StartseiteMagazinGesellschaftDirektor des Bundesamts für Justiz: Senioren schützen

Direktor des Bundesamts für Justiz: Senioren schützen

Seniorinnen und Senioren sind in der Corona-Viruskrise einem speziellen Druck ausgesetzt. Sie gelten als besonders gefährdet für eine Ansteckung. Martin Dumermuth (Bild), als Direktor des Bundesamts für Justiz sozusagen das juristische Gewissen der Schweiz, beantwortet unsere Fragen zur Rechtslage.

Seniorinnen und Senioren haben kaum eine funktionierende Lobby. In Zeiten von Corona-Virus sind sie gleichermassen gefährdet und gefährlich für die Weiterverbreitung des Virus, und mitunter unbelehrbar, wenn es darum geht, einfach zuhause zu bleiben und auf Spaziergänge und Ausflüge zu verzichten. Als Risikogruppe sind sie auch Zielscheibe von Verboten und Geboten. Was gilt jetzt eigentlich?

Als Bürger habe ich den Eindruck, der Bund führe die Schweiz mit Besonnenheit durch die Corona-Viruskrise. Währenddessen scheinen einzelne Kantone immer wieder ihre eigene Kompetenz auszutesten und auszureizen. Ein Beispiel: gemäss «Alert Swiss» darf ich als Ü65 im Tessin selber einkaufen, die Tessiner Kantonsregierung lässt mir über die Medien ausrichten, ich dürfe das nicht. Welche Rechte hat in einer solchen Krise der Bund, wo sind den Kantonen Grenzen gesetzt?

Martin Dumermuth: Wir sind heute in einer sogenannten «ausserordentlichen Lage» gemäss Epidemiengesetz. Der Bundesrat kann für das ganze Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen Massnahmen anordnen. Dort wo der Bund Regeln erlassen hat, bleibt für die Kantone kein Spielraum mehr. Der Bundesrat hat bewusst auf eine Ausgehsperre verzichtet. Er setzt auf ein Verbot von Ansammlungen mit mehr als fünf Personen. Ein Kanton darf also selbst kein Ausgehverbot erlassen – auch nicht für Personen über 65 Jahre. In der Bundesratsverordnung steht aber auch: «Besonders gefährdete Personen sollen zu Hause bleiben und Menschenansammlungen meiden». Dass man das Wort «sollen» verwendet, zeigt, dass es sich nicht um eine «harte» durchsetzbare Vorschrift handelt, sondern eher um einen rechtlichen Aufruf. Es geht aber um ein wichtiges Anliegen.

Ältere Menschen sind besonders gefährdet. Die Grenze wird immer bei 65 Jahren angelegt. Gibt es eine juristische Grundlage für diese scheinbar willkürliche Grenze?

Medizinische Risiken hängen mit Statistik zusammen und jede Grenze ist immer auch etwas willkürlich. Warum nicht 64 oder 66? Erfahrungen, die man in den stark Corona-betroffenen Ländern gesammelt hat und noch immer sammelt, zeigen, dass das Alter beim Risiko eine wichtige Rolle spielt. Die Verordnung nimmt das auf und sagt: «Als besonders gefährdete Personen gelten Personen ab 65 Jahren und Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, Krebs.»

Wie weit dürfen Bund und Kantone einzelne Massnahmen nur für die Altersgruppe 65+ erlassen, die für andere Altersgruppen nicht gelten? Was ist die rechtliche Grundlage für diese Entscheide?

Die Verordnung knüpft ja nicht ausschliesslich am Alter an, sondern spricht von «gefährdeten Personen». Da gehören auch Vorerkrankungen dazu. Es ist legitim, Unterscheidungen zu treffen, die sich am Risiko orientieren. Das kann etwa nötig sein, wenn verhindert werden soll, dass knappe medizinische Einrichtungen überfordert werden. Wenn zu viele gefährdete Personen gleichzeitig krank werden, droht eine Überforderung der medizinischen Infrastruktur. Die heutige Praxis der Behörden setzt vor allem auf Eigenverantwortung. Es ist ganz wichtig, dass den Aufrufen von Bundesrat und Bundesamt für Gesundheit Folge geleistet wird.

Was ist bei solchen einschränkenden Entscheiden aus juristischer Sicht «verhältnismässig»?

Bei der Frage der Verhältnismässigkeit geht es um drei Punkte. Zuerst muss man prüfen, ob eine bestimmte Massnahme geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. Es geht also um die Frage: Bringt es überhaupt etwas? Zweitens stellt man die Frage: Ist die Massnahme nötig zur Erreichung des Ziels? Mit anderen Worten: Könnte man das Ziel nicht auch mit weniger weit gehenden Mitteln erreichen? Und schliesslich ist zu prüfen, ob die Massnahme den Betroffenen zumutbar ist. Anders gesagt: Besteht nicht ein Missverhältnis zwischen der Schutzwirkung auf der einen und der Beschränkung der Betroffenen auf der anderen Seite? Diese Prüfungsschritte müssen bei jeder einzelnen Massnahme durchlaufen werden.

Wird es jetzt rechtliche Entscheide geben, die nach dieser ausserordentlichen Lage schwer rückgängig zu machen sind oder werden wir in die alte Schweiz zurückkehren?

Die Notverordnung selbst ist befristet und wird wieder wegfallen. Ob wir wieder in die alte Schweiz zurückkehren werden, ist nicht in erster Linie eine rechtliche Frage. Fast wichtiger scheint mir, ob sich nicht der zwischenmenschliche Umgang generell verändert. Das kann auch positiv sein – etwa, weil wir merken, dass wir auf Solidarität angewiesen sind. Wie sich das entwickeln wird, ist offen – wie so vieles in dieser besonderen Zeit.

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6 Kommentare

  1. Es tut gut dies zu lesen
    Es gibt Gottseidank auch noch kerngesunde Rentner die mit den erlassenen Regeln ( Abstand, Hände waschen usw ) selber ihre Einkäufe ( Lebensmitte) machen und so schnell wie möglich wieder nach Hause gehen. Nicht alle haben das Glück Enkel zu haben oder die Verwandschaft wohnt zu weit weg
    Vor dieser Krise machte die Migros Senioren-tage , warum geht das jetzt nicht? Dasselbe könnten auch andere Geschäfte einführen auch stundenweise. Natürlich mit den heutigen Vorschriften

  2. Ich finde auch, dass für gesunde Rentner*Innen gewisse fixe Zeiten zum Einkaufen zur Verfügung gestellt werden sollten. Wann kommt das?

  3. Es wäre in der Tat sinnvoll, gewisse Zeiten für den Einkauf, mindestens 2 Mal unter der Woche eine Stunde, für Menschen über 60 Jahren in Läden wie Coop und Migros anzubieten. Jedoch sollten sich diese älteren Menschen dann auch an die Abstandsregeln halten und sonst aus dem Laden verbannt werden.

  4. Ich finde Seniorentage nicht mehr notwendig. Inzwischen sind in den Läden viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, z.B. Beschränkung der Personenzahl, Markierung der Abstände in der Warteschlange, Händedesinfektionsmittel sowie Aufsichtspersonal, damit die Regeln eingehalten werden. Man könnte auch einkaufen gehen, wenn die Läden erfahrungsgemäss nicht so voll sind.

  5. Wir können uns bei den Chinesen bedanken, dass die Krankheit bis zu uns in die Schweiz vorgedrungen ist. Die Chinesen waren schon seit Ende letztes Jahr von der Krankheit unterrichtet, denn der Virus wurde in China gezüchtet. Das Volk wurde mundtot gemacht und mit Bussen verängstigt damit nichts ausserhalb von China bekannt wird. Wir dummen Europäer verhandeln immer noch mit diesem Volk wenn es sich um das Finanzielle geht UND ANDERWEITIGES. Ebenso kondoliert die Bundesregierung noch diesem Volk für seine Toten – super. Das ist Heuchelei!!
    Wir Schweizer müssen sämtliche chinesischen Artikel nicht mehr anbieten.

  6. Und wer verdammt nochmal hilft unseten Elten ,
    dass sie nicht isoliert in den Betten der Altersheime verrotten? Wo bekomme ich infos oder Kontakte die zu Organisatonen, die etwas gegen diese Misstände unternehmen?

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