Guter Humor, gemeinsames Lachen und Unterhaltung helfen dabei, schwere Themen leichter, erträglicher zu machen. Mit der Komödie «Wo immer du bist» der kanadischen Autorin Kirsten Da Silva liefert das Theater Effingerstrasse den Tatbeweis.
Die neue Spielzeit mit einer warmherzigen, leichtfüssigen Komödie zu beginnen, ist eine gute Idee. Das erste Stück der Saison 2025/26 am Berner Effingertheater ist gespickt mit Humor, Witz, Pointen, unausgesprochene Anspielungen und vielen unterhaltenden Momenten. Obwohl das Spiel zuweilen überdreht wirkt, fehlt es nicht an Tiefe, Besinnlichkeit und Gedanken, die betroffen machen.
Die Handlung
Gegensätzlicher könnten die beiden Schwestern nicht sein, die seit dreissig Jahren auf einer idyllischen Insel in einem Landhaus zusammenleben. Glenda (gespielt von Dascha von Waberer), die vernünftige, überlegte Kirchgängerin, verwitwet, kinderlos, stellt eine Marmelade her, die von Einheimischen wie von Touristen gekauft wird. Vor vielen Jahren fand die Konformistin auf der Insel ihre Liebe und eine neue Heimat, weil eine Drehbrücke die Rückkehr aufs Festland verunmöglichte.
Glenda (links) und Suzanne lieben es, auf der Veranda über die Dorfbewohnenden zu tratschen.
Ihre jüngere Schwester Suzanne (Karo Guthke) ist schrill, ausgeflippt, lebenslustig. Sie trägt farbige Kleider und einen Turban. Regelmässig widerspricht sie der vernünftigen Glenda, um sich gleich wieder mit ihre zu versöhnen. Weil sie sich öfter mal im Ton vergreift, tut sich Suzanne schwer im Verhältnis zu ihrer Tochter Beth, die als Ärztin in der Stadt arbeitet. Die beiden Schwestern machen sich einen Spass draus, über die Bewohnerinnen und Bewohner des Inseldorfs zu tratschen.
Das Salz in der Suppe ist Nachbar Patrick (Aaron Frederik Defant), ein junger, attraktiver Tierarzt, der öfter mal für einen Schwatz vorbeischaut und gerne aushilft, wenn eine starke Männerhand gefragt ist. Aktuell muss das Dach des Schuppens geflickt werden. Patrick kennt sich mit der künstlichen Besamung von Kühen aus und muss gerade erleben, wie seine Ex-Verlobte einen Neuen heiratet. Mangels Partnerin plant er wohl oder übel, allein auf die Hochzeitsfeier zu gehen.
Wenn die Liebe anklopft
Tierarzt Patrick (rechts) und Humanärztin Beth finden offensichtlich Gefallen aneinander.
Da taucht im richtigen Moment Suzannes Tochter Beth (Charlotte Krenz) auf. Elektrisiert steht die hübsche Ärztin, die vor kurzem in der Stadt ihre Verlobung aufgelöst hat, dem halbnackten Patrick gegenüber. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden finden trotz der Sprüche von Glenda und Suzanne Gefallen aneinander und gehen gemeinsam auf die Hochzeit. Beim Tanz verknackst sich Beth den Fuss und wird liebevoll vom Tierarzt versorgt.
Ein verknackster Fuss bringt Patrick (links) und Beth näher zusammen.
Eine überraschende Wende bringt die Ankündigung von Glenda, dass sie seit sieben Monaten an Bauchspeicheldrüsen-Krebs leidet. Therapien hat sie geschmissen und will nun bis zum Ende nur noch das Leben geniessen. «Qualität vor Quantität» lässt sie verlauten.
Beth bietet ihrer Tante an, in der Stadt eine neue Therapie für sie zu organisieren, doch Glenda lehnt ab. Wehmütig reist die junge Ärztin ab, um ein Forschungsstipendium anzutreten. Doch nach kurzer Zeit kehrt sie in das Landhaus zurück, da auch ihr die Drehbrücke die Fahrt aufs Festland verunmöglicht hat. In den Armen von Patrick stellt die junge Frau fest, dass auch für sie die Insel «Heimat» bedeutet. Die Komödie «Wo immer du bist» ist für Regisseurin Marion Rothaar «ein Plädoyer für eine bewusste Wahl des Lebensmittelpunkts, räumlich und emotional». So steht es im Programmheft.
Temporeich und witzig
Die Inszenierung der Schweizer Erstaufführung am Effinger ist temporeich und witzig. Trotz bizarren Gesten und Grimassen von Suzanne gleitet das Spiel nie in den Klamauk ab. Umso intensiver sind die Dialoge der beiden Schwestern, die sich um Lebensfreude, Liebe und Lebenssinn drehen. Die Vernünftige und die Egozentrikerin verbindet mehr als die gemeinsamen Hühner oder die Marmelade. Beide lachen trotz Glendas Erkrankung viel und gerne zusammen und leben trotz der gegensätzlichen Charaktere einen gemeinsamen Familiensinn.
Die vernünftige Glenda (links) und die ausgeflippte Suzanne.
Eindrücklich einfach ist das Bühnenbild von Sabine Freude: Gespielt wird auf einer hölzernen Veranda. Im Hintergrund spiegelt sich die Wasseroberfläche des kanadischen Sees. Die Kostüme von Sarah Bachmann gefallen und bringen die Charaktere der Protagonistinnen und des Protagonisten auf den Punkt: Schrill-farbige Hosenanzüge für Suzanne, traditioneller Jeansrock und Blusen für Glenda, ein kariertes Hemd mit Baseball-Mütze und ein schwarzer Hochzeitsanzug für Patrick, «Casual» sowie ein «kleines Blaues» für Beth….
Marmelade am Ausgang
Wer den tristen Alltag und die seit Monaten schlechten Nachrichten von der globalen Polit- und Wirtschaftsfront für einen Abend vergessen will, tut gut daran, die Komödie «Wo immer du bist» am Effingertheater zu besuchen und sich abzulenken. Und wer Marmelade liebt, kann nach dem Ende der Aufführung an der Kasse ein Glas kaufen und erhält zusätzlich einen Gutschein für eine Freikarte geschenkt: Für Freunde, die Humor und gute Unterhaltung lieben.
Titelbild: Drei Frauen und ein Mann erleben in einem Landhaus auf einer kanadischen Insel Lebenslust, Liebe Respekt und Familiensinn. Alle Fotos Severin Novacki.
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