Der Doppeldecker fliegt und fliegt – und das seit fast 80 Jahren.
«Tante Anna». So nannten und nennen Piloten liebevoll eines der aussergewöhnlichsten Mehrzweckflugzeuge: Die Antonov AN-2. Einen schräg wie eine Mücke stehenden Doppeldecker mit einer oberen Spannweite von über 18 und unteren Spannweite von 14 Metern, einem 3,6 Meter grossen Vierblatt-Propeller, 30 000 Kubik Hubraum, 1000 PS und neun Zylindern.
Eine Wiese genügt für Start und Landung
Entwickelt bereits 1947 in Kiew von Oleg K. Antonov, wurde die robuste Maschine – damals noch mit sieben statt neun Zylindern – bald zu einem beliebten Transportmittel. Sie bewährte sich vor allem in der Forst- und Landwirtschaft der UdSSR, aber auch darüber hinaus im Einsatz fürs Militär, beim Personentransport in entlegene Gegenden, als Lösch- und Sprühflugzeug, als Ambulanz, ja sogar in der Erforschung der Arktis und Antarktis.
Ab den sechziger Jahren wurde das bewährte Flugzeug auch in anderen Ländern des Warschauer Pakts hergestellt, ja sogar in der VR China. Selbst in Afghanistan, Ägypten, Frankreich, Griechenland, in Indien, Kuba, Mali, der Mongolei, Nepal, in den Niederlanden, dem Sudan und Tunesien war sie im Einsatz. Noch heute werden damit Sprühflüge durchgeführt, aber auch Personen transportiert. «Tante Anna» war überdies eine beliebte Mitspielerin in zahlreichen Agentenfilmen.
Denn dieser «Traktor der Lüfte» kann mit seiner kurzen Start- und Landestrecke von nur 220 Metern die entlegensten Orte anfliegen, praktisch auf jeder Wiese landen, aber auch auf Schnee, Eisflächen und Gletschern und – entsprechend ausgerüstet – sogar auf dem Wasser. Kein Wunder war dieses Phänomen an Funktionalität und Robustheit von zahllosen Ländern geschätzt.
«Die Maschine hat eigene Aggregate, um die Betankung zu vereinfachen. Und war früher so mit Beleuchtung ausgerüstet, dass man bei Nacht rund ums Flugzeug Licht hatte. Ja, sie kann sogar selbst ihre Reifen pumpen», berichtet der Pilot Nio Heller, stolzer Besitzer eines dieser legendären Flieger. «Aufgrund ihrer Bedürfnislosigkeit und Vielseitigkeit wurde die Antonov AN-2 45 Jahre lang gebaut – ohne Veränderungen!»
Der Pilot Nio Heller in Hagenbuch
Nio Heller ist mit seinen 70 Jahren heute selbst ein Oldtimer. Seine Eltern waren beide Piloten, und so kam es, dass sein Vater ihn, als er etwa zwölf Jahre alt war, gelegentlich auf die Graspiste in Kloten mitnahm . Noch Ende der sechziger Jahre habe man da einfach herumlaufen und sich die grossen Flugzeuge ansehen können. Schon mit 17 Jahren hat sich Heller die Anfänge des Fliegens selbst beigebracht, indem er auf den Skipisten am Fronalpstock mit einem «Drachen», einem Delta-Kite aus den USA, trainierte; er ist vom Fronalpstock direkt über den Urner See nach Brunnen geflogen.
Auf seiner Visitenkarte steht zwar «Dipl. Bauing. FH/HTL, Hoch- und Tiefbau, Bauleitungen und Bauherrenberatung». Aber diese Tätigkeit hat ihn nicht vom Erwerb eines Berufspiloten-Brevets und einer zweiten Laufbahn als Fluglehrer abgehalten.
Rundflüge sind sehr begehrt – natürlich vor allem mit der «Tante Anna»
Wie kam es dazu, dass er sich in «Tante Anna» verliebte? Heller: «Reiner Zufall. Ich traf nach langer Zeit einen ehemaligen Flugschüler, der gerade eine Ausbildung auf der Antonov AN-2 in Litauen gebucht hatte. Ob ich mitkomme. Aber sicher! Und schon hatte ihn das Antonov-Virus erwischt.
Es braucht einen besonderen Skill, dieses grösste aller Kleinflugzeuge zu manövrieren. Heller: «Das kann nicht jeder Pilot. Speziell ist zum Beispiel das hinten platzierte 3. Rad. Jedes Heckrad-Flugzeug hat die Tendenz, bei der Landung auszubrechen. Das hängt mit dem Kreiseleffekt zusammen. Deshalb muss man sehr präzise mit Seitenruder und Bremsen umgehen. Vorteil des Doppeldeckers: Man kann auf kürzeren Strecken starten und landen.»
Nach der Landung werden die stolzen Passagiere fotografiert
Als Gründer und «graue Eminenz» des Vereins «Starflight» ist Nio Heller seit vielen Jahren der Motor von Flugfesten und Airshows ausserhalb von Flugplätzen in der Schweiz, bei denen «Tante Anna» allein schon durch ihre üppige, bunte Figur im Zentrum steht; die Feste sind jeweils Anziehungspunkte für weitere Nostalgieflugzeuge wie z. B. den Fieseler Storch, Bücker und auch für zahlreiche moderne Kleinflugzeuge mit ihren Piloten. Ja sogar Helikopterpiloten und Fallschirmspringer nutzen die willkommene Gelegenheit, ihre Sprünge vorzuführen und sich an solchen Anlässen mit anderen Flugbegeisterten auszutauschen.
Bei den Events versammeln sich Kleinflugzeuge älteren und neueren Datums.
Drumherum bilden sich jeweils eine grosse Menge Zuschauer mit ihren Fotogeräten, ganze Familien tauchen auf, wobei Vater oder Mutter schon mal tiefer in die Tasche greifen und mit den Kindern einen Rundflug wagen, gilt doch die Antonov-2 als ein äusserst sicheres Flugzeug.
Begonnen hat es 2013 auf den Wiesen bei Hagenbuch, Nähe Winterthur, damals noch bescheiden mit einem Getränkestand und kaum Sitzgelegenheiten. Wieso ausgerechnet in Hagenbuch? Auch hier war der Zufall im Spiel. Heller: «Bei einem Autokauf sah ich ein Buch mit dem Titel: ‘Wie wird man Privatpilot?’ auf dem Verkaufstisch liegen.» Der Autoverkäufer war Sohn eines Bauern in Hagenbuch und wollte fliegen lernen. Er brachte Nio Heller in Kontakt mit seinem Vater.
Über den Wolken – oder hier wohl eher dem Berg, der Himmel ist ja blau.
Seither gab es mehrfach einen Flug-Event des Starflight Vereins Schweiz auf verschiedenen Wiesen in der Schweiz. Das Ganze ist zu kleinen Volksfesten angewachsen, denn eine Flugveranstaltung auf Wiesen wirkt auf die Bewohner der umliegenden Dörfer wie ein Magnet.
Im Jahr 2025 Jahr hat der Verein zwei Veranstaltungen organisieren können und an diversen anderen teilgenommen. Hinzu kommt häufig eine zweite Antonov-2, die einem anderen Verein gehört; sie kommt jeweils, wenn viele Passagiere mitfliegen möchten und vorgebucht haben. Auch jenseits der Landesgrenze hat sich Hellers Bijou in ganz Europa sehen lassen. Speziell war ein Formationsflug von 16 Antonovs in Gera, Thüringen!
Die Antonov kann russisch und englisch
«Natürlich stösst ein 50 Jahre altes Flugzeug, das mit verbleitem Treibstoff betrieben wird, CO2 aus», gibt Nio Heller zu. «Wobei wir aber überhaupt nur an zehn Wochenenden pro Jahr mit dem Oldtimer fliegen.»
Eine Schwierigkeit sei es, immer genügend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer für diese Feste zu finden. Vor allem Jungpiloten würden eigentlich gern mitmachen, seien aber beruflich häufig nicht flexibel genug. Ausserdem müssten sie zuvor auf eigene Kosten eine Spezialausbildung für die Antonov machen. Nio Heller verschmitzt: «Am Schluss fliegt meistens der Chef!»
Titelbild: «Tante Anna» hat gerade abgehoben
Alle Bilder: © Nio Heller und Christine Kaiser





Ich finde der Artikel ist unvollständig! Komplett aussen vor bleibt, wie der Flieger in die ach kam und wie er unterhalten wird.