StartseiteMagazinKulturDas Ungleiche als Leitthema

Das Ungleiche als Leitthema

Der eine ist eine Schweizer Ikone – Ferdinand Hodler – , der andere, Jean-Frédéric Schnyder, ein weniger bekannter Schweizer Maler. Ein dritter Künstler, Peter Fischli, hat die beiden im Kunsthaus Zürich zusammengebracht.

Es ist eine Ausstellung mit einem gewissen Augenzwinkern und gerade deshalb so interessant. Denn Kurator Peter Fischli ist es gelungen, die Parallelen im Schaffen der beiden Maler herauszuarbeiten, ohne dass es zu einer simplen Werkabgleichung gekommen wäre. Deutlich wird das im letzten Raum, der sich durch etliche Räumlichkeiten im zweiten Stock der Sammlung hinziehende Ausstellung: Da hängt als Schlusspunkt ein Selbstbildnis des jüngeren Hodler und, als Gegenstück, an der gegenüberliegenden Wand das Bild eines an die Wand pissenden Lausebengels mit einer Fratze anstelle des Gesichts.

«Er fand es nicht gut»

Ob Jean-Frédéric Schnyder (*1945) wirklich so respektlos dem Werk seines grossen Vorgängers begegnet? «Er fand die Gegenüberstellung nicht so gut», meint Peter Fischli trocken. Räumlich zumindest hat der Kurator die beiden Maler, bis auf die Vitrinen mit den Faksimile-Auszügen aus den «Carnets» Hodlers und mit Skizzenblätter Schnyders, fein säuberlich auseinandergehalten. Und so gleichsam eine Dramaturgie aufgebaut, die ihren Höhepunkt im grössten Ausstellungsraum – und mit Schnyders expressiver Vedutenmalerei findet.

Ferdinand Hodler: Abend am Genfersee, 1895

Ferdinand Hodler: Abend am Genfersee (Kunsthaus Zürich, Leihgabe Gottfried Keller-Stiftung)

 

Zuerst befasst sich Peter Fischli mit Ferdinand Hodler, zeigt einige seiner Porträts, verweist auf Hodlers Vorliebe für Parallelen und für repetitive, dadurch fast tänzerisch wirkenden Bewegungen der Figuren. Er störe sich an dem ikonografischen Element, das die Hodlersche Rezeption der letzten Jahre präge, meint der Kurator, der lieber dessen Vorliebe für wiederkehrende Themen betont. Das sei beim Maler fast zu einer Weltanschauung geworden. Zu einer pekuniären auch, möchte man anfügen, denn Hodler malte dieselbe Landschaften oft gleich mehrmals, weil sich gewisse Bildthemen so gut verkaufen liessen.

Thunersee und Veduten

Wer das Gemeinsame im Schaffen der beiden Maler in der Ausstellung sucht, wird zuerst auf der zeitlichen Ebene fündig: Hodler, gefeierter Vertreter des Symbolismus steht mit seinem Werk am Anfang der Klassischen Moderne, Schnyder hingegen kam erst nach dieser prägenden Epoche der Kunstgeschichte zur Welt. Sie haben zusammen also die Moderne ausgeklammert. Gemeinsam ist zudem, dass sie oft im Freien malten. Schnyders Plein-Air-Malerei wird in der Ausstellung durch ein Fahrrad, tragbare Staffeleien und Bergschuhe veranschaulicht. Und gemeinsam ist die Liebe zum Thunersee und den Bergen des Berner Oberlandes.

Jean-Frédéric Schnyder: Am Thunersee. (Kunsthaus Zürich, Jean Frédéric Schnyder), ebenso wie Titelbild: Murtenstrasse, Berner Vedute Nr.33

 

Schnyder hat den Niesen in jedem erdenklichen Licht gemalt, daraufhin jeweils den See überquert und die Gegenansicht festgehalten. Und Hodlers «Niesenbilder» geniessen Weltruf.

Hier Ruhe, dort Hektik

Mehr als das Verbindende zeigt die Ausstellung aber die Verschiedenheit der Künstler auf. Das «Ungleiche» nennt es Peter Fischli. Hodlers konzentrierter Pinselstrich, seine Landschaften ohne zivilisatorischen Einflüssen dafür in meisterhafter Sublimierung, seine stillen Frauenporträts und die Skizzen und Zeichnungen, die von der ruhigen Hand des Malers und einer gewissen Nachdenklichkeit zeugen, werden der expressive Kraft Schnyders gegenübergestellt. Er malt nicht, sondern spachtelt, trägt die wenig abgemischten Farben energisch und spontan auf – und er malt die Welt von heute: Städte, Brücken, Stadien, Campingplätze, Autostrassen. Dabei bedient er sich der Prinzipien der Vedutenmalerei, das heisst, er bildet über weite Strecken in erster Linie ab, Licht, Schatten, Stimmungen sind sekundär.

Schnyder ist (auch) ein Vedutenmaler – und damit gibt es eine erneute Parallele zu Hodlers Werk. Denn Hodler begann seine Malerlaufbahn ebenfalls als Vedutenmaler, also als reiner Abbilder von Landschaften, bevor er sich von dem Genre abwandte und eigene Ausdrucksweisen suchte.

Balance der Ungleichen

Das wird in dem Raum deutlich, wo die «wichtigen» Gemälde Hodlers im Besitz des Kunsthauses hängen und der Hektik der Schnyderschen Malerei eine grosse Ruhe entgegen stellen. Und man begreift Peter Fischli, der den Auftrag, aus der Sammlung des Kunsthauses eine Ausstellung mit Werken von Ferdinand Hodler und einem «Gegenpart» zu konzipieren, zuerst zurückweisen wollte, weil er «nichts Gescheites» fand. Bis er dann auf Schnyder stiess und damit dieses Gleichgewicht der Ungleichen aufbaute. Auf einem dünnen Seil allerdings – dafür mit einem Augenzwinkern.

Die Ausstellung «Ferdinand Hodler/Jean-Frédéric Schnyder» in den Sammlungsräumen des Kunsthaus Zürich ist bis zum 26.April zu sehen. www.kunsthaus.ch

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