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AHVplus setzt Reform aufs Spiel

Eine pauschale Rentenerhöhung von 10 Prozent, wie in der Gewerkschaftsinitiative AHVplus gefordert, gefährdet die Altersvorsorgereform 2020. 

Von Nationalrätin Barbara Schmid-Federer

Die AHV ist das wohl wichtigste Sozialwerk unseres Landes, ein Werk, das den sozialen Frieden stärkt und eine gewisse Sicherheit im Alter garantiert. Sie soll den Existenzbedarf im Alter oder im Todesfall decken. Die AHV ist eine Erfolgsgeschichte, sie steht aber auch vor grossen finanziellen Schwierigkeiten – und wie der AHV geht es auch der 2. Säule, unserer Pensionskasse.

Es gibt zurzeit darum kaum eine wirtschaftspolitische Vorlage, die langfristig von höherer Bedeutung ist, als jene zur nachhaltigen Sicherung der Altersvorsorge insgesamt – also der ersten und der zweiten Säule. Dafür gibt es drei Gründe:

1. Die tiefe Geburtenrate seit den 70er-Jahren und dadurch das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern.
2. Die steigende Lebenserwartung
3. Übertritt der sogenannten Babyboomer ins Rentenalter.

All das setzt der AHV und der beruflichen Vorsorge finanziell zu. In den nächsten 30 Jahren wird sich die Anzahl Rentner verdoppeln. Während heute noch vier Erwerbstätige eine Rente finanzieren, werden es in 30 Jahren nur noch zwei Erwerbstätige sein. Es ist vor diesem Hintergrund unbestritten, dass die Altersvorsorge reformiert werden muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass heutige und kommende Generationen von einer langfristig sicheren und verlässlichen Rente profitieren können. Die Generationengerechtigkeit muss dabei gewahrt bleiben.

Reform wichtig für die sichere Renten heute und morgen

Die letzten beiden Reformen sind gescheitert, was für die AHV und die 2. Säule massive finanzielle Einbussen zur Folge hatte. Die AHV gibt schon seit zwei Jahren mehr aus, als sie über Beiträge der Erwerbstätigen zur Finanzierung der laufenden Renten einnimmt. Waren es 2014 noch 320 Millionen Franken Defizit, resultierte 2015 bereits ein Umlageverlust von 579 Millionen Franken. Dieser Trend wird sich nun Jahr für Jahr fortsetzen. Handeln wir jetzt nicht mit einer durchdachten Reform, fehlen bis 2030 ohne Gegenmassnahmen jährlich 7,5 Milliarden Franken in der AHV-Kasse. Bis dann sind auch die 44 Milliarden Franken, die heute noch im AHV-Fonds liegen, aufgebraucht. Wenn wir also jetzt nicht handeln, kommen spätestens ab 2020 sehr einschneidende und teure Massnahmen zur finanziellen Sicherung der AHV auf uns zu. Jede weitere Reform wird uns entsprechend teurer zu stehen kommen. Die aktuelle Reform „Altersvorsorge 2020“ muss deshalb gelingen, mit dem Ziel, heute und morgen eine sichere Rente für alle zu garantieren.

Ausgewogene Lösung für eine mehrheitsfähige Reform

Bisher haben der Bundesrat und der Ständerat über die Altersvorsorgereform 2020 debattiert. Es liegen aktuell zwei Reformvarianten auf dem Tisch. Der Bundesrat will die strukturellen Probleme in der Altersvorsorge zum grössten Teil mit einer zusätzlichen Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1,5 Prozent lösen. Hinzu käme die Angleichung des Referenzrentenalters von Frau und Mann auf 65 Jahre und die Abschaffung des Koordinationsabzugs. Der Ständerat hat die maximale Anhebung der Mehrwertsteuer auf 1 Prozent reduziert. Neben der Angleichung des Rentenalters hat er einen Leistungsausbau in der AHV beschlossen. So sollen alle Neurentnerinnen und Neurentner 70 Franken mehr Rente pro Monat erhalten. Damit möchte der Ständerat Einsparungen in der zweiten Säule kompensieren. Diese Massnahme soll auch über höhere Lohnbeiträge zulasten der erwerbstätigen Bevölkerung finanziert werden. Persönlich habe ich noch nie erlebt, dass ein Rat, in diesem Fall der Ständerat, derart rasch und gezielt nach einer Kompromisslösung gesucht und auch eine solche gefunden hat. Das macht Mut, dass man die Dringlichkeit einer Reform erkannt hat und nun bereit ist, eine ausgewogene Lösung zu präsentieren. Die Debatte im Nationalrat steht in der Herbstsession an.

AHVplus-Initiative setzt Reform aufs Spiel

Ziel muss ein Kompromiss sein, der die langfristige Sicherung der Renten über 2030 hinaus garantiert. Und dies gelingt ganz sicher nicht, wenn die Gewerkschaftsinitiative „AHVplus“ angenommen würde. Diese ungezielte Initiative, welche höhere Renten verspricht, statt die AHV langfristig zu reformieren, setzt die wichtige Altersvorsorgereform 2020 aufs Spiel. Eine Annahme der Initiative würde die dringende Reform begraben.

Laut Initiative sollen alle Rentnerinnen und Rentner 10 Prozent mehr AHV erhalten – egal ob sie finanziell darauf angewiesen sind oder nicht. Damit soll laut Initianten die Altersarmut bekämpft werden und der Anteil an Ergänzungsleistungsbezügern reduziert werden. Diese Verteilung nach dem Giesskannenprinzip – alle bekommen pauschal mehr Rente – ist falsch und teuer. Bei einem Ja zur Initiative müssten wir bis ins Jahr 2030 jährlich bis zu 5,5 Milliarden Franken mehr für die AHV bezahlen als heute. Hinzu kommen die 7,5 Milliarden, die auch ohne Initiative aufgrund der demografischen Entwicklung schon fehlen. Das wären dann jährlich 13 Milliarden Franken, für die gezwungenermassen jemand aufkommen muss. Laut Initianten sollen das die Berufstätigen und Arbeitgeber über höhere Beiträge bezahlen. Eine sehr unausgewogene Lösung. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Zahl der Rentner zunimmt, die Zahl der Erwerbstätigen aber abnimmt. Das ist kurzsichtig und unfair. Denn heute sind mehr junge Familien von Armut betroffen als Rentner.

Die AHVplus-Initiative ist auch sozialpolitisch verfehlt. Denn sie hätte ungewollte Folgen für Leute mit tiefem AHV-Einkommen. Wer heute Ergänzungsleistungen erhält, weil er vom Renteneinkommen aus AHV und beruflicher Vorsorge sowie seinem Vermögen nicht leben kann, verliert mit der Initiative. Denn steigt die AHV, werden die Ergänzungsleistungen gekürzt. Die Rentner hätten zum Schluss nicht mehr im Portemonnaie als zuvor. Personen, die dank der zusätzlichen AHV-Rente nicht mehr auf Ergänzungsleistungen Anspruch hätten, wären finanziell sogar schlechter gestellt. Denn AHV-Renten sind im Gegensatz zu Ergänzungsleistungen steuerpflichtig. Zudem fallen auch Prämienverbilligungen bei der Krankenkasse und andere Vergünstigungen weg, wenn man nicht mehr Anspruch auf Ergänzungsleistungen hat.

Die Schweiz braucht eine AHV-Reform

Will man den Personen mit tiefen Renten helfen, ist diese Initiative der falsche Weg. Sie begünstigt vielmehr jene Rentner, die nicht auf eine AHV-Erhöhung angewiesen sind und belastet im Gegenzug die Arbeitstätigen – insbesondere jüngere Familien und Alleinerziehende – übermässig.

Die finanzielle Lage der AHV und die Notwendigkeit einer Reform zeigen eindrücklich auf, dass eine pauschale Rentenerhöhung von 10 Prozent für alle nicht drin liegt. Was die Schweiz braucht, ist eine gute Reform, die die Herausforderungen unserer wichtigen Sozialwerke bis mindestens 2030 meistert. Im Interesse einer guten AHV-Reform ist die Initiative „AHV – plus“, welche am 25. September 2016 zur Abstimmung kommt, abzulehnen.

***

Die Redaktion Seniorweb behandelt die Initiative «AHVplus», über die am 25. September abgestimmt wird, kontradiktorisch. Heute vertritt CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer den Nein-Standpunkt.

Barbara Schmid-Federer Ist seit 2007 Nationalrätin und aktuell Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Sie ist Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Familienpolitik und Vorstandsmitglied bei allianceF. Die Mutter zweier Söhne hält seit 2011 das Amt der Präsidentin des Schweizerischen Roten Kreuzes Kanton Zürich inne. Weiter ist sie Mitglied des Verwaltungsrates von Radio Zürisee und der Top-Pharm Apotheke Paradeplatz, Zürich. Ihr Romanistikstudium absolvierte Barbara Schmid-Federer an der Universität Zürich sowie in Paris und Granada. Wir heissen Barbara Schmid-Federer als neue regelmässige Gastautorin auf seniorweb.ch herzlich willkommen.

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