Wenn Schweizer Stammzellen in die USA reisen, müssen sie begleitet werden. Kurierin Carol Wahl erzählt von ihrer heiklen Aufgabe.
«Ich heisse Carol Wahl, bin 72 Jahre alt und wohne in Minneapolis (MN). Mein ungewöhnlicher Auftrag führt mich erstmals in die Schweiz, und zwar nach Zürich, wo ich als ehrenamtliche Kurierin eine kostbare Ware abhole. Es handelt sich um eine Blutstammzellspende, die für eine Transplantation bestimmt ist, von der das Leben eines kranken Menschen abhängt. Ich bin nur die Überbringerin und erfahre weder, wer die Spenderin oder der Spender ist, noch wer die Gabe empfangen wird. Auch über das Spital, wo ich die Stammzellen erhalte und über den Ort in den USA, wo die Zellen sehnlichst erwartet werden, darf ich nicht sprechen.
Hinter meiner Arbeit steht eine grosse NGO, das NMDP, ehemals das National Marrow Donor Program. Seit 1987 hat es mehr als 130 000 Stammzellenspenden zwischen Spender und Empfänger vermittelt. Es ist das grösste Zentrum dieser Art in den USA.
Verpackt in einer Kühlbox
Die kostbare Ware wird mir in Zürich kurz vor meinem Abflug in die USA – speziell verpackt und in einer Kühlbox – mit den entsprechenden Begleitpapieren ausgehändigt. Auf dem Flughafen darf die Box nicht durch das Röntgengerät. Sie muss sorgfältig gehütet werden, darf also auf dem Transport nicht aus den Augen gelassen werden und muss innert 48 Stunden überbracht werden. In der Regel übernachte ich nur zweimal am Abholort und muss danach sofort wieder zurückfliegen. Damit der Transport ohne Zwischenfälle durch Hantieren mit mehreren Gepäckstücken gelingt, ist mir – neben der Box – nur ein zusätzliches Handgepäckstück erlaubt. Zugegeben, solche Transporte sind ein wenig anstrengend, vor allem auch wegen der Zeitverschiebung. Aber ich bin bei guter Gesundheit und kann diese Art zu reisen gut verkraften.
Sogar Opernbesuch liegt drin
Dass der Aufenthalt nur so kurz dauert, macht mir nichts aus. Wer die Augen aufmacht, kann auch in kurzer Zeit sehr viel Neues und Schönes entdecken. Dieses Mal habe ich Gelegenheit, mit einer alten Freundin in Zürich in die Oper zu gehen.
Mit meiner ständigen Begleiterin, einer Stammzellen-Transportbox, war ich schon in der halben Welt, zum Beispiel in Singapur, Thailand, China, in Australien und Neuseeland. Es müssen inzwischen an die hundert solcher Transporte sein. Und ich geniesse dieses Hin- und Herfliegen immer noch – mal abgesehen von vollgestopften Flugzeugen. Und wenn es auf den Flugplätzen zu Wartezeiten kommt, habe ich immer ein Buch, eine Strickarbeit oder ein Sudoku zur Hand.
Reisen und Leben retten
Früher in meinem Leben habe ich Adoptivkinder vermittelt. Dann bin ich mit meinem Mann für die OECD als Wahlbeobachterin herumgereist – zum Beispiel in die Türkei und nach Aserbeidschan. Inzwischen sind meine Kinder schon lange erwachsen und haben eigene Kinder. Seitdem habe ich die Möglichkeit, mehr zu reisen. Mein Mann vermisst mich zwar manchmal, vor allem, wenn ich viele Einsätze nacheinander habe. Aber ich liebe meinen heutigen Job. Und es ist immer wieder wunderbar, zu wissen, dass man mit dieser Arbeit dazu beiträgt, einen todkranken Menschen zurück ins Leben zu holen. That makes me happy!»
Titelfoto: Carol Wahl. Foto © Christine Kaiser