Gelassenheit

«Immer mit der Ruhe. Leben ist zu schön für Hast und Hektik» heisst der Titel des neuesten Buches von Karlheinz A. Geissler, Jahrgang 44, das bei mir auf der Beige liegt. Es sind kurze Texte über den Umgang mit der Zeit, geeignet, langsam gelesen zu werden. So kehrt Ruhe ein im Gemüt.

Von Geissler las ich früher einmal eine Abhandlung über die Geschichte der Zeit mit dem Titel: «Die Uhr kann gehen». Es handelte sich um eine Geschichte der Menschen, wie sie durch die Jahrhunderte hindurch mit der Zeit umgegangen sind. Von der Natur mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, zu den Kirchenglocken, den Fabriksirenen, der Armbanduhr, dem Handy haben wir da einen interessanten Weg der Orientierungspunkte zurückgelegt. Und ich kann mich erinnern, dass es eine Zeit gab in meinem Leben, in welcher ich meine Armbanduhr als «modernes Sklavenband» bezeichnete. Aber ohne ging es in einem hektischen, verplanten Leben einfach nicht.

Bis ich einmal an einem Januarsonntagmorgen in die aufgehende Sonne hineinlief und «der Zeit hinter der gemessenen Zeit» begegnete. Und es mir klar wurde, warum sich die Indianer in den Büchern meiner Jugend jeweils «bei Sonnenaufgang» verabredet hatten. Mehr Präzision war nicht möglich!

Geissler war Professor für Wirtschafts- und Sozialpädagogik in München und gilt als einer der bekanntesten Zeitforscher der Gegenwart. Er hat unzählige Bücher mit originellen Titeln geschrieben, als da sind: «Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine», «Lob der Pause», «Wart mal schnell», «Time is honey» und weitere. Ich würde die Bücher als unterhaltsame Sachbücher bezeichnen. Sie vermitteln uns neue Kenntnisse, regen an zum Weiterdenken und die Zeit, die wir benötigen, um sie zu lesen, ist gut investierte Zeit!

Es liegt noch ein anderes Büchlein auf meiner Beige. «Gelassenheit. Was wir gewinnen, wenn wir älter werden», heisst es. Autor ist Wilhelm Schmid (geboren 53), ein deutscher Philosoph «mit dem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Lebenskunstphilosphie», wie es in Wikipedia verheissungsvoll heisst.

Da muss ich gleich ein Geständnis vorausschicken. Wer 1953 geboren ist, also fast zwanzig Jahre nach mir, und über das «Älter werden» schreibt, hat bei mir keine guten Karten. «Was will uns denn dieser junge Mensch über das Alter erzählen?» ist jeweils mein erster, zugegebenermassen etwas überheblicher Gedanke. Beim Lesen des Vorworts des Buches habe ich mich sofort mit dem «jungen Mann» versöhnt. Seine Gedanken schöpft er aus der Beobachtung des Älterwerdens seiner Mutter. Er schreibt darüber: «Ich bewunderte sie dafür, mit welcher Gelassenheit sie es lebte … ».

Das erinnerte mich immer wieder an meine Erfahrungen mit meiner eigenen Mutter. «Du siehst es dann schon einmal, wenn Du selber alt bist», meinte sie jeweils, wenn sie sich von mir unverstanden fühlte. Und ich bestätige es, das eigene Erleben hat mir zu einem grösseren Verständnis verholfen!

In den zehn Kapiteln beschreibt Schmid in einer gut zu lesenden Sprache alle Punkte, die für einen älteren Menschen im Lauf der Jahre von Relevanz werden können. Dabei ist noch etwas ganz Spezielles hervorzuheben. In jedem Kapitel versucht er, die Quintessenz in eine kurze Bemerkung zu fassen. Diese Bemerkung ist dann rot gedruckt und hervorgehoben. Da heisst es etwa in Kapitel 3, das von Gewohnheiten handelt: «Lebenskunst ist auch die bewusste Einrichtung von Gewohnheiten, um sich führen zu lassen, von all dem, was in ihnen schon entschieden ist.» Oder in Kapitel 10, bei den Gedanken zu einem möglichen Leben nach dem Tod: «Gelassenheit ist das Gefühl und der Gedanke, sich in einer Unendlichkeit geborgen zu wissen, für die es nicht wichtig ist, welchen Namen sie trägt.»

Und jetzt muss ich unbedingt zu meinem Kolumnentitel einen Kontrapunkt setzen und von Stéphane Hessel (1917- 2013) berichten. Er war ein französischer Diplomat, Lyriker, Essayist und politischer Aktivist. Er kämpfte für die Résistance und überlebte das KZ Buchenwald.

Sein Mahnwort, mit dem er weltberühmt wurde, heisst: «Indignez-vous.» Empört euch! 2010 veröffentlichte er ein Manifest, in welchem er zum Widerstand gegen eine, nach seiner Meinung verfehlte Politik in Frankreich aufrief. In Wikipedia kann ich nachlesen, um was es ihm ging: Diskriminierung von Ausländern, Sozialabbau, besonders bei der Alterssicherung, Konzentrationsprozess bei der Presse und ihre gefährdete Unabhängigkeit, beschränkter Zugang zur Bildung, Entwicklungspolitik, Umweltpolitik.

Seiner Meinung nach war das Schlimmste, was man sich und der Welt antun könne, die Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Verhältnissen. Da bin ich ganz auf seiner Seite!

Das Bild von Stéphane Hessel zeigt das heitere Gesicht eines gelassenen alten Mannes. Da würde ich sagen, meine Kolumne wird durch Stépane Hessel wunderbar ergänzt!

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