Das norwegisch-schweizerische Künstlerpaar, Philipp Dommen und Torhild Grøstad, zeigt bis Juni 2025 im Nidwaldner Museum Winkelriedhaus einige seiner Werke – Werke, die Spuren hinterlassen, Erinnerungen wecken und Fragen aufwerfen.
Unter dem Ausstellungstitel «Spur und Erinnerung» präsentieren Philipp Dommen und Torhild Grøstad künstlerische Arbeiten aus den letzten 20 Schaffensjahren: Grøstad zeigt monochrome, mit Kohle oder Kreide geschaffene Zeichnungen zwischen Schwarz und Weiss in unendlich vielen Grautönen, Dommen fasziniert und irritiert mit teilweise mechanisch angetriebenen Objekten. Die mechanisch oder mit Maschinen angetriebenen Objekte sind besonders erholsam …oder nervend, da dabei die Entschleunigung der maschinell-technischen Welt zelebriert wird. Mancher Betrachter hätte vielleicht gern, wenn sich die Haare schneller sträuben, der Hammer schneller zuschlagen und die Rabenfeder sich schneller bewegen würden. Nein, hier wird die Langsamkeit gefeiert, was die Ungeduld und die rasenden Gedanken des Betrachters ins Bewusstsein katapultiert. Und wir fragen uns: Müssen wir denn durch die Welt hecheln auf der Suche nach einem vergänglichen Glück? Müssen wir uns in einem Hyperaktivismus reihenweise ins Burnout hinein manövrieren? Welche Maschinen könnten im Entschleunigungsmodus besser zum Wohlergehen der Menschheit beitragen?
Die beiden, die sich 1983 an der Kunsthochschule Oslo im Studium kennengelernt hatten, zogen 1986 in Grøstads Heimat nach Flatdal zurück, wo sie noch heute leben und arbeiten. Ihre drei Kinder sind bereits erwachsen und ausgeflogen.
In dieser Ausstellung erkunden sie innere und äussere Landschaften. Torhild Grøstad spürt mit 20 Zeichnungen Tier- und Menschenspuren nach in Fluchträume und Abgründe, durch sanfte Hügel und dunkle Wälder. Auch Innenräume, Frühstückszenen und bevorzugte Liege- und Aussichtsplätze des Hundes als Vermittler zwischen Mensch und Natur werden künstlerisch bearbeitet. Wie verändert sich die Natur, wenn der Mensch in sie eingreift. Was ist erträglich, was schmerzhaft, was irreparabel? Wie fühlt sich der Mensch als Teil, wie als Beherrscher der Natur?
Auch der Hund des Künstlerpaars spürt Spuren nach, Radspuren, Tierspuren, anderen Spuren. Ausschnitt aus einer Zeichnung auf Papier/Sperrholz von Torhild Grøstad (Foto bs)
Die Co-Kuration, Jana Avanzini und Michael Sutter, umrahmt das Künstlerpaar an der Vernissage vom 21. Februar. (Foto: Christian Hartmann)
Philipp Dommen ist 1952 in Sursee geboren, streifte ab der Primarschule bis zu seinem Wegzug ins Kollegium St. Fidelis Stans jeweils im Frühling mit mir im Wauwiler Moos herum auf der Suche nach Kiebitznestern. Hatten wir eines gefunden, markierten wir es in 1,5 m Abstand mit Holzstecken, damit die Bauern bei ihrer Feldarbeit die Nester mit ihren Traktoren sorgfältig umfahren konnten. Auch halfen wir Mitarbeitenden der Vogelwarte Sempach beim Beringen von Vögeln, die vorher aus den Fangnetzen herausgelöst, gewogen und abgemessen wurden. Da waren gelegentlich auch Eisvögel und Waldohreulen dabei. So entwickelte sich schon beim jungen Philipp Dommen eine naturmystische Haltung. Stundenlang wurden Vögel in ihren Landschaften beobachtet.
Philipp Dommens Skulptur «Zugvogel» (2024) aus Acryl und Kalkstein. Inwiefern ist auch der Mensch ein Zugvogel, der sich in die Ferne treiben lässt und gern wieder in die Heimat zurückkehrt? Beim Blick nach aussen den Blick nach innen nicht vernachlässigen, sonst verdrängt der Zugvogelblick den Tiefblick. (Foto bs)
Die Sorge um einen achtsamen Umgang mit der Natur grub sich tief in seine Seele ein und prägt bis heute sein künstlerisches Schaffen. Seine zweite Heimat im norwegischen Flatdal erlaubt ein Versinken in der Natur, ein sorgfältiges Mitgestalten und ein naturschützendes Engagement, etwa wenn eine Autobahn mitten durch die ruhige Landschaft geplant wird.
Im Vordergrund die Installation «Roter Läufer» (2023). Wem wird der Läufer oder der Teppich ausgerollt und welche Berge werden dabei eingeebnet. Der Teppich kann zusammengerollt werden, die Bergelemente passen perfekt ineinander und werden einem grossen Autobahnprojekt in seiner norwegischen Heimat geopfert. Über dem «Roten Läufer» im Hintergrund an der Wand Grøstads «Auf der Spur» (2009) in Kohle und Kreide auf Sperrholz. Die strengen Spuren eines Skilangläufers (Bildunterseite) werden von Tierspuren durchkreuzt. (Foto: Christian Hartmann)
In Dommens «Rote Berührung» streicht eine mechanisch bewegte Rabenfeder abwechslungsweise sanft und langsam über ein verlorenes Geweih und über eine Art Kleiderbürste in einer Hand, welche die zerzauste Feder glätten und wieder flugtüchtig machen kann. Vielleicht eine Erinnerung an die Krähe, die Philipp Dommen als Jungvogel verletzt fand, sie zuhause aufzog, bis sie mal vom Balkon aus seiner Hand entwischte und Richtung Sure entflog. (Foto: Philipp Dommen)
Plötzlich wurde die Vernissage von zwei Fasnachtsgestalten unterbrochen. Die grosse Maske hatte Philipp Dommen vor 41 Jahren geschaffen. Vor kurzem wurde sie in einem Stanser Estrich wiederentdeckt. Nun darf sie Philipp Dommen als Erinnerung hocherfreut nach Norwegen mitnehmen. (Foto: Christian Hartmann)
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Zum Titelbild: Philipp Dommen und Torhild Grøstad hinter Dommens Objekt «Haarsträubend» aus dem Jahre 2017. Die Haare sträuben und senken sich, maschinell angetrieben. Philipp Dommen dazu: «Haarsträubend war die Politik von Donald Trump schon 2017.» (Foto bs)
Flyer zur Ausstellung mit Hinweisen auf Veranstaltungen. Finissage 8. Juni (Pfingstsonntag).