Soeben hat die Sängerin Sue Schell mit 74 eine CD herausgebracht. Sie habe aber nicht im Sinn, eine neue Karriere zu starten, sagt sie lachend. Es liege ihr einfach am Herzen, dass diese Lieder in die Welt hinaus klingen.
Sue Schell war die weibliche Mitte des berühmten Trios Peter, Sue und Marc, welches die Schweiz viermal am Eurovision Song Contest vertreten hat. Sie hat sich übrigens den diesjährigen ESC angeschaut… und bis zum Schluss ausgeharrt. «Die Zwölfer, die da kontinuierlich für Nemo reingepurzelt sind von der Jury, haben mich begeistert.»
Die neue CD von Sue trägt den Titel: Songs For Coming Home. “Es sind leise, melodiöse Lieder mit viel Stimme, Gitarre und Piano. Sie laden ein zu verweilen und mehr bei sich anzukommen. Eben: Songs for Coming Home!
«zu Hause ankommen»
Nach der Begrüssung in ihrer Wohnung im Appenzeller Land und dem Servieren eines kühlen, selbst kreierten Zitronenwassersaftes beschäftigt uns genau diese Frage. Heimkommen…nach Hause kommen…ankommen…Sue sagt, sie habe lange in sich hineingespürt, was es denn sei, das ihre Songs miteinander verbindet, die sie viele Jahre bei Anlässen gesungen hat. Ja, es sei das Heimkommen, das Innehalten, zur Ruhekommen, das Stillwerden. Eine Einladung, sich in der Tiefe zu spüren und berühren zu lassen.
Aber auch andere Aspekte des „Heimkommens“ haben wir im Gespräch gestreift: Die Verbundenheit mit einem Flecken Erde, einem Baum, Freundschaften, ein offenes Herz, ein lächelnder Gruss, der einem beim Spazierengehen entgegen kommt!
Sue’s Werdegang
Die achtjährige Susan erlebte viele innere Turbulenzen, als sie mit ihrer Mutter und ihrem fünf Jahre jüngeren Bruder Peter von Manhattan nach Bern zog, nachdem ihre Mutter sich von ihrem Mann und Sue’s Vater, der als amerikanischer Arzt aus dem Koreakrieg zurückgekehrt war, hatte scheiden lassen. „Ich sprach kein Wort Deutsch und konnte nicht verstehen, warum man mich nicht verstand, wenn ich in der Schule etwas sagte.“ Die Anfangsschwierigkeiten waren aber bald vorbei, spätestens dann, als sie mit 14 bei einer Gesangsdarbietung in der Schule ein Lied aus dem Musical „My fair Lady“ vorsang. Danach schrieb sie in ihr Tagebuch: «Ich möchte eine berühmte Sängerin werden.»
Nichts leichter als das, als sie 1968 mit Peter Reber und Marc Dietrich ein Trio bildete und in den 70-Jahren die erfolgreichste Band der Schweiz war. Am Silvester 1981 löste sich die Band auf und alle drei gingen ihre eigenen Wege. Ihre gemeinsamen Erfolge und die persönlichen Schritte danach können in einem SRF DOK von 2015 miterlebt werden.
Sue’s Weg zu sich selbst
Nach der Auflösung des Trios startet Sue Schell 1982 eine eigene Karriere, sucht nach ihrem musikalischen Ausdruck, und veröffentlicht drei Alben mit melodiösen Popsongs, wovon das letzte mit eigenen, sehr persönlichen Texten. Doch ihre Karriere kommt nicht wie gewünscht in Fahrt, so dass die Plattenfirma den Vertrag auflöst. Wie weiter?
Es folgen Jahre des Suchens und mutigen Ausprobierens. Sie singt in diversen Theaterproduktionen, unter anderem 1989 im Bieler Stadttheater die Hauptrolle Iduna im Musical „Der schwarze Hecht“.
1990 beschliesst sie, die Gesangskarriere aufzugeben. Sie habe gespürt, dass sie eine Umkehr machen und konsequent einen Weg nach innen gehen müsse. „Ich will es jetzt wissen!“
Es folgen viele Jahre ohne festen Wohnsitz, mit langen Meditationsretreats, Aufenthalten in Klöstern, spirituellen Zentren und Gemeinschaften in Sri Lanka, Berlin, Frankreich und anderen europäischen Ländern.
1998 kehrt sie in die Schweiz zurück und beginnt im kleinen Kreis wieder zu singen, verkehrt in christlichen und buddhistischen Kreisen und singt, oft zusammen mit Jutta Wurm, besinnliche, geistliche und esoterische Lieder vor kleinerem oder grösserem Publikum. Zudem engagiert sie sich als Freiwillige in Alters- und Pflegeheimen und im Sterbehospiz. Sie macht eine Weiterbildung in Klangheilung mit der Stimme, als Clownin und im Improvisationstheater. Seit einigen Jahren gibt Sue Schell auch Coaching für Stimmentfaltung und Selbsterfahrung über Stimme und Körperwahrnehmung. Gelegentlich leitet sie Workshops oder begleitet Kurse mit thematisch bezogenen Liedern zum Mitsingen.
Ein Blick in die Appenzeller Landschaft von Sue’s Balkon aus.
Drei kurze Fragen mit kurzen Antworten
Seniorweb: Und jetzt, wie weiter, Sue?
Sue Schell: „Ich habe zwei schöne Mottos für mein Leben: LERNEN, LIEBEN, LACHEN und HIRN, HERZ UND HUMOR. Das sind meine Leitplanken!
Und das Altern, Sue Schell?
Natürlich habe ich Respekt vor dem Alter. Als ich vor einiger Zeit in einem Spitalbett lag und den Wolken so zuschaute, wie sie sich verändern und auflösen, da sah ich, wir sind auch so eine Wolke. Nichts Festes. Und auf einmal nicht mehr da.
Mich lehrt das Alter Demut, Kontrolle loslassen, den gegenwärtigen Moment bewusst erleben und Prioritäten setzen. Und die Seele baumeln lassen.
Ihr Leben in ein paar Stichworten?
Als Kind habe ich immer schon vom grossen Auftritt geträumt. Und so geschah es!
Mein Leben: Grossartig, schwierig, herausfordernd, aufregend und wunderbar. Geprägt von Erfolg, Bühne, Glanz und Ruhm sowie von Verlust, Scheitern und innerer Wüste. Das alles hat es gebraucht, um mich auf diesen Weg zu bringen, mit neuen Augen zu schauen…nach innen und nach aussen.
Mishko, ein bulgarischer Dorfhund, ein Streuner, mit dem Sue Schell seit vier Jahren jeden Tag drei Spaziergänge macht, gesamthaft 1,5 – 2 Stunden pro Tag.
Zeitungsausschnitte mit Fotos vom Elend der Welt in Sue’s Wohnung unterhalb des liegenden Buddhas.
Ein von einem spirituellen Künstler und Freund gefertigter liegender Buddha. Und daraus die Frage: Wie bringe ich das zusammen, das Leid in der Welt und das Lächeln des Buddhas? Oder auch: Die frohe Botschaft und der gepeinigte und gekreuzigte Christus?
Hier vielleicht eine von vielen Antworten eines Freundes von Sue Schell:
I am sitting here/ Just sitting here/ With a smile and a tear/
Taking another deep breath/ Taking another deep breath
Momentan erhältlich sind zwei CDs mit besinnlichen Liedern: „Breathe, you are alive“ aus dem Jahre 2002 und neu „Songs For Coming Home“. Hineinhören und bestellen kann man auf der Website von Sue Schell. https://www.sueschell.ch
Titelbild: Sue Schell am «Flügeli», am Stutzflügel (Alle Fotos Beat Steiger)