Der Wehmutsmonat

Der Garten im September. Mit «Herr, es ist Zeit.» beginnt Rainer Maria Rilkes Gedicht «Herbsttag». Und dieser kurze Satz kommt mir bei einem Gang durch den Garten in den Sinn. Ja, es ist Zeit.

Der zweite Satz «Der Sommer war sehr gross», stimmt für 2016 nur sehr bedingt. Waren es doch nur die letzten warmen, ja heissen Wochen, die noch ein wenig Sommer gespielt haben. Aber alles konnten sie auch nicht mehr aufholen, was der nasse Frühsommer und der durchzogene Hochsommer verbockt hatten.

Hungerjahr 1816

Aber wir wollen nicht klagen. Wer die Ausstellung «Das Jahr ohne Sommer 1816» im Ritterhaus Bubikon gesehen hat, stuft die vielen Regentage der vergangenen Monate als Jammern auf hohem Niveau ein. Denn was vor 200 Jahren geschah, können wir uns kaum noch vorstellen: Schnee das ganze Jahr hindurch bis in tiefe Lagen, leere Getreidefelder, faulende Kartoffeln auf den Äckern, unreifes Obst an den Bäumen bis in den Herbst hinein – es war ein Hungerjahr, das vielen, vor allem vielen Kindern, das Leben kostete.

Kartoffeln verschenkt

Die Ernte der ersten Kartoffeln dieses Jahr vermittelten eine klitzekleine Ahnung von dem Elend 1816. Viele Bauern klagten, dass die Kartoffelernte ertragsmässig sehr durchzogen ausgefallen sei, die Knollen nicht lagerfähig seien, schnell zu faulen beginnen. Einige Frühsorten gelangten so gar nicht in den Handel, wurden ab Hof verschenkt, weil die Ausfälle zu gross waren.

Der Natur gefällts

Das Gartenjahr dieses Sommers ist ein wenig wie das Leben an sich: Man kann nicht alles haben. Die Bohnen, im Frühsommer gesteckt, serbelten, die ersten Kürbispflänzchen wussten auch nicht recht wohin – und wanderten dann meist in die Mägen der Schnecken.

Lange dauerte es, aber dann kam er doch noch, der Sommer. (B.Reichlin)

Dann aber ab Ende Juli gings los. Der Regentage-Sonnentage-Zyklus mit durchwegs angenehmen Temperaturen liess die Gärten förmlich explodieren. Alles wuchs in Rekordzeit, der Salat sogar so schnell, dass er aufstängelte, bevor er richtige Köpfe bilden konnte. In meinem Garten stehen Himbeerruten, weit über zwei Meter hoch, die Sträucher und Büsche wurden allesamt zu dicken, sattgrünen Monstern, die kaum mehr einen Sonnenstrahl durchlassen. Deshalb gedeihen die Büsche der Zitronenmelissen nur noch am Rande der Rabatte. Dort aber so üppig, dass unser Neuzugang im Garten, ein Rasenroboter, bald einen Bogen um die Ungetüme machen musste.

Grossartiges Finale

Und in den letzten Wochen wurde der Sommer nun wirklich noch «sehr gross». Kürbisse wurden immer dicker und schwerer, Gurken, Zucchetti und Tomaten reiften in Rekordzeit. Mein Feigenbaum liefert tagtäglich kiloweise Früchte und ich fürchte, bald nehmen meine Nachbarn Reissaus, wenn sie mich sehen. Weil ich allen frische Feigen antrage.

20″Der Sommer war sehr gross» _ wenigstens im letzten Drittel.

Jetzt können wir nur noch mir Rilke bitten: «Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin, und jage die letzte Süsse in den schweren Wein.»

Denn der September muss nicht das Ende des Gartenjahres sein. Ein sonniger Oktober kann noch viele schöne Überraschungen bereit halten. Deshalb habe ich nochmals Spinat gesät und Radieschen. Gibt es einen schönen Herbst, klappt es mit der Ernte. Fällt bald schon Schnee, dann hat es nicht sein sollen. Ein bisschen Optimismus, gepaart mit einer Prise Fatalismus gehören zur Liebe zum Garten. Und Hunger, wie die Menschen vor 200 Jahren, muss ich auf jeden Fall nicht leiden.

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