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Träume und Lügen

Bern 11.2.2020 - AMA zu Tod eines Handlungsreisenden, Schauspiel von Arthur Miller. Premiere: Samstag, 15.Februar 2020. © Annette Boutellier Regie: Gerd Heinz Buehne & Kostueme: Lilot Hegi Textfassung: Marco Laeuchli Musik (live): Marc Stucki Licht: Christian Aufderstroth Dramaturgie: Michael Gmaj, Marco Laeuchli DarstellerInnen: Juerg Wisbach, Chantal Le Moign, Luka Dimic, Gabriel Schneider, Stephane Maeder, Stefano Wenk, Lukas Dittmer, Hans-Caspar Gattiker, Irina Wrona

Ein Leben der grossen Träume und kleinen Lügen zeigt das Stadttheater Bern mit «Tod eines Handlungsreisenden» von Arthur Miller.

Das Stück ist vor 71 Jahren in New York uraufgeführt worden. Es gehört zu der grossen Reihe US-amerikanischer Dramen, die in den Fünfzigerjahren im deutschen Sprachraum grossen Anklang fanden. Arthur Miller setzt sich darin mit dem gerade in jener Epoche verstärkt aufkommenden «American Dream» und dem noch nicht ganz an der Schwelle zur Globalisierung stehenden Kapitalismus kritisch auseinander. Gerd Heinz wird am 21. September 80 Jahre alt und verabschiedet sich mit dieser Inszenierung von einem reichen, künstlerisch wirkungsvollen und weit herum bekannten Leben und Schaffen als Schauspieler, Regisseur, Intendant und Lehrer.

Theater wie Kino im Kopf

Das Konzept dieser Inszenierung haben sowohl der Regisseur als auch der für die im Berner Stadttheater gezeigte Bühnenfassung verantwortliche Dramaturg Marco Läuchli nicht aus der Luft gegriffen. Schon Arthur Miller hat sich vorgestellt, dass alle biografischen und familiengeschichtlichen Vorgänge sich im Kopf des gescheiterten Willy Loman als Erinnerung abspielen. Das Team um Gerd Heinz (Bühne und Kostüme: Lilot Hegi, Dramaturgie neben Marco Läuchli: Michael Gmaj) hat diesen Grundgedanken so sichtbar wie konsequent umgesetzt. Die Bühne ist ein riesenhaft anmutender leerer Raum, ohne Bühnenbild. Der drehbare Teil enthält teils realistisch, teils assoziativ wie Gedankenstützen wirkende vereinzelte Requisiten. Was dem tragisch in seinem Leben stehenden Willy Loman durch den Kopf geht, kreist fast unmerklich langsam mit der Drehbühne von hinten links nach vorn. Im Ablauf der Dialoge und der Handlungen stellt sich der Eindruck einer Spiralenfigur ein, die stereotyp immer neu von bereits vergangenem her ansetzt und eine weitere Sequenz anfügt. So gelingt die Verknüpfung mit der Idee des Films im Kopf auf erschütternde Weise, auch vom Inhalt her. Einen zum Nachdenken anregenden Kommentar des tragisch fatalen Geschehens steuert, fast ausnahmslos im Hintergrund, Marc Stucki mit Improvisationen auf seinem Saxophon bei.

Von links: Chantal Le Moign (Linda Loman), Jürg Wisbach (Willy Loman), Irina Wrona (Die Frau)

Ist es eine typisch amerikanische Familie, deren Leben hier zur Schau steht? – Es könnte irgendeine solche irgendwo sein. Dennoch spürt man die immer wieder auftretenden Metaphern von gewünschter und vermeintlicher (amerikanischer?!) Grösse, von beschönigendem Selbstbetrug, vom Kompensieren eigenen Unvermögens und Scheiterns, schliesslich auch von nicht mehr übersehbarer kollektiver familiärer Lebenslüge.

Von links: Stéphane Maeder (Onkel Ben), Jürg Wisbach.

Willy Loman, Handlungsreisender, mit grosser dramatischer Ausdruckskraft verkörpert von Jürg Wisbach, berichtet in sozusagen bescheidener Grossmäuligkeit von seinen Verkaufserfolgen rundum in den USA und verschweigt seine Schulden, seine Rückstufungen im Geschäft und schliesslich seinen Hinauswurf. Als sein Schatten – erfolgreich, wohlhabend, doch gerade deshalb trotz seines weissen Kostüms von düsterer Bedrohlichkeit – tritt Willis Bruder auf, Onkel Ben (Stéphane Maeder)

Sein Scheitern kompensiert Willy Loman mit Anklagen gegenüber seinen Söhnen. Vor alle Biff (Luka Dimic) muss herhalten und wird mit Geringschätzung bestraft. Den andern Sohn, Happy (Gabriel Schneider) hält der Vater für erfolgreich, doch auch da verpassen Tarnung und Lebenslüge dem Bild ein paar Kanten und Flecken. Beeindruckend ist das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern unter einander gezeichnet. Biff ist der Aufmüpfige, der Rebell; Happy der Beschwichtigende, der nach Ausgleich sucht. Brüderlich verbunden stützen sie sich gegenseitig. Happys Verhältnis zum Vater ist dennoch getrübt – dahinter stehen auch hier wieder Betrug und Lüge. Gegen Schluss ist allerdings Biff derjenige, der sich aus dem Verschleierungsgespinst der Familie wortreich befreit und damit die Hoffnung weckt, dass es ein Leben jenseits von Angeberei und Verhehlung geben kann, offen, ehrlich vor allem sich selber gegenüber, ohne falsche Träume.

Das ist dann allerdings ein Augenblick der Wahrheit, den Vater Willy nicht mehr erträgt. Euphorisch freut er sich angeblich darüber, dass sein Sohn ihn ja liebe – und fährt im nächsten Augenblick mit seinem Wagen gegen einen Baum. Nicht sein erster Selbstmordversuch.

Von links: Luca Dimic (Biff), Jürg Wisbach, Chantal Le Moign, Gabriel Schneider (Happy)

Bleibt Linda, die Gattin. Chantal Le Moign verwirklicht eine liebende Mutter und Gattin, übt immer wieder hoffnungsvoll Geduld und zeigt Verständnis, für Willy fast mehr als für ihre Söhne. Dass sie nach dem Tod Willys zerbricht, endlich zerbricht, möchte man aufatmen, zeigt nur, wie ausdrucksstark es ihr gelingt, das Urbild der tragenden Familienmutter glaubwürdig zu gestalten.

Des Handlungsreisenden Tod ist auf der Berner Bühne das Ende des Traumes von Grösse und Bedeutung, andererseits der Anfang der Befreiung von unechtem Scheinleben und verzweifelten Lebenslügen. Zusammen mit den formalen Elementen der Inszenierung ein anregendes Erlebnis, vermittelt von einem Team von vielseitigen begabten und professionell agierenden Bühnenkünstlern.

Linda und Willy Loman – Chantal Le Moign und Jürg Wisbach. (Ausschnitt als Titelbild).

Alle Bilder: © Annette Boutellie
Aufführungen bis Juni 2020.
Mehr über die Inszenierung

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