeniorinnen, Genfer Altnationalrätin (Foto bs)

Die KlimaSeniorinnen fühlten sich klageberechtigt, weil gerade sie die Bevölkerungsgruppe sind, die von den Hitzewellen am stärksten betroffen sind, wie auch das Bundesamt für Gesundheit bestätigt: «Besonders bei älteren Personen sind (…) Herz und Kreislauf und der Wasserhaushalt schnell überfordert, Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen. Dehydrierung, Hyperthermie, Ermattung, Bewusstlosigkeit, Hitzekrämpfe und Hitzschlag sind Konsequenzen dieser gestörten Wärmeregulation. Ältere Menschen sind die von Hitzewellen am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe.»

Das Klima-Urteil

Cordelia Bähr hat an der Jubiläumsfeier ihre Haltung prägnant formuliert: «Klimaschutz ist kein Wunsch. Er ist Pflicht. Eine menschenrechtliche, unverhandelbare Pflicht». Sie hat vom rund 260-seitigen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) eine 22-seitige Zusammenfassung verfasst. Einige Zitate daraus:

Zur Ausgangslage:

– «Die Welt ist nicht auf dem richtigen Weg; die im Rahmen des Pariser Klimaübereinkommens geleisteten Versprechen werden nicht erfüllt (Kluft zwischen den umgesetzten Massnahmen und den Versprechen der Staaten).

– Werden die Ziele des Pariser Klimaübereinkommens verfehlt, führt dies zu erheblichen negativen Auswirkungen auf das Leben und das Wohlergehen der Menschen.» …

– «Die Erkenntnis, dass sich die Folgen der Klimaerwärmung auf die Menschenrechte auswirken ist nicht neu. Die UNO-Generalversammlung hat das Thema des globalen Klimaschutzes für heutige und zukünftige Generationen seit der Resolution Nr. 43/53 über den Schutz des globalen Klimas für die heutigen und zukünftigen Generationen der Menschheit  vom 6. Dezember 1988 fast jedes Jahr auf die Tagesordnung gesetzt und zahlreiche Resolutionen verabschiedet.»

Cordelia Bähr, leitende Anwältin des Vereins KlimaSeniorInnen Schweiz, erläutert das Klima-Urteil. (Foto © Miriam Künzli)

Zur Schutzpflicht eines Staates im Kontext des Klimawandels: «Art.8 EMRK beinhaltet ein Recht des Einzelnen auf wirksamen staatlichen Schutz vor schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen auf sein Leben, seine Gesundheit, sein Wohlergehen und seine Lebensqualität, die sich aus den schädlichen Auswirkungen und Risiken des Klimawandels ergeben.»

Danach werden im Urteilstext Gründe angeführt, welche das Gericht zum Schluss kommen liessen, dass die Schweiz die menschenrechtliche Schutzpflicht nach Art. 8 EMRK nicht erfüllt hat.

Weitere Rednerinnen und Rednern

Neben den beiden Co-Präsidentinnen und Cordelia Bähr sprachen die Klimawissenschaftlerin Sonia I. Seneviratne, die grüne Nationalrätin Sibel Arslan, Bea Albermann, Ärztin und Aktivistin für die Gesundheit des Planeten, und Larissa Bison, Studentin und ehemalige Aktivistin bei Fridays for Future.

Toni Reichmuth von den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz brachte einen 2,5 Tonnen schweren Grèle-Rose-Steinblock aus der Münsterbauhütte der Strassburger Kathedrale als Mahnmal für die Umsetzung des historischen Klima-Urteils. Musikalisch umrahmt wurde die Jubiläumsfeier vom Basler Sicherheitsorchester und Klima-Grosseltern sangen stimmige Verse mit der Melodie von «Bella Ciao, Ciao,Ciao», z.B. «Dr Stei vo Strassburg, isch üs es Zeiche, dass guete Wille Bärge versetzt.»

Zum Schluss sagte Rosmarie Wydler-Wälti unter tosendem Applaus: «Wir verschwinden nicht, bis das Klima-Urteil umgesetzt ist.»

Nach der Jubiläumsfeier wurden Interessierte eingeladen ins Kino Cineclub Bern zur Premiere von «Trop Chaud – Der Weg aus der Klimakrise». Trop Chaud zeigt den Kampf der Klimaseniorinnen gegen die Klimakrise und lässt Aktivistinnen und Aktivisten, juristische und wissenschaftliche Fachleute zu Wort kommen. Der Film läuft in den Deutschschweizer Kinos ab 15. Mai. Beabsichtigt ist auch, den Film in anderen Ländern Europas zu zeigen, «denn das EGMR-Klima-Urteil betrifft alle 46 Staaten des Europarats.»

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Titelbild: Ca. 400 Engagierte gegen die Klimakrise nahmen an der Jubiläumsveranstaltung auf dem Bundesplatz Bern teil. (Foto © Miriam Künzli)

Website der KlimaSeniorinnen

Zusammenfassung des Klima-Urteils des EGMR vom 9. April 2024

Website zu Trop Chaud mit Trailer

 

 

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