StartseiteMagazinKulturEin Rundbild in Thun mit bewegter Geschichte

Ein Rundbild in Thun mit bewegter Geschichte

Thun, die Pforte zum Berner Oberland, gilt als eine der schönsten Schweizer Kleinstädte. Im Schadaupark ist eine einzigartige Stadtansicht zu entdecken: das weltweit älteste erhaltene Panoramabild.

Wenn von Rundbildern gesprochen wird, denkt man hierzulande wohl zuerst an das 1881 entstandene Bourbaki-Panorama in Luzern. Das Thun-Panorama, schon 1814 von Marquard Wocher geschaffen, zeigt keine solch dramatische Episode, sondern die geschäftige und zugleich beschauliche Stadt mit ihren Einwohnern, dazu die grossartige Kulisse der Berge.

Stadtansichten waren seit langem bekannt und beliebt. Sie sind für Geschichte und Kunstgeschichte von grosser Bedeutung, denken wir nur an Matthäus Merian oder den Italiener Canaletto. Ein Rundgemälde war jedoch etwas Neues. Der Ire Robert Barker gilt als der Erfinder des Panoramabildes, er liess seine Idee im Jahr 1787 patentieren. Ob Marquard Wocher davon wusste oder ob er gut 20 Jahre später auf die gleiche Idee gekommen war, lässt sich nicht mehr herausfinden. Vermutlich war das «Patent» damals kein exklusives, kostenpflichtiges Recht.

Thun mit Blick Richtung Südwesten

Wocher hatte im Jahre 1808 einen Freund in Thun besucht und war von dem Städtchen so angetan, dass er beschloss, ein Panorama der Stadt und seiner reizvollen Umgebung zu malen. Es war die Zeit des beginnenden Alpentourismus, und wer ins Berner Oberland reisen wollte, legte höchstwahrscheinlich in Thun einen Halt ein. So wurde die Stadt bei Reisenden schnell bekannter.

Gross und Klein in Thun

Das Rundbild erhält seinen Reiz daraus, dass der Maler seinen Standpunkt inmitten der Stadt auf einem Dach einnimmt und von dort aus die Gebäude mit ihren Bewohnern (und Bewohnerinnen!), die Strassen, die Gewässer, Wiesen, Wälder und Berge perspektivisch korrekt malt. – Dieser Stil wird in der Kunstgeschichte als trompe-l’oeil bezeichnet. Wer also den kleinen Pavillon im Schadaupark betritt, steht zunächst unterhalb des Gemäldes. Zur Besichtigung steigt man in der Mitte eine dreistöckige pyramidenförmige Galerie hinauf und kommt der Darstellung zuerst näher, weil die unteren Plattformen einen grösseren Durchmesser haben. Den schönsten Rundblick auf das Thun vor mehr als 200 Jahren und die ehrwürdigen Alpen hat man erst ganz oben.

Blick auf den Freienhof

Es ist nicht nur die Genauigkeit der perspektivischen Darstellung, es ist auch Wochers Liebe zum Detail, seine offensichtliche Freude an der Darstellung der kleinen Szenen, die uns Betrachtende begeistert. – Ein paar Jahrzehnte später würde er einen Fotoapparat in die Hand nehmen. – Wocher legte grossen Wert darauf, den aktuellsten Zustand der Stadt zu zeigen. Er selbst hielt sich 1808 und 1809 in Thun auf und fertigte viele Skizzen an. Bevor er das Panorama 1814 in Basel, wo er mit seiner Frau lebte, beendete, bat er seine Freunde in Thun, ihm Zeichnungen zu schicken von Veränderungen, die inzwischen vorgenommen worden waren, zum Beispiel vom Türmchen auf dem Freienhof.

Marquard Wocher, Kupferstich von John Hall 1789 nach Tiberius Wocher / commons.wikimedia.org

Wer war dieser enthusiastische Maler? Marquard Wocher wurde1760 in Mimmenhausen / Baden, nördlich vom Bodensee geboren. Die Kunst des Zeichnens und Malens lernte er schon als Kind bei seinem Vater Tiberius Wocher, der als Maler für den Fürstbischof von Konstanz wirkte. Später setzte Marquard seine Lehrjahre in Bern fort und zog dann nach Basel, wo er in einem Verlag Arbeit fand. Er muss ein vielseitig interessierter Mensch gewesen sein und technisch begabt. Er konstruierte nämlich auch ein dreirädriges Fahrrad.

Zwei Katzen. Beachten Sie, wie sorgfältig Wocher das Dach wiedergegeben hat.

Für sein Thun-Panorama liess Wocher in Basel auf seinem Grundstück ein Gebäude extra für die Arbeit an seinem Rundbild errichten. Der Pavillon diente ihm zunächst als Atelier, nach der Vollendung des Bildes als Ausstellungsbau. Gehilfen hatte Wocher nicht, alle künstlerischen Arbeiten erledigte er allein. Für die Hilfe seiner Buchbinderfreunde vor Beginn der eigentlichen Maltätigkeit war er sicher sehr dankbar: Die 38 x 7,5 m grosse Leinwand liess sich in dem Rundbau nicht faltenlos aufziehen. Zudem war die Leinwand zu grob und deshalb schwer zu bearbeiten. Wocher und seine Freunde liessen sich nicht entmutigen: Sie klebten Büttenpapier auf die Leinwand. So erhielt Wocher die gewünschte Grundlage für seine detailreiche Malerei.

Die gute Hausfrau

Nachdem er die Arbeit am Gemälde beendet hatte, wandelte Wocher sein Atelier in einen Ausstellungsraum um. Für 15 Batzen konnten Besucherinnen und Besucher das Thun-Panorama in der Sternengasse in Basel besichtigen. Aber reich wurde der Künstler damit nicht, obwohl im Gästebuch berühmte Namen zu lesen sind: Marie-Louise, die zweite Frau von Napoleon Bonaparte, oder zwei russische Grossfürsten. Noch ein Jahr vor seinem Tod 1830 versuchte Wocher, das Panorama-Bild zu versteigern – ohne Erfolg.

Danach beginnt eine lange Odyssee des Werks. Verkauft, vererbt, verschenkt wird es, aus der Basler Rotunde entfernt und auf eine eigens dafür gefertigte Holzwalze gerollt. Schliesslich schenkt ein Architekt das Bild dem Thuner Verschönerungsverein, aber erst 1955 wird das Bild erstmals wieder ausgerollt. Die wechselvolle Geschichte setzt dem Bild zu, es wird zerschnitten, repariert, beim Hochwasser 2005 nimmt es Schaden. Schliesslich wird es 2014, 200 Jahre nach seiner Vollendung, unter grossem Aufwand von acht Restauratorinnen und Restauratoren instand gestellt. Geschützt durch die heute üblichen Massnahmen – Klimaanlage, Kontrolle der Luftfeuchtigkeit und der Beleuchtung – kann dieses einmalige Kunstwerk seitdem besichtigt und mit dem Thun des 21. Jahrhunderts verglichen werden.

Rotunde im Schadaupark Thun

Thun-Panorama

Titelbild: Blick über die Dächer zum Schloss Thun (wenn nicht anders erwähnt, alle Fotos mp)

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