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Zu Besuch bei Manuel Sager

Nach einer langjährigen diplomatischen Karriere und zahllosen Reisen rund um den Globus wohnt der frühere Botschafter Manuel Sager zusammen mit seiner Frau Christine in Muri-Gümligen. Im Gespräch mit Seniorweb erzählt er von seinen Stationen, Aufgaben und Leidenschaften.

Manuel Sager (67) hat Rechtswissenschaften an der Universität Zürich studiert. 1985 erwarb er an der Duke University in Durham (North Carolina), den Titel «Master of Laws». 1986 wurde er in Arizona als Anwalt zugelassen und hatte danach für zwei Jahre eine Anstellung als Rechtsanwalt bei der Kanzlei O’Connor, Cavanagh, Anderson, Killingsworth and Beshears in Phoenix. Seine Doktorarbeit schrieb er an der Uni Zürich zum Thema „Die Internationale Ermittlungskommission gemäss Artikel 90 von Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen von 1949“. An der Duke University unterrichtet der Jurist seit September 2014 im Rahmen einer Gastprofessur Entwicklungsfinanzierung.

Sagers berufliche Karriere beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) begann 1988. Während seiner diplomatischen Ausbildung war er in Bern und in Athen stationiert. Von 1990 bis 1995 arbeitete er in der Direktion für Völkerrecht der EDA und von 1995 bis 1999 als stellvertretender Generalkonsul in New York. Von 1999 bis 2001 war er Leiter der Abteilung Kommunikation in der Schweizer Botschaft in Washington, D.C. Von 2001 bis 2002 leitete er das Verbindungsbüro für Menschenrechte beim Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat der NATO. Von 2002 bis 2005 war er Kommunikationschef, zuerst im EDA, dann im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD).

Von 2005 bis 2008 war Manuel Sager  (Foto) im Status eines Botschafters Mitglied des Direktoriums der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London. Ebenfalls im Botschafterrang leitete er von 2008 bis 2010 die Abteilung für sektorielle Aussenpolitik im EDA. Von Oktober 2010 bis Oktober 2014 war er Schweizer Botschafter in den Vereinigten Staaten. Von November 2014 bis zu seiner Pensionierung Ende April 2020 leitete er die „Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit“ (DEZA).

Anwalt und Diplomat

Herr Sager: Sie haben zwei Ausbildungen: zum Juristen und zum Diplomaten. Weshalb wurden Sie Anwalt?

Manuel Sager. In meinen «Lehr- und Wanderjahren» war ich nicht sehr strategisch. Ich hatte seinerzeit in Zürich Jura studiert, weil mir nichts Gescheiteres eingefallen war. Als ich mich dann aber auf einer längeren USA-Reise in meine spätere und heutige Frau Christine verliebte und wir uns für ein Leben in Amerika entschieden, trat ein neuer Ernst in meine Karriereplanung. In den USA das Anwaltspatent zu erwerben, lag angesichts meines juristischen Hintergrunds am nächsten.

Weshalb wechselten Sie in die Diplomatie?

Ich arbeitete in Phoenix in einer Kanzlei mit 120 Anwälten. Meine Hauptaufgabe war, Versicherungsgesellschaften gegen Klagen von meist wenig begüterten und oft auch schlecht beratenen Einzelklägern zu verteidigen. Jemand muss diese Aufgabe machen, das war mir klar. Nach zwei Jahren fragte ich mich dann aber, ob das wirklich ich sein sollte.

Was waren die Highlights Ihrer diplomatischen Karriere?

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre war ich Stellvertretender Generalkonsul in New York. In jene Zeit fielen die Kontroverse rund um die herrenlosen Schweizer Konten von Holocaust-Opfern und die Vorwürfe, die Schweiz hätte während dem 2. Weltkrieg Goldhandel mit Nazi-Deutschland getrieben. New York war das Epizentrum dieser Krise in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA. Der Versuch der Schadensbegrenzung – Vorträge in Synagogen, Auftritte im New Yorker Stadtparlament, etc. – war 150% meiner Arbeit. Eine besonders tragische Erfahrung war damals der Absturz von Swissair Flug 111 bei Halifax. Das Flugzeug war unterwegs von New York nach Genf gewesen, und das lokale Medieninteresse war dementsprechend gross. Das Treffen mit Angehörigen der Opfer noch am selben Tag werde ich nie vergessen.

Informationschef von Bundesrat Deiss zu sein, war für mich ein grosses Privileg, aber auch eine Herausforderung. Ich war kein Kommunikationsprofi, und oft schlief ich nicht besonders gut, bis ich jeweils am frühen Morgen nachlesen konnte, was die Zeitungen wieder über unser Departement und seinen Chef geschrieben hatten.

Dann wechselten Sie in die Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe.

Meine Rolle bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ermöglichte mir viele spannende Reisen, vor allem in die Länder Zentralasiens, deren Interessen ich im Direktorium zu vertreten hatte. Als Gesandter der Bank, die auch heute noch viel in jenen Ländern investiert, hatte ich direkten Zugang zu höchsten Regierungsstellen. Diese Gespräche verliefen nicht immer wie am Stammtisch im «Sternen». Sie schärften jedoch mein Handwerkszeug als Diplomat.

2019 auf Dienstreise in Nepal.

Während der Finanzkrise von 2008 und 2009 war ich Mitglied der von Staatssekretär Michael Ambühl geleiteten Delegation, die versuchte, mit den amerikanischen Steuer- und Justizbehörden eine Lösung des Steuerstreits auszuhandeln, in den die UBS damals verwickelt war. Als Schweizer Jurist und amerikanischer Anwalt hatte diese Aufgabe für mich einen besonderen Reiz. Ausserdem durfte ich damals eine breit zusammengesetzte Task Force leiten, die den Bundesrat zu Fragen des Bankgeheimnisses und des Zwists mit den USA beriet.

Die Geschichte ging dann bekanntlich weiter, als ich 2010 Botschafter in den USA wurde und die amerikanische Regierung beschloss, nach der UBS auch noch gegen die 300 übrigen Schweizer Banken vorzugehen. Als Botschafter nahm ich dabei – natürlich nicht in der Sache selbst, aber im Verhandlungsprozess – oft eine vermittelnde Rolle ein.

Als Diplomat ganz speziell war für mich mein letzter Posten als Direktor der DEZA. Zwar hatte ich schon während meiner Zeit bei der Europäischen Bank mit Entwicklungsprojekten zu tun. Die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz war mir aber wenig vertraut. So sah ich meine Aufgabe am Anfang vor allem darin, kritische Fragen zu stellen. Dies tat ich bis zum Schluss, verstand jedoch auch immer besser, was die Entwicklungszusammenarbeit erreichen kann und wo ihre Grenzen sind.

Im Gespräch mit einem Kirchenvertreter in Tansania.

Bereiteten Ihnen und Ihrer Frau die ständigen Umzüge, das wiederholte Einleben in einer neuen Umgebung, keine Mühe?

Eine ehemalige Vorgesetzte hatte einmal – ohne mein Wissen – meine Handschrift einem Graphologen vorgelegt. Dieser attestierte mir unter anderem eine ausgeprägte Rastlosigkeit. Tatsächlich fühle ich mich dort zuhause, wo ich gerade bin. Umzüge wurden zu unserer zweiten Natur. Ohne Kinder ging das vielleicht auch etwas einfacher. Allerdings habe ich es stets als ein riesiges Glück betrachtet, dass Christine dieses Leben begeistert mitmachte und es auch immer wieder schaffte, sich «neu zu erfinden». Dabei half natürlich auch, dass wir elf Jahre unseres Diplomatenlebens in ihrer Heimat USA verbrachten.

Was bedeutet Ihnen die Gastprofessur an der Duke University?

Viel. Der Austausch mit jungen Menschen ist für mich eine grosse Bereicherung, vielleicht gerade auch deshalb, weil wir keine eigenen Kinder haben. Die Studentinnen und Studenten sind viel gescheiter als ich, und ich lerne mehr von ihnen als sie von mir. Ich versuche bloss, dies nicht allzu offensichtlich zu machen.

Der pensionierte Botschafter vor einem New York-Bild, dem Erstlingswerk einer Freundin.

Weshalb wählten Sie Muri-Gümligen  als Ihren ständigen Wohnsitz?

Wir kannten Muri-Gümligen nicht, als wir vor 14 Jahren von London aus etwas in der Region Bern suchten und hier fündig wurden.

Sie wuchsen in Kanton Aargau auf. Fühlen Sie sich in Muri-Gümligen wohl? Leben Sie gerne in Muri?

Wir fühlen uns hier ausgesprochen wohl. Wir haben in Athen, New York, Washington und London gelebt und dort in vollen Zügen das Stadtleben genossen. Hier geniessen wir in vollen Zügen die Natur. Und ja, hier hat es weniger Nebel als im Aargau.

Womit beschäftigen Sie sich in der Pension?

Ich bin in Stiftungsräten von verschiedenen karitativen Organisationen in der Schweiz und den USA und unterrichte seit acht Jahren an der Uni, an der ich in den 80er Jahren meinen Master’s erworben hatte.

Was machen Sie zur Erholung in Ihrer Freizeit? Treiben Sie Sport?

Ich war einmal ein passionierter Tennisspieler und rannte auch den New Yorker Marathon dreimal. Aber nach der 3. Hüftoperation muss ich heute etwas kürzertreten. Aber für fünfmal Fitness in der Woche reicht es allemal. Ausserdem spiele ich seit vielen Jahren Gitarre, in den Anfängen laut und elektrisch, heute eher besinnlich und akustisch.

Titelbild: Manuel Sager auf der Terrasse seines Hauses, im Hintergrund die Kirche Gümligen.  Fotos PS und privat.

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