Er gehört zum Frühling wie das Vogelgezwitscher, die ersten Radieschen und das Summen der Bienen: der Löwenzahn. Im Garten ist er zwar nicht gerne gesehen. Das kümmert ihn aber nicht. Da ist er trotzdem und sticht frech aus der Tulpenparade hervor, leuchtet im Gemüsebeet und lockert das Rasengrün ohne zu fragen auf .
Unkraut soll man heute ja nicht mehr sagen, aber Beikraut passt so gar nicht zum Löwenzahn. Dazu ist er zu leuchtend, zu präsent – und einfach zu schön. Wäre er nicht auf allen Wiesen, an jedem Bord, auf jedem Stückchen freier Erde zu finden, wäre er ein seltenes Gewächs, das sorgfältig umsorgt werden müsste, ganz sicher würden seine goldenen Blüten von Dichtern besungen und von Malern porträtiert.
So aber bleibt er ein unwillkommener Gast im gepflegten Garten. Kaum jemand macht sich die Mühe, den Löwenzahn, die Söiblueme, die Chrottebösche, den Weihefäcke näher zu betrachten. Nein, weg muss er, weil zu verbreitet, zu gewöhnlich, zu ordinär. Und zu entlarvend: «Hier wohnen Leute, die zu faul zum Jäten sind».
Kinder lieben es, die feinen Samenstände wegzublasen. Und «Chettlebluem» ist ein weiterer Name des Löwenzahn: Man kann damit die schönsten Blumenketten flechten.
Dabei hat der Löwenzahn so einiges zu bieten. Angefangen bei den Kindern, die nicht genug bekommen können von diesen Pusteblumen, deren Samenstände sich mit ihren filigranen Flugschirmchen gerne vom Wind davontragen lassen. In der Naturheilkunde bewanderte Erwachsene schätzen sowohl Blüten wie auch Blätter und Wurzeln wegen ihrer entwässernden Eigenschaften. Bei Leber- und Gallenbeschwerden, aber auch bei einer Neigung zu Nierensteinen, werden Löwenzahnextrakte empfohlen und auch bei rheumatischen Beschwerden, bei Schmerzen an Gelenken und Bandscheiben soll Löwenzahn helfen.
Mit seinen zarten Blättern und dem leuchtenden Blüten schafft der Löwenzahn locker den Sprung in die Sterneküchen.
Vor allem im Frühling, wenn die ersten Rosetten mit ihren «löwengezähnten» Blättern spriessen, schafft es die Pflanze bis in die Sterneküchen. Als vitaminreicher Salat oder auf eine Quiche. Mit den Blüten lässt sich ein spezieller Sirup und ein «Honig» herstellen und die Wurzeln könnten sogar zu einem etwas bitteren Kaffeeersatz verarbeitet werden. Im Garten sollte die lange Pfahlwurzel im Grunde auch geschätzt werden, ist sie doch eine eigentliche Nährstoffpumpe, die aus der Tiefe Spurenelemente und Mineralien holt und der obersten Erdschicht zuführt.
Wer überall zu finden ist, ist leider so gar nicht exklusiv …
Dass eine solch umfassend nützliche Pflanze in der Literatur nicht prominent vertreten ist, versteht sich von selbst. Ist bei den Menschen ja nicht anders. Gefragt ist das Aussergewöhnliche, Seltene und deshalb Kostbare. Aber Joachim Ringelnatz (1883-1934) hat doch den Samenständen ein philosophisches Gedicht gewidmet. So beginnt es: «Habt ihr einen Kummer in der Brust / Anfang August / Seht euch einmal bewusst / an, was wir als Kinder übersahen. / Da schickt der Löwenzahn / Seinen Samen fort in die Luft. / Der ist so leicht wie Duft / und sinnreich rund umgeben / Von Faserstrahlen, zart wie Spinnenweben. …»
… da mag er noch so schön daherkommen und so sonnig glänzen. (Bilder pixabay)
Christine Nöstlinger (1936-2018) erzählt: «Es war einmal ein grosser, fetter Löwenzahn, / der lebte von Geburt an im irren Grössenwahn / auf Lebzeit gelbleuchtend im Grünen zu stehn / und seinem Pusteblumenschicksal zu entgehn. …» Auch Rainer Maria Rilke hat der «Pusteblume» ein Gedicht gewidmet und viele andere, bekannt und unbekannte Lyriker ebenfalls.
Aber zum Schluss noch ein kleiner Vers eines unbekannten Autors, vielleicht auf dem nächsten Spaziergang mit der Enkelin, dem Enkel zu zitieren: «Lieber kleiner Löwenzahn, / Ich schaue dich so gerne an. / So viele Sonnen vor dem Haus, / Ich suche mir die schönste aus.»
Was für ein zauberhaftes Loblied auf den Löwenzahn!
Als Kind erfuhr ich, dass die Milch von Kühen, die sich am Löwenzahn so richtig vollfressen konnten, davon einen gelblichen Ton bekommt. Noch kräftiger gelb ist dann die Butter aus dieser Milch. Heute leider nur noch Vergangenheit oder nur sehr selten dort zu finden, wo noch Butter ohne den Umweg der Milchverarbeitung gemacht wird.
Ihre Beiträge aus der Natur bedeuten für mich immer wieder ein Augenblick heile Welt und deshalb gut für die Seele. Herzlichen Dank.
Kurz etwas zur anderen Seite der Löwenzahn-Medaille: Wenn manche Wiesen sich in der Löwenzahnblüte gelb verfärben, ist das ein Zeichen für besonders stickstoffreiche sprich überdüngte Böden – und eine banale artenarme Vegetation. Viel anderes wächst da nicht mehr.
Manche können das Schöne nicht einfach so gelten lassen… sie werden wohl erst im Krematorium warm.