„Die Achse der Autokraten – Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten“ von Anne Applebaum ist eine aktuelle Analyse der autoritären Systeme unserer Zeit – wie sich Diktaturen nicht mehr allein isoliert behaupten, sondern in komplexen internationalen Netzwerken miteinander verbunden sind.
US-Präsident Donald Trump verfolgt in seiner zweiten Amtszeit eine unmissverständliche Agenda: Kritische Medien, Justiz, Universitäten, Opposition – alles steht unter Druck. Was wäre, wenn Trump die USA endgültig in eine Autokratie führt? Erkennbar ist, dass in den neun Monaten von Trumps zweiter Amtszeit die Transformation der USA in Richtung Autokratie erstaunlich weit fortgeschritten ist. Die Frage, die sich heute stellt: Wie weit kann er noch gehen und wer kann ihn dabei stoppen?
„Die Achse der Autokraten“ von Anne Applebaum ist heute angesichts der globalen Entwicklung mehr denn je ein wichtiges Buch für alle, die verstehen wollen, wie Autokratie im 21. Jahrhundert funktioniert – nicht als isolierte Tyrannei, sondern als ein globales Netzwerk, das Demokratie herausfordert. Applebaum macht klar, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern verteidigt werden muss – sowohl innerhalb der Staaten als auch in der globalen Ordnung.
Pragmatische Interessenverbindungen
Applebaum beginnt mit der Beobachtung, dass moderne Autokratien nicht mehr nur auf repressiven Mitteln beruhen, sondern zunehmend auf systematischer Kooperation untereinander. Diese Regime – darunter China, Russland, Iran, Weissrussland, Syrien oder Myanmar, teils auch autoritär regierte Länder wie Ungarn, Türkei oder Kirgistan – unterstützen sich über Staatsgrenzen hinweg mit Ressourcen, Technologie, Propaganda und Wissen, um Herrschaftsstrukturen zu stabilisieren und mögliche demokratische Bewegungen zu unterdrücken.
Ein zentrales Motiv ist, dass Autokratien Straffreiheit und Sicherheit anstreben – nicht nur für sich selbst gegenüber innerer Opposition, sondern auch im globalen Rahmen. Das geschieht durch Überwachungstechnologien, Geheimdienste, Trollfarmen, Bots, Korruption, Geldflüsse und Investitionen, die sie sich gegenseitig ermöglichen.
Applebaum betont, dass es weniger um eine gemeinsame Ideologie gehe, wie das beispielsweise im Faschismus früher der Fall war, sondern mehr um pragmatische Interessensverbindungen. Die beteiligten Regime teilen das Ziel, demokratische Prinzipien wie Freiheit, Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu schwächen oder auszuschalten, und sie nutzen dabei geschickt die Schwächen liberaler Demokratien – z.B. wirtschaftliche Öffnung, Globalisierung, das internationale Finanz- und Handelssystem, Flüchtlings- oder Migrationsbewegungen oder unzureichende Regulierung von Medien und Geldflüssen
Gefahren bisher oft unterschätzt
Applebaum führt zahlreiche Beispiele an, wie Staaten autokratische Technologie austauschen (z. B. Überwachungssysteme), Propagandamethoden kopieren, wie Dissidentinnen und Dissidenten verfolgt oder Diskurse manipuliert werden. Sie zeigt auf, dass Autokratien nicht nur innerhalb ihrer Grenzen repressiv sind, sondern auch ausserhalb agieren, etwa durch Einflussnahme, Desinformation oder Unterstützung von Regimes, die ihre Macht stabilisieren helfen.
Auch der Umstand, dass wirtschaftliche Verflechtungen und Finanzströme, die über Grenzen hinweg verlaufen, von Autokratien genutzt werden, um Korruption zu verschleiern oder illegale Einkünfte zu schützen, spielt eine grosse Rolle. So beschreibt sie etwa, wie russische Oligarchen mit Hilfe westlicher Banken und einem System von Briefkastenfirmen ihren gestohlenen Reichtum sicherten. Oder indem sie zeigt, wie die korrupte Elite Venezuelas die Gewinne aus der Ölwirtschaft in ihre eigenen Taschen leitete, dabei tatkräftig gefördert wurde nicht nur durch die westliche Finanzindustrie, sondern durch andere autokratische Länder wie zum Beispiel Iran oder Russland. Applebaum mahnt, dass Demokratien und demokratische Institutionen diese Mechanismen bisher oft unterschätzt haben.
Schleichende Wirkung auf Demokratie
Ein wesentliches Anliegen des Buches ist die Frage, wie diese autokratische Allianz unsere Demokratien gefährdet. Applebaum zeigt, dass Demokratien häufig durch Selbstgefälligkeit, durch die Annahme, dass ihre Werte dauerhaft sicher seien, und durch mangelnde institutionelle Resilienz angreifbar sind. Meistens erfolge die Unterminierung nicht mit offenem, unmittelbarem Bruch, sondern schleichend: durch Propaganda, Einfluss auf Medien, durch Desinformation, durch Bestechung oder Finanzierung von politischen Kräften, die demokratische Prozesse untergraben. Aktuell im Gespräch ist Russlands Einflussnahme in West- und Südosteuropa, indem prorussische Netzwerke gezielt Desinformation vorab über Social Media verbreiten, um Misstrauen zu säen und politische Spannungen zu verstärken.
Zudem warnt Applebaum davor, dass westliche Demokratien und internationale Gemeinschaften Teil dieses Problems seien, etwa durch Investitionen, die nicht ausreichend kontrolliert werden, oder durch diplomatische Rücksichtnahme, die autoritären Regimen Spielraum verschafft. Gleichzeitig stellt sie klar, dass es (noch) möglich sei zu reagieren – durch bessere Regulierung, internationale Kooperation demokratischer Staaten, durch Transparenz und durch Stärkung demokratischer Institutionen vor Ort.
Ein eindringlicher Weckruf
Das Buch wird vielfach als eindringlicher Weckruf wahrgenommen. Applebaum bringt viele Beispiele und macht sichtbar, wie autokratische Netzwerke funktionieren – etwas, das in öffentlichen Debatten oft nur punktuell thematisiert wird. Auch die Verbindung von grenzüberschreitender Kooperation, Propaganda und Technologieübertragung macht ihr Argument stark.
Man könnte kritisch anmerken, dass das Buch auf Grund des knappen Umfangs (ca. 200 Seiten) manche Aspekte nicht ganz tief auslotet, z. B. wie genau bestimmte Länder sich wehren, oder wie Demokratien nachhaltig gegensteuern können, ohne selbst illiberale Methoden anzuwenden. Doch die Stärke des Buchs liegt gerade in der Übersicht und der Verbindung vieler Einzelstränge zu einem Gesamtbild.
Für ihr Gesamtwerk wurde Anne Applebaum 2024 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Anne Applebaum, Die Achse der Autokraten, Siedler Verlag, 2024, ISBN:
978-3-570-55519-4


Wenn Menschenrechte, übergeordnete Gesetze, Armutbekämpfung, Steuergerechtigkeit ernst genommen werden und so wirklich wirken, können Demokratien sich der Achse der Autokraten entgegen stellen. Erinnern wir uns an den Humanismus.