StartseiteMagazinLebensartZillertal - Der Sonne ein Stück näher

Zillertal – Der Sonne ein Stück näher

Im österreichischen Bundesland Tirol scheint die Sonne länger als anderswo. Das Zillertal hat früh mit Sommertourismus begonnen und profitiert heute von einem modern ausgebauten Wintertourismus. Was ist am Zillertal so speziell?

Der Kellner in der «Faktorei» in Innsbruck war offenbar noch nie im Zillertal. Auf meine Frage, was an der Gegend speziell sei, antwortet er: «Das Tal hat einen Anfang und ein Ende.» Seine Kollegin an der Theke, ob der banalen Antwort etwas erschrocken, schiebt nach: «Ausserdem gibt es da frische Luft, intakte Natur und viel, viel Volkskultur.»

Die Reise-App wird da konkreter: «Das Zillertal zweigt rund 40 km östlich von Innsbruck, nahe Jenbach, vom Inntal ab. Es hat seinen Namen vom Fluss Ziller, der es von Süd nach Nord durchläuft und bei dere Ortschaft Strass in den Inn mündet. Es ist das breiteste der südlichen Seitentäler des Inn und im Gegensatz zu anderen Tälern relativ flach mit einem sehr geringen Höhenunterschied ohne Talstufen.» Diese topografische Eigenheit ist der Grund für die überdurchschnittlich hohe Sonnenscheindauer auch auf dem Talgrund.

Blick in das Zillertal im Sommer. Foto ZT.

Der Höhenunterschied beträgt von der Zillermündung bis nach Mayrhofen nur 100 Meter auf einer Strecke von 32 Kilometern. Somit ähnelt der Charakter des Tals jenem des Inntals. Der Talboden ist durchzogen von zahlreiche von Seitenbächen verursachten Schwemmkegeln. Auf diesen Schwemmkegeln haben sich Ortschaften entwickelt. Sie wurden durch die etwas erhöhte Lage von den regelmässigen Überschwemmungen der Ziller verschont. Denn der Talboden war bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts auf halber Breite versumpft. Erst im Zuge der Zillerregulierung und des Baus der Speicherseen wurde der Grossteil des Tals trockengelegt und fruchtbar gemacht.

Wintertourismus seit 75 Jahren

Seit dem Aufkommen des Alpinismus Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Fremdenverkehr ständig zu. So wurde das Zillertal zu einer der Geburtsstätten des alpinen Bergsteigens – zunächst noch mit einheimischen Bergführern. Bald aber entdeckten – wie in der Schweiz auch – englische Alpinisten das Zillertal für sich. Die wintertouristische Erschliessung begann 1949 mit der Errichtung eines Schleppliftes in Hintertux sowie 1953/54 mit dem Bau der Penkenbahn in Mayrhofen.

Moderne Liftanlagen transportieren Gäste auf die Berge.

Heute erschliessen im Tal 180 Liftanlagen nicht weniger als 548 Pistenkilometer. Darüber hinaus existieren 113 Kilometer gespurter Loipen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, 35 Skibuslinien sowie 150 Berghäuser und Genusshütten. Zusätzlich gibt es Möglichkeiten zum Eislaufen. Laut Tirol-Tourismus finden im Zillertal jährlich rund acht Millionen Übernachtungen statt.

Der Wintertourismus ist dank Gletscherpisten und Beschneiungsanlagen das wirtschaftliche Herz der Region. Wer hier zur Welt kommt, steht von klein auf auf den Skiern, sagt man. So ist es kein Zufall, dass das Zillertal zahlreiche Skifahrerlegenden wie die Olympiasieger Leonhard Stock und Stephan Eberharter hervorbracht hat. Nach ihrer aktiven Karriere kehrten die beiden Spitzensportler in ihre Heimat zurück. Ihre Porträts sind noch heute auf Skibussen, Gondeln und Plakatwänden zu sehen.

Gletscherskifahren auf 3250 Meter

Die meisten Wintersportgäste kommen allerdings nicht ihretwegen hierher, sondern wegen den modernen Hochleistungsgondeln, dem Pistenzauber und dem ausgelassenen Hüttengaudi. Typisch für das Tal sind weiter die bewaldeten Berghänge, die spektakulären Gipfel bis zu 3500 Meter, kulturelle Highlights, zahlreiche traditionelle Museen und Ausstellungen, der Hochgebirgs-Naturpark «Zillertaler Alpen» mit einer Fläche von 422 Quadratkilometern. Kurz: Das Zillertal bietet eine perfekte Kombination aus Naturschönheit, Kultur- und Freizeitmöglichkeiten.

Zillertaler Holzfiguren im Schnee.

Wer glaubt, dass Sticken Frauensache ist, der irrt sich: Die aufwändige Federkiel-Stickerei ist im Zillertal seit dem 17. Jahrhundert eine Männerdomäne. Die wertvolle Handarbeit wird aus Vogelfedern gefertigt und ist unverzichtbarer Bestandteil der Zillertaler Tracht. Auch bei der Fussbekleidung mögen es die Zillertaler traditionell und ungewöhnlich: Seit Jahrhunderten sorgt der «Doggl» für warme Füsse. Der urige Walklodenschuh besteht aus mehreren Schichten gefilzter Wolle, die mit «Roggenpapp», einem Teig aus Roggenmehl und Wasser, zusammengeklebt werden.

Kultur heisst lebendige Feste

Im Zillertal existiert eine lange Tradition der Volksmusik. Obwohl sie selber kein Instrument spielt, ist unsere Gastgeberin, Oma Martha, eng mit der Kultur verbunden: «Von Anfang Mai bis Ende Oktober werden diverse Volks- und Kirchtagsfeste gefeiert, etwa das <Zillertaler Gauder Fest>, das zu Österreichs ältesten und grössten Frühlings- sowie Trachtenfesten zählt. Im September finden traditionelle Alpabtriebe, die «Schaflschoade» (jeder holt seine markierten Schafe) statt,» berichtet uns die 94-Jährige, die seit fünfzig Jahren verwitwet ist. Drei Söhne hat sie gross gezogen. Harte Arbeit prägte jahrzehntelang ihr Leben. Aber den Humor hat sie nicht verloren. Wer Oma Martha in ihrer Küche besucht, bekommt einen Obstler angeboten.

Oma Martha begrüsst ihre Gäste herzlich und immer persönlich.

Das Zillertal ist Ursprung und Heimat von bekannten Tiroler Naturprodukten wie dem Heumilchkäse und dem Graukäse, die von den ansässigen Sennereien produziert werden. Trotz des extremen Mehraufwandes der Heubewirtschaftung haben sich 380 Bauern und die Sennereien dazu entschlossen, diese Form der naturnaher Bewirtschaftung beizubehalten und gänzlich auf gärende Futtermittel zu verzichten. Die verarbeitete Milch stammt von Kühen, die sich ausschliesslich vom frischem Gras, Kräutern und Blumen ernähren. Weitere regionale Spezialitäten sind Zillertaler Krapfen oder <Schliachta-Nudln>.

Nachhaltigkeit ist im Zillertal kein Schlagwort. Man erkennt das an den Biogasanlagen auf Bauernhöfen. Aller Bemühungen zum Trotz schreitet der Klimawandel fort. Doch Oma Martha will davon nichts wissen. «Warme Winter und nasse Sommer gab es schon immer», lautet ihr Kommentar. Behörden und Wirtschaft haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen verstärkt auf Sommertourismus. Die Angebote werden laufend ausgebaut: Wandern, Klettern, Biken, Paragliding zählen zu den beliebten Aktivitäten. Gebaut wurden der Zillertaler Höhenweg, das Murmelland, ein Wildtierbeobachtungspfad, Sommerrodel- sowie Bergbahnen, Gletschertouren und viele andere Angebote.

Der Ort Mayrhofen zuhinderst im Tal. Foto ZT

Ohne Menschen funktioniert der Tourismus nicht. Sommer wie Winter bedient auf der «Platzlalm» Barkeeper Martin seine Gäste. Auf meine Frage, was am Zillertal so speziell sei, antwortet er: «Mein Schnaps». Und schon steht ein Glas «Zichna»-Likör vor mir. Die Berg-Zirbe, im Tirol auch als «Zichna» bekannt, ist nicht nur für den einzigartigen Geschmack berühmt, sondern auch für ihre gesundheitsfördernde Wirkung. Die Zirbe (Pinus Cembra) gehört zur grossen botanischen Familie der Kiefern.

Barman Martin empfiehlt «Zichna»-Schnaps. 

Und was ist sonst noch speziell am Tal? Auf der ganzen Welt kennt man das Weihnachtslied «Stille Nacht, heilige Nacht». Was jedoch nur wenige wissen: Es waren Zillertaler Sängerinnen und Sänger aus Fügen, welche die berühmte Melodie in alle Welt hinaustrugen. Das musikalische Erbe der Zillertaler Musikanten lebt bis heute im klassischen Volkslied weiter. So gibt es in der Region kaum eine Familie, in der nicht gesungen und musiziert wird. Insbesondere die volkstümliche Musik erfreut sich grosser Beliebtheit. Unvergessene Stars in der Szene waren die <Zillertaler Haderlumpen> (in Lumpen gekleidete Taugenichtse). Sie gewannen 2007 den «Grand Prix der Volksmusik».

Die Sonnenterrasse vor der Kaltenbacher Schihütte.

Haderlumpen? Nein. «Die Menschen im Zillertal sind bodenständige Leute», sagt Oma Martha und schmunzelt. Seit 1970 kommen Gäste aus allen Herren Ländern zu ihr zur Erholung. An erster Stelle stehen Gastfreundschaft und Freundlichkeit. Auf meine Frage nach der Besonderheit des Zillertals antwortet Serviertochter Gitti auf der Kaltenbacher Schihütte schlagfertig: «Die nette Bedienung». Lacht und hebt das Schnapsglas: «Vergelt’s Gott».

Sie muss es wissen. Seit zwanzig Jahren bedient Gitti grosse und kleine Gäste aus Nah und Fern. Sie alle kommen nicht wegen dem Anfang und dem Ende des Tals, sondern wegen der hohen Lebens- und Ferienqualität.

Titelfoto: Im breiten Zillertal scheint die Sonne länger als anderswo. Fotos: PS und ZT/Zillertal Tourismus.

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Zillertag Tourismus

 

 

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